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Monday, July 26, 2021

Coronavirus: Wenn die Impfungen schwächeln - ZEIT ONLINE

Wenn die Impfungen schwächeln – Seite 1

Deutschland öffnet sich. Menschen gehen in schlecht belüftete Büros, in Schulen, achten weniger auf den Infektionsschutz, veranstalten Partys, besuchen Sportstadien, Bars oder die Oper. Gleichzeitig ist die Pandemie noch nicht überstanden. Eine vierte Infektionswelle baut sich auf – mit einer Virusvariante, die sich besonders effektiv einen Weg durch die Bevölkerung bahnen kann. Für eine Personengruppe ist sie damit eine besondere Bedrohung: Menschen, deren Immunsystem nicht macht, was es soll. Das besondere Problem dieser Gruppe: Ob ihnen die Impfstoffe ausreichenden Schutz bieten, ist fraglich. 

Wie viele Menschen in Deutschland genau an einer Immunschwäche leiden, die die Wirksamkeit der Impfungen einschränkt, ist schwer zu sagen. Klar aber ist: Es dürften Millionen sein. Die Gründe für ihre Immunschwäche sind mannigfaltig. Manche nehmen Medikamente, nachdem sie ein Organ transplantiert bekommen haben. Andere leiden an Krebs- oder Autoimmunerkrankungen. Dazu kommen noch Millionen von Menschen in Deutschland, deren Immunsystem einfach deshalb etwas schwächelt, weil sie alt sind. Aber wie viel schlechter wirken die Impfungen bei all diesen Menschen? Und was kann ihnen helfen? 

Das besondere Risiko für Krebs- und Autoimmunkranke

Da sind zunächst die Krebspatienten. Für die meisten von ihnen gibt es eine vorsichtige Entwarnung. Den allermeisten bieten die Impfungen einen zuverlässigen Schutz. Wer sich gerade in einer stabilen Phase der Erkrankung befindet oder den Krebs schon länger hinter sich hat, sei "mit relativ hoher Sicherheit so gut geschützt, wie Menschen, die keinen Krebs haben", sagt die Medizinerin Marie von Lilienfeld-Toal, die sich am Universitätsklinikum Jena auf Infektionskrankheiten bei Krebspatienten spezialisiert hat. Wer allerdings gerade eine Chemotherapie bekommt oder frisch hinter sich hat, habe ein geschwächtes Immunsystem, sodass eine schwächere Wirkung der Impfung zu erwarten sei.

Eine besondere Risikogruppe sind Menschen mit Blutkrebserkrankungen. "Vor allem sie haben – selbst, wenn es in der Therapie ganz gut läuft – ein unangenehm hohes Risiko, dass sie ziemlich lange mit dem Virus zu tun haben", sagt von Lilienfeld-Toal. Damit meint sie, dass das Virus bei infizierten Betroffenen oft deutlich länger Zellen im Körper befällt und damit auch mehr Schaden anrichten kann, als bei Gesunden, deren Immunsystem es oft nach wenigen Tagen oder Wochen aus dem Körper beseitigt hat. "Diese Menschen werden das Virus nicht los. Das ist deswegen furchtbar schwierig, weil wir immer noch keine wirklich effektive Therapie haben, die das Virus letztlich beseitigt."

Dass Menschen mit Blutkrebs nicht wie gewünscht auf die Impfungen reagieren, zeigen inzwischen einige Studien. Im Blut nahezu aller Gesunden lassen sich einige Wochen nach einer Impfung hohe Antikörperspiegel gegen Teile von Sars-CoV-2 nachweisen. Bei Menschen mit Blutkrebs jedoch nicht. Die Impfstoffe rufen bei ihnen deutlich seltener hohe Antikörperspiegel hervor (Cancer Cell: Addeo et al., 2021). Diese Immunschwäche lässt sich einerseits durch den Blutkrebs selbst erklären. Einen deutlich größeren Anteil aber haben die Therapien, die die Patientinnen durchlaufen und die das Immunsystem bremsen.

