Stand: 11.05.2021 17:29 Uhr
In der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update spricht Christian Drosten darüber, was der Impf-Fortschritt für den Sommer bedeutet. Der Virologe erklärt zudem die Bedeutung von Update-Impfungen - auch gegen Grippe.
"Der Sommer kann ganz gut werden in Deutschland." Mit dieser Aussage hat Drosten gerade Optimismus im ganzen Land verbreitet. In der neuen Podcast-Folge erklärt er, warum er die Entwicklung in der Corona-Pandemie hierzulande positiv sieht: "Es kann sein, dass wir durch die 30 Prozent Erstimpfquote beginnen, erste Impfeffekte zu sehen", sagt der Leiter der Virologie an der Berliner Charité. Das sei etwas, das man freudig betrachten müsse, zumal der Abwärtstrend bei den Zahlen zum Infektionsgeschehen anhält. Gleichwohl könne man nicht alle Maßnahmen auf einen Schlag beenden. "Wir werden nicht zu einem bestimmten Stichpunkt sagen: Ab jetzt alle die Masken abnehmen und ab jetzt so tun, als wäre es Sommer 2019."
72,6 Prozent in Deutschland wollen sich gegen Corona impfen lassen
Drosten hebt die breite Bereitschaft in der Bevölkerung hervor, die Maßnahmen mitzutragen ("Viele haben verstanden, worum es geht"). Und auch die Daten zur Impfbereitschaft machen Mut. Nach dem letzten Monitoring im Auftrag des Robert Koch-Instituts (RKI) vom April wollen sich 72,6 Prozent der Befragten in jedem Fall impfen lassen. Lediglich 4,4 Prozent gaben an, "auf keinen Fall" an der Impfkampagne teilzunehmen. Es sei eine freie Entscheidung, sagt Drosten, die man aber langfristig betrachten müsse: "Diejenigen, die sich aktiv gegen die Impfung entscheiden, die müssen wissen, dass sie sich damit auch aktiv für die natürliche Infektion entscheiden."
Das Coronavirus wird endemisch
Eine solche Entscheidung gelte es, spätestens im Herbst oder Winter zu überdenken. Denn das Virus werde endemisch, werde also bleiben. "Wir werden auch im nächsten Winter noch Leute mit schwerem Covid-19-Verlauf auf der Intensivstation haben", so Drosten. Zudem müsse man beobachten, wie sich die Situation bei Kindern, die derzeit noch nicht geimpft werden können, entwickle. Mittelfristig werde jeder den Prozess einer Immunisierung durchlaufen, entweder durch die Impfung oder durch eine Infektion. Das Zeitfenster, in dem sich dies vollziehen könnte, schätzt der Virologe ab jetzt auf etwa 1,5 Jahre, wobei die Immunantwort nach zwei Impfdosen als deutlich stabiler eingeschätzt wird. Nach einmaliger Infektion schwinden Antikörper jüngsten Erkenntnissen zufolge womöglich innerhalb weniger Monate.
"Diejenigen, die sich aktiv gegen die Impfung entscheiden, die müssen wissen, dass sie sich damit auch aktiv für die natürliche Infektion entscheiden." Christian Drosten
Mut machende Impfstudien aus England und von Moderna
Zum Impf-Fortschritt gibt es auch Mut machende Zahlen aus neuen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. So zeigt eine Studie zur Wirksamkeit von Erstimpfungen (AstraZeneca oder Biontech) aus England (Erstimpfquote in Großbritannien bei 50 Prozent), dass sich die Weiterübertragung von SARS-CoV-2 innerhalb der untersuchten Haushalte bereits etwa halbierte, wenn nur eine Person in der Familie mit einer Dosis geimpft war.
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Laut einer Studie des Vakzin-Herstellers Moderna gibt es zudem Hinweise, dass das Auffrischen von Covid-19-Impfungen nach sechs Monaten in jedem Fall sinnvoll ist, egal ob mit demselben oder einem upgedateten Impfstoff. Moderna hatte sowohl das ursprüngliche Vakzin als auch eine an die wichtigsten Varianten angepasste Version für eine dritte Booster-Impfung erprobt. Der Zuwachs an Immunität ist in beiden Fällen den Daten zufolge erheblich, sowohl gegen den Wildtyp als auch gegen sogenannte Immune-Escape-Varianten, die in der Lage sind, der durch den Impfstoff provozierten Immunantwort teilweise auszuweichen. Drostens Schlussfolgerung: Wenn es im Herbst noch keine Update-Impfstoffe gibt, sollte man trotzdem in breiter Zahl Auffrischungsimpfungen mit dem verfügbaren Impfstoff machen: "Es kommt darauf an, dass die Leute überhaupt ein Update bekommen."
Influenza-Saison könnte schwer werden
Mit Blick auf den Herbst und Winter lenkt der Wissenschaftler die Aufmerksamkeit aber auch auf die Grippe-Impfung. In der letzten Saison sei die gesamte Bevölkerung nicht dem Influenza-Wildtyp-Virus ausgesetzt gewesen. "Wir müssen uns sicher darauf vorbereiten, dass die nächste Influenza-Saison schwer wird, wenn wir nicht mit einer Impfung gegensteuern", sagte Drosten. "Jemand, der ein Risiko für Influenza hat, der hat auch dieses Risiko für Covid, und der wird sich im Herbst impfen lassen wollen, sollen, müssen. Das ist meine Empfehlung."
Indische Variante B.1.617: "Wir können dagegen animpfen"
Die in Indien grassierende Virusvariante B.1.617, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO nach der britischen, südafrikanischen und brasilianischen Variante ebenfalls als "besorgniserregend" eingestuft worden war, hält Drosten in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt nicht für gefährlich. Die Mutante hat vor allem in stärker durchseuchten Ländern gegenwärtig einen Fitnessvorteil. "Ich glaube nicht, dass sie im jetzigen Zustand in der deutschen Bevölkerung genauso überhandnehmen würde, denn unsere Bevölkerung ist noch nicht so stark immunisiert", sagte Drosten. Er rechne damit, dass die Variante zum Herbst hin, wenn auch in Deutschland eine zahlenmäßig größere Immunität herrsche, eine Rolle spielen wird. "Aber das wird uns keine neue Pandemie bescheren", sagte Drosten. "Wir können dagegen animpfen. Wir sind nicht mehr so wehrlos wie letztes Jahr um diese Zeit."
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Drosten im Corona-Podcast zu Impfung: "Sind nicht mehr so wehrlos" - NDR.de
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