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Tuesday, June 29, 2021

Der Duft der Gefahr Gefahrensensor in der Mausnase - Laborpraxis

Der Duft der Gefahr Gefahrensensor in der Mausnase

Redakteur: Christian Lüttmann

Bestimmte Gerüche nehmen Menschen und Tiere schon in kleinsten Konzentrationen wahr. Oft dient das zum eigenen Schutz, etwa beim Geruch von Schwefel, der vor toxischen Gasen wie Schwefelwasserstoff warnt. Nun haben Forscher von der Uni des Saarlandes bei Mäusen gezeigt, dass in deren Nasen tatsächlich bestimmte Zellen helfen, genau diese Gefahren-Moleküle zu verarbeiten. Dabei sind sie empfindlicher als mancher Gasdetektor.

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Die Nase von Mäusen reagiert höchst empfindlich auf bestimmte Geruchsstoffe, die Gefahr bedeuten (Symbolbild).
Die Nase von Mäusen reagiert höchst empfindlich auf bestimmte Geruchsstoffe, die Gefahr bedeuten (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, Capri23auto / Pixabay )

Saarbrücken – Kann man Gefahr riechen? Wer Gefahren rechtzeitig erkennt, überlebt länger – ein evolutionärer Vorteil. Klar ist, dass auch die Nase dabei eine wichtige Rolle spielt. Bisher ist aber nur wenig über die Mechanismen bekannt, wie Säugetiere tatsächlich Gefahren mit der Nase wahrnehmen. Ein Team um den Physiologen Prof. Frank Zufall von der Uni des Saarlandes hat nun den Duft des Unheils und dessen Wahrnehmung bei Mäusen an einem konkreten Beispiel untersucht: Schwefelwasserstoff, H2S. Dieses Gas wird wegen seines Geruchs nach faulen Eiern nicht nur als unangenehm empfunden, sondern es ist auch eine der gefährlichsten biologisch produzierten Substanzen: Es kann die intrazellulare Atmung hemmen und damit zum Tod führen.

H2S entsteht dort, wo Bakterien keinen Sauerstoff verstoffwechseln können. Solche anaeroben Bedingungen herrschen beispielsweise in sauerstoffarmen Gebieten im Meer oder auch an manchen Stellen im Erdreich. „Für Tiere, die Höhlen bauen, ist dies sehr gefährlich“, sagt Studienleiter Zufall. „Gräbt etwa eine Maus eine Höhle in einem Bereich, in dem Bakterien unter Ausschluss von Sauerstoff leben und H2S produzieren, kann das für sie lebensbedrohend sein, schließlich ist sie als Säugetier auf Sauerstoff angewiesen.“ Aber auch beim Menschen kommt H2S vor. Es spielt z. B. eine wichtige Rolle bei der abstoßenden Wirkung von chronischem Mundgeruch (Halitosis), der hauptsächlich durch die Produktion von bakteriellem Schwefelwasserstoff in der Mundhöhle entsteht und der mit einer Infektion assoziiert wird.

Ein lebendiger Detektor für Schwefelwasserstoff

Das Team um Zufall hat nun an Mäusen untersucht, ob es einen speziellen Mechanismus gibt, solche Gefahren über die Nase wahrzunehmen und daraufhin Abwehrmechanismen zu aktivieren. Und tatsächlich haben die Forscher Sinneszellen in der Nase von Mäusen identifizieren können, die auf eine steigende Schwefelwasserstoff-Konzentration reagieren und die in der Folge eine Stressreaktion auslösen. „Dieser Detektor für Schwefelwasserstoff, den wir gefunden haben, ist der empfindlichste, der bisher im Tierreich entdeckt wurde“, sagt Zufall. „Wir haben ihn mit empfindlichen industriellen Gas-Sensoren aus dem Bergbau verglichen, die auch bei steigenden H2S-Konzentrationen anschlagen, um die Bergleute zu schützen. Diese schlagen noch lange nicht an, während die Sinneszellen in der Mausnase längst Alarm schlagen“, beschreibt er die Empfindlichkeit des neu entdeckten Mechanismus.

Rezeptorzellen starten Putz-Zwang

Gelangen Schwefelwasserstoffmoleküle an die so genannten „Typ-B-Zellen“ in der Mausnase, wird der Ort der H2S-Produktion als abstoßend und wenig attraktiv empfunden und im Gehirn abgespeichert. Die Maus merkt sich so leichter, diesen Ort in Zukunft nicht mehr aufzusuchen und vermeidet so das gefährliche Gas. Diese Überlebensstrategie wird begleitet von so genanntem „self-grooming behaviour“, also einer Art zwanghaftem Putzen. „Die Maus fährt sich ständig mit den Pfoten über Nase, Ohren und Gesicht“, beschreibt Zufall. Außerdem werden Stresshormone freigesetzt.

Das Forscherteam nutzte genau diese Reaktionen als Indikator dafür, ob es tatsächlich die Typ-B-Zellen sind, die den „Schwefelwasserstoff-Detektor“ beherbergen. „Haben wir die Signalmechanismen in diesen speziellen Sinneszellen ausgeschaltet, waren diese Verhaltensreaktionen gänzlich verschwunden und die Stressreaktion bei erhöhter Konzentration von Schwefelwasserstoff war ebenso abgeschaltet“, erläutert der Spezialist für den Geruchssinn. Damit haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass der Detektor tatsächlich in den Typ-B-Zellen sitzt.

Suche nach weiteren Gefahrensensoren beginnt

„Nun stellt sich die Frage, ob es diesen Mechanismus auch beim Menschen gibt“, blickt Studienleiter Zufall in die Zukunft. „Wir wissen, dass manche Menschen auch in der Lage sind, H2S bei niedrigsten Konzentrationen zu riechen. Aber wie das genau funktioniert, wissen wir nicht.“ Der von ihm entschlüsselte Mechanismus in der Mausnase könnte ein wichtiger Hinweis für eine solche Funktion auch beim Menschen sein.

Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung können helfen, eine zentrale Frage der Biologie zu klären: Nämlich wie unsere Sinnesorgane frühzeitig Pathogene aufspüren können, um wichtige Abwehrreaktionen zu aktivieren. „Wir wissen jetzt, dass es Rezeptoren in der Nase von Säugetieren gibt, die bakterielle Gefahrenstoffe aufspüren können“, sagt Zufall. Auf dieser Grundlage können nun weitere Forschungsprojekte entstehen, die der Frage nachgehen, wie Tier und Mensch Bakterien, Viren und bestimmte Krankheiten „wittern“ können.

Originalpublikation: Koike et al.: Danger perception and stress response through an olfactory sensor for the bacterial metabolitehydrogen sulfide, Neuron (2021); DOI: 10.1016/j.neuron.2021.05.032

(ID:47485374)

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