Seit circa 50 Jahren gibt es sie, die wahrscheinlich erfolgreichste Neuroprothese bisher: Das Cochlea-Implantat. Ihm verdanken etwa 700.000 Menschen weltweit ein annähernd normales Sprachverständnis. Göttinger Forschende jedoch sehen noch Luft nach oben und sind dabei, ein Upgrade zu entwickeln.
Laute Umgebungen machen Implantate nutzlos
Gründe für Hörverlust oder Schwerhörigkeit gibt es viele: genetische Faktoren, Infektionen, Nebenwirkungen von Medikamenten oder auch laute Geräusche und Lärm. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mehr als fünf Prozent der Weltbevölkerung von starken Hörbeeinträchtigungen bis hin zu Taubheit betroffen. Bei leichter Schwerhörigkeit kommen meist schallverstärkende Hörgeräte zum Einsatz. Wenn selbst mit diesem Hilfsmittel jedoch kein offenes Sprachverständnis möglich ist – das heißt, Sprache wird ohne Blickkontakt verstanden –, kann ein Cochlea-Implantat in Frage kommen. Doch die Prothese ist nicht perfekt: Hintergrundgeräusche erschweren das Verständnis erheblich und Tonunterschiede sind kaum wahrnehmbar. Diese Probleme wollen Göttinger Forschende mit einer neuen Version ausbessern, erklärt das Deutsche Primatenzentrum in einer Pressemitteilung.
Schlechte Übertragung der Signale
Cochlea-Implantate bestehen aus einem Mikrofon, das außen am Kopf sitzt, sowie Elektroden, die sich in der Hörschnecke, der Cochlea, befinden. Das Mikrofon nimmt die Geräusche in seiner Umgebung auf und die Elektroden leiten sie in Form von elektrischen Impulsen an die Nerven in der Cochlea weiter. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Hörschnecke mit Flüssigkeit gefüllt ist und die Signale sich darin zu sehr ausbreiten. So können bei diesem Implantat nur 12 bis 24 Elektroden verwendet werden. Das reicht, um Sprache zu verstehen, nicht aber, um zum Beispiel Musik zu hören. Die Idee des Göttinger Forschungsteams: Signalübertragung durch Licht. Um das zu ermöglichen, veränderten die Forschenden die Hörzellen mittels optogenetischer Verfahren so, dass sie statt auf elektrische auf visuelle Reize reagierten.
Untersuchungen geben Aufschluss über Cochlea
Die Entwicklung der optischen Implantate ist komplex. Genaueste Untersuchungen der Cochlea sind nötig, doch das ist schwierig, selbst mit den neuesten bildgebenden Verfahren, da sie tief im Schläfenbein liegt. Außerdem muss die Wirksamkeit und vor allem Sicherheit der Gentherapie geprüft werden. Aus diesen Gründen sind die Forschenden auf Versuche mit Weißbüschelaffen angewiesen. „Für (spät-)vorklinische Studien sind genaue Kenntnisse der Anatomie der Cochlea notwendig. Wir haben Phasenkontrast-Röntgentomographie und Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie sowie deren Kombination eingesetzt, um die Struktur der Cochlea sowohl der wichtigsten Nagetiermodelle als auch der Weißbüschelaffen darzustellen“, erklärt Daniel Keppeler, Erstautor der Studie.
Besseres Hörerlebnis dank optischer Implantate
Dank der so gewonnenen Daten konnte die Arbeitsgruppe ein Implantat mit LED-Emittern für Weißbüschelaffen entwickeln. Außerdem erlaubten die Daten den Forschenden eine Modellierung der Ausbreitung des Lichts in der Hörschnecke. „Unsere Simulationen weisen auf eine räumlich begrenzte optogenetische Anregung der Hörnervenzellen und damit eine höhere Frequenzselektivität hin als bei der bisherigen elektrischen Stimulation. Nach diesen Berechnungen führen optische Cochlea-Implantate zu einer deutlich verbesserten Hörwahrnehmung, welche Sprache, aber auch Musik einschließen dürfte“, resümiert Tobias Moser, Direktor des Instituts für Auditorische Neurowissenschaften in Göttingen.
Licht hören: Optische Cochlea-Implantate für ein besseres Hörerlebnis - Healthnews
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