Cochlea-Implantate ermöglichen Menschen mit hochgradigem Hörverlust einen Gewinn an Lebensqualität: Sie helfen ihnen, gesprochene Worte zu verstehen und eine normale Sprache zu entwickeln. Als problematisch gelten jedoch Hintergrundgeräusche, heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) Göttingen.
Diese beeinträchtigten das Sprachverständnis von Menschen mit Cochlea-Implantat erheblich. Das Team um Tobias Moser vom Institut für Auditorische Neurowissenschaften und „InnenOhrLabor“ der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und von der Forschungsgruppe Auditorische Neurowissenschaften und Optogenetik am DPZ arbeitet deshalb daran, die Cochlea-Implantate zu verbessern. Nun ist dem Team ein weiterer wichtiger Schritt zur Entwicklung des optischen Cochlea-Implantates gelungen, so das DPZ.
Abbildungen von Hörschnecken
Die Forschenden wollen die Nervenzellen im Ohr mittels gentechnischer Methoden lichtempfindlich machen. So regten sie die Zellen mit Licht an, statt wie bisher mit Strom. Denn mit Licht, so die Erwartung, können die Neuronen im Ohr selektiver angeregt werden. In einer Kooperation mit Röntgenphysikern um Tim Salditt, der wie Moser am Göttinger Exzellenzcluster Multiscale Bioimaging (MBExC) forscht, konnten sie nun mittels kombinierter bildgebender Verfahren von Röntgentomographie und Fluoreszenzmikroskopie detaillierte Abbildungen der Hörschnecken von Nagetieren und nicht-humanen Primaten erstellen. Dies ermöglichte es ihnen, wichtige Parameter für das Design und die Materialbeschaffenheit optischer Cochlea-Implantate zu ermitteln.
Lesen Sie auch: Behandlung von Hörverlust: Tobias Moser erhält Preis der „Fondation Pour l’Audition“
Darüber hinaus gelang den Forschenden, zu denen auch Wissenschaftler aus dem Sonderforschungsbereich SFB889 gehören, die Simulation der Ausbreitung des Lichts in der Cochlea von Weißbüschelaffen. Die Ergebnisse der Simulation zeigen, dass eine räumlich begrenzte optogenetische Anregung der Hörnervenzellen möglich ist. Demnach würde die optische Stimulation zu einem viel differenzierteren Höreindruck führen als die bislang verwendete elektrische Stimulation. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
Die Entwicklung optischer Cochlea-Implantate ist ein komplexes Unterfangen, so das DPZ. Von der Erforschung grundlegender Prinzipien bis zur Anwendung in der Klinik beziehe es viele Forschende unterschiedlicher Disziplinen ein. Ein Faktor sei die komplizierte Struktur der Cochlea oder Hörschnecke. Diese sei für Untersuchungen nur schwer zugänglich, da sie tief in das Schläfenbein eingebettet ist.
Hören mit Cochlea-Implantat
Elektrische Cochlea-Implantate können Menschen mit hochgradigem Hörverlust oder Taubheit helfen, heißt es vonseiten der Göttinger Universitätsmedizin. Dabei handelt es sich um eine implantierbare Hörprothese, die Umgebungsgeräusche über einen externen Sprachprozessor aufnimmt, umwandelt und das Signal auf implantierte Elektroden in der Gehörschnecke überträgt. Dabei werden die defekten oder nicht-vorhandenen Haarzellen umgangen und die Hörnervenzellen durch Stromimpulse direkt angeregt.
Dieses Signal wird dann entlang der Hörbahn bis zur Hirnrinde weiterverarbeitet. Ein Problem beim Hören entsteht durch die elektrische Reizung in der mit Salzlösung gefüllten Cochlea: Trotz vieler Bemühungen lässt sich der Strom nicht ausreichend räumlich begrenzen. So werden viele Nervenzellen, die für ein breites Spektrum an Tonhöhen zuständig sind, gleichzeitig elektrisch angeregt. Die Zahl der unabhängigen Stimulationskanäle ist hier typischerweise auf unter zehn begrenzt.
Auf Tierversuche angewiesen
Für die Entwicklung von Gentherapie und optischen Cochlea-Implantaten müssten Forschende daher wissen, wie die Cochlea im Detail aufgebaut ist. Daher seien die Forschenden auf Tierversuche angewiesen. Zu den geeigneten Tiermodellen gehörten Nagetiere wie Maus, Ratte, Wüstenspringmaus und mit fortschreitendem Forschungsstand auch nicht-humane Primaten. Die Forschungsgruppe Auditorische Neurowissenschaften und Optogenetik forscht am DPZ mit Weißbüschelaffen, deren Verhalten bei der vokalen Kommunikation dem des Menschen ähnlich ist.
„Für vorklinische Studien sind genaue Kenntnisse der Anatomie der Cochlea notwendig. Wir haben Phasenkontrast-Röntgentomographie und Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie sowie deren Kombination eingesetzt, um die Struktur der Cochlea sowohl der wichtigsten Nagetiermodelle als auch der Weißbüschelaffen darzustellen“, erläutert Daniel Keppeler, Erstautor der Studie.
Von Anja Semonjek
Cochlea-Implantate am Göttinger Primatenzentrum weiterentwickelt - Göttinger Tageblatt
Read More
No comments:
Post a Comment