In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.
Die Rückkehr zur Normalität beginnt am Freitagabend um 20.38 Uhr in der Ankunftshalle des Kopenhagener Flughafens, kurz hinter Burger King. Auf der rechten Seite trotten müde Menschen mit Masken in Richtung Bahnsteig. Auf der anderen Seite rennen blonde Jugendliche mit schweren Rucksäcken in Richtung Airport, die Gesichtsbedeckung noch in der Hand. Hier also endet für den Besucher aus Deutschland am Freitagabend vergangener Woche die Pandemie.
Schon wenige Minuten später in der Metro trägt außer zwei Touristen niemand mehr eine Maske. Die selbstfahrende U-Bahn und die grauen, kalten Stationen verstärken einen surrealen Eindruck. Unbehagen macht sich breit. Es ist, als säße man in einer Zeitmaschine, wobei noch nicht geklärt ist, in welche Richtung es geht. Für ungefähr eine Stunde erwischt man sich dabei, anderen Menschen auf den Mund zu schauen. Hinterher fragt man sich: Ist das jetzt übergriffig oder normal?
Feiernde im Meatpacking District: Ein Schritt, den so bislang noch kein Land in Europa gewagt hat
Foto: Lars Just / DER SPIEGELDänemark hat Ende vergangener Woche sämtliche Coronabeschränkungen aufgehoben. Die Maskenpflicht ist Vergangenheit, genau wie der Impfpass. 2G- oder 3G-Regeln gelten nicht mehr, jede und jeder darf wieder in Bars, Klubs und Fußballstadien, die coronabedingte Sperrstunde ist weg. Am Freitag feierten Jugendliche im ganzen Land auf den Straßen. Am Samstagabend besuchten 50.000 Menschen ein Stadionkonzert einer Rockband. Es ist ein Schritt, den so bislang noch kein Land in Europa gewagt hat.
Die Regierung von Premierministerin Mette Frederiksen begründet ihren Weg vor allem mit Zahlen: 90 Prozent der Erwachsenen sind mittlerweile geimpft, bei der Risikogruppe der über 60-Jährigen sind es gar 96 Prozent. Auch Kinder ab zwölf Jahren erhalten mittlerweile den Impfschutz. Aus Sicht der Regierung wurde damit die größte Gefahr gebannt. Seit Freitag gilt Covid-19 deshalb nicht länger als »für die Gesellschaft kritische Krankheit«.
Die meisten dänischen Epidemiologen unterstützen den Weg. Die Schwere der Infektionen habe mit den Impfungen abgenommen. »Deshalb ist es nicht mehr gerechtfertigt, größere Beschränkungen aufzuerlegen«, so Viggo Andreasen von der Universität Roskilde vergangene Woche im SPIEGEL. Dänemark, so der Unterton vieler Gespräche, stehe eben besser da als andere. Doch reichen Zahlen aus, um solch einen Schritt zu begründen? Und wie lebt es sich mit der zurückgewonnenen Freiheit? Lässt sie sich genießen?
Eine Spurensuche in Kødbyen, Kopenhagens hippstem Ausgehviertel. Im Meatpacking District, dem Gelände des einstigen Großschlachthofs, feiern Tausende die neue Normalität. Vor der Flæskehallen, der Schweinehalle, sitzen überwiegend junge Menschen, es gibt Cocktails und Wein. Der Barmann zapft Bier im Akkord, die Stimmung ist ausgelassen. Viele anfängliche Gedanken werden hier hinfällig: Die Menschen in Kopenhagen tragen nicht weniger Masken, sondern zu geschätzt 99,9 Prozent gar keine mehr.
Sarah Soelver sitzt mit einer Freundin und einem Freund an einem Tisch und trinkt die letzten Schlücke ihres Mojitos. Es sei der erste Abend seit eineinhalb Jahren, an dem sie gemeinsam tanzen gingen, sagt die 27-jährige Studentin mit den raspelkurzen Haaren. »Es wird sicher ungewohnt, sich ohne Maske nahezukommen«, vermutet sie und macht sich kurz doch Sorgen: »Ich weiß gar nicht, ob ich noch tanzen kann.«
Sarah Soelver (Mitte) mit Freunden: »Ich weiß gar nicht, ob ich noch tanzen kann«
Foto: Lars Just / DER SPIEGELAber nein, wirklich besorgt seien sie nicht. Es ist nicht ihr erster Abend im Klub, schon in den vergangenen Wochen war Stehtanzen wieder erlaubt. Erst mit Maske, dann nur noch mit Impfpass. »Wir konnten uns an die Öffnung gewöhnen«, sagt Soelvers Freundin Simone, deshalb habe sie nun auch keine Angst. »Dänemark hat bislang immer richtig reagiert.«
Wer die neue Normalität spüren will, muss ins Bakken, einen Klub mit großer Schaufensterbar im Zentrum des Meatpacking Districts. Es ist für viele die Hauptattraktion hier. Die roten Buchstaben des Logos leuchten über den Asphalt, die Wartenden in der Schlange stauen sich mehrere Runden bis ums Eck.