Ein ähnliches Problem haben Menschen mit Autoimmunkrankheiten wie etwa Rheuma, Arthritis, Schuppenflechte oder Multipler Sklerose. Bei einer Autoimmunkrankheit greift das Immunsystem durch eine Art Programmierfehler Zellen im eigenen Körper an. Bis heute gibt es keine Heilung dafür, mittlerweile aber gute Möglichkeiten, bleibende Schäden zu verhindern oder die Krankheit zu verlangsamen. Der Nachteil dieser Therapien: Medikamente schwächen die überlebenswichtigen Immunzellen, um den Körper zu schützen. Das ermöglicht es vielen Betroffenen, einen halbwegs normalen Alltag zu leben – öffnet aber eine Hintertür für das Coronavirus und natürlich auch andere Krankheitserreger. 

Immunsupprimierende Medikamente können die Schutzwirkung von Impfstoffen verringern. So zum Beispiel bei Multipler Sklerose (MS), einer der bekanntesten Autoimmunkrankheiten, bei der die Immunzellen die Hüllen der Nervenbahnen von Gehirn und Rückenmark angreifen. Häufig passiert das in Schüben, die dann mit einem Cortisonstoß behandelt werden. "Nach so einer Behandlung muss man davon ausgehen, dass das Immunsystem ungefähr vier bis sechs Wochen lang nicht ganz normal funktioniert", sagt Judith Haas, Leiterin des Zentrums für Multiple Sklerose am Jüdischen Krankenhaus Berlin und Vorsitzende der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). Um solche Umstände herum muss eine Impfung geplant werden. So empfiehlt die DMSG, eine Dosis mit einigen Wochen Abstand nach einer Cortison-Behandlung zu verabreichen.

Therapien, die Immunzellen behindern

Besonders schwierig ist die Impfung bei Therapien mit einer speziellen Art von Medikamenten, die es auf die B-Zellen abgesehen haben. Diese Medikamente werden vor allem gegen Autoimmunkrankheiten und Krebsleiden eingesetzt. B-Zellen sind jene Immunzellen, die unter anderem frische Antikörper bilden. Werden sie an der Arbeit gehindert, ist ein Immunschutz deutlich erschwert. Studien zeigten teilweise ernüchternde Ergebnisse mit deutlich reduzierten Antikörperspiegeln nach der Impfung (zum Beispiel: Therapeutic Advances in Neurological Disorders: Achiron et al., 2021). In manchen Fällen bildeten Geimpfte, die ein Medikament nahmen, das die B-Zellen hemmt, sogar gar keine Antikörper (Cancer Cell: Addeo et al., 2021 / The Lancet Haematology: Maneikis et al., 2021). "Das heißt nicht unbedingt, dass Betroffene überhaupt nicht vor Covid-19 geschützt sind", sagt Judith Haas, "weil ja ein Teil der unmittelbaren Immunabwehr über T-Zellen verläuft." Wie gut der Schutz durch die T-Zellen aber ist, ist noch nicht ausreichend untersucht worden.

Patienten, die solche Medikamente nehmen, sollten am besten vor oder nach der Therapie geimpft werden, empfehlen die zuständige Fachgesellschaften und das Robert Koch-Institut.

Eine zusätzliche Dosis könnte helfen

Ähnliche Probleme gibt es bei Menschen, die die eine Transplantation hinter sich haben. Auch sie müssen über lange Zeiträume, oft ein Leben lang, Medikamente nehmen, die das Immunsystem bremsen. Diese hindern das Immunsystem des Transplantatempfängers daran, gegen das neue, fremde Zellmaterial anzukämpfen und es abzustoßen. 

Im Mai zeigten erste Studien, dass auch bei Transplantationspatientinnen die Antikörperantwort deutlich niedriger ausfallen kann, wenn sie geimpft werden (Jama: Boyarsky et al., 2021). Zudem berichtete ein Forscherteam aus Baltimore in den USA im Fachmagazin Transplantation über die Corona-Infektionen von 14 Geimpften (Ali et al., 2021). Von denen starb eine Person, zwei weitere mussten zum Zeitpunkt der Studienveröffentlichung im Krankenhaus behandelt werden. Das sagt zwar wenig über die Erkrankungsgefahr aus, die nach der Impfung besteht, veranlasste die Forschenden aber, Transplantierte dazu aufzurufen, sich trotz Impfung gewissenhaft vor dem Virus zu schützen.

Aber auch im hohen Alter verliert das Immunsystem an Kraft, es wird auf natürliche Weise schwächer – Fachleute nennen das Immunoseneszenz. In einer Laborstudie aus Großbritannien zeigte sich etwa, dass die Immunaktivität gegen das Coronavirus von Personen mit zunehmendem Alter abnimmt (Nature: Collier et al., 2021). Die Immunschwäche dürfte in den meisten Fällen nicht so stark ausgeprägt sein wie bei Menschen, die Immunsuppressiva nehmen. Dafür aber gibt es in Deutschland viele alte Menschen und das Alter hat sich als einer der entscheidenden Risikofaktoren für Corona entpuppt.

Allerdings gibt es längst Überlegungen, wie man älteren Menschen, aber auch Immunsupprimierten und Krebskranken, helfen könnte: Man könnte ihnen eine weitere Impfung geben. Verschiedene Experten empfehlen einen solchen Booster, Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte diese Woche an, Menschen mit einer mutmaßlich schlechteren Immunantwort, etwa Altenheimbewohnerinnen, im Herbst eine Drittimpfung anzubieten.

Andere sind etwas skeptischer, ob das pauschal nötig ist. Der Immunologe Luka Cicin-Sain etwa, der am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung zur Immunalterung forscht. Cicin-Sain erinnert daran, dass vor allem die mRNA-Impfstoffe eine überraschend gute Wirksamkeit erzielt haben – vor allem in Altersgruppen, in denen andere Impfstoffe oft schlechter abschneiden. Er hält es zunächst für besser, vorzusortieren: Wenn unter Älteren auch nach einer Zweifachimpfung noch ein niedriger Antikörperspiegel messbar ist, könnten das mögliche Kandidatinnen für eine dritte Dosis sein, ohne pauschal zu impfen, vor allem, während der Impfstoff knapp ist.

Eine dritte Impfung könnte vor allem auch den anderen Gruppen helfen, zum Beispiel Menschen, die ein Spenderorgan bekommen haben. "Eine neuere Studie zeigt, dass bei Patienten mit Nierentransplantation eine dritte Impfung tatsächlich noch einen Effekt hat", sagt der Impfstoffforscher Leif Erik Sander von der Berliner Charité im Gespräch mit ZEIT ONLINE. (Annals of Internal Medicine: Werbel et al., 2021). "Die Studie ist insgesamt noch sehr klein", sagt Sander, "aber sie unterstützt das Prinzip der dritten Impfung bei bestimmten Personen." Und auch die Deutsche MS-Gesellschaft empfiehlt behandelnden Ärztinnen bei einem nicht erkennbaren Antikörperschutz von MS-Patienten, über eine dritte Impfung nachzudenken. 

Auch wenn die Immunantwort nicht so gut sei wie bei anderen, sollten sich Menschen mit Immunschwäche unbedingt impfen lassen. Da sind sich die Expertinnen sicher. "Wir gehen davon aus, dass sie mehr Nutzen durch die Impfung haben als Schaden oder Nebenwirkungen", sagt von Lilienfeld-Toal. "Und diesen kleinen Vorteil wollen wir ihnen auf jeden Fall zukommen lassen." 

Mitarbeit: Hannah Lesch

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