Studierende vor den Klubs: Jägermeister ist im Zehnerpack erhältlich
Foto: Jan Petter / DER SPIEGELGestern, sagen einige Studenten, seien sie nach vier Stunden Anstehen wieder nach Haus. Jetzt, am Samstagabend, geht es zur Happy Hour deutlich schneller. Die Bauchtaschen kontrolliert niemand, nach kurzer Awareness-Ansprache und 50 Kronen Kreditkartenzahlung geht es in die erste Nacht ohne Coronaregeln.
Das Bakken ist kein Spitzenklub, eher solide Grundversorgung für Studierende und ein paar Touristen. Bis Mitternacht gibt es Cocktails aus großen Krügen für umgerechnet 30 Euro, gezapftes Tuborg-Pils aus Plastikbechern kostet vier. Jägermeister ist im Zehnerpack erhältlich.
Im Raucherbereich läuft gemütlicher Fahrstuhl-House, drinnen Synthiepop von Bronski Beat. Die Mehrheit auf der Tanzfläche ist weiblich. Bauchfrei gekleidete Amerikanerinnen stehen neben jungen Däninnen im karierten Hosenanzug und jungen Männern mit Vokuhila, Nickelbrille und Knöcheltattoo. Die Stimmung flirrt, Aufregung ist zu spüren.
Feierwilliges Paar vor dem Bakken: Am Vortag wartete man vier Stunden auf Einlass
Foto: Lars Just / DER SPIEGELUm 23 Uhr soll eigentlich der erste DJ auflegen.
Um 23.06 Uhr fliegt der erste Gast heraus.
Um 23.23 Uhr läuft das erste Pissoir voll Kotze über.
Irgendwann kurz vor Mitternacht füllt der DJ die Tanzfläche mit künstlichem Nebel und Snoop-Dogg-Remixes. Die ersten Bewegungen fühlen sich an wie ein Probetraining bei McFit. Der Wille zur neuen Normalität ist eindeutig stärker als das Können.
Nicht wenige junge Menschen, meist Männer, verabschieden sich mit einer Art Brunftschrei in diese Nacht ohne Coronaregeln
Um 0.13 Uhr sammelt die Barfrau mit einem Baumarkteimer weggeworfene Plastikbecher ein. Um 0.45 Uhr legt die erste asiatische Touristin ihren Kopf auf den Bartresen und schließt die Augen. Der DJ hat inzwischen mehr Drake-Songs angespielt als auf einem 17. Geburtstag. Menschen kommen sich unbeholfen nahe, der Boden klebt. Nach zwei Stunden schwankt die Stimmung zwischen Fluchtreflex und noch mehr Tuborg-Pils.
Kurz vor zwei Uhr ist die Schlange vor der Tür immer noch lang. Doch drinnen feiern längst andere als in den Stunden zuvor. Das Bakken ist in Wahrheit ein Durchlauferhitzer. Blieben alle, wäre der Klub schon vor Mitternacht überfüllt gewesen. Doch weil viele bereits um eins oder zwei gehen, wird immer wieder neu Platz frei. Diejenigen, die durch die Tür in die Nacht verschwinden, lächeln betrunken ins Dunkle. Manche winken mit den Armen, als sei der Stempel am Handgelenk ein Sportabzeichen. Andere schaffen es nicht weit und lehnen sich an eine der weißen Backsteinwände im alten Schlachthausviertel. Es riecht nach Erbrochenem. Nicht wenige junge Menschen, meist Männer, verabschieden sich mit einer Art Brunftschrei in diese Nacht ohne Coronaregeln.
Junge Frauen im Bakken: Nach zwei Stunden schwankt die Stimmung zwischen Fluchtreflex und noch mehr Tuborg-Pils
Foto: Jan Petter / DER SPIEGELWohin es dann oft geht, lässt sich am Bahnhof und in der Innenstadt beobachten. Viele fahren offenbar gleich wieder nach Hause. Tanzen und Trinken ist ungeübt eine Kraftanstrengung. Am Rathausplatz feiern Hunderte Schüler und Studentinnen eine spontane Party, die Polizei lässt die Menge gewähren. Viele Nebenstraßen sind mit Scherben übersät, Krankenwagen jagen durch die Nacht.
Es wäre leicht, diese Bilder als Folge der Lockerungen zu beschreiben, als Preis eines krawalligen dänischen Liberalismus. Tatsächlich hat das Land seit Langem mit Alkoholmissbrauch zu kämpfen. Die Pandemie ist trotz Lockerungen nicht vergessen, eher im Gegenteil. Plakate werben in der gesamten Innenstadt für Impfungen. Wer will, bekommt anders als in Deutschland problemlos und zeitnah einen kostenlosen PCR-Test. Schon am Flughafen fragten Helferinnen alle Ankommenden: »Ønsker du en vaccination?« – zu Deutsch: Wollen Sie eine Impfung?
Burger als Mitternachtsimbiss: Ist der Exzess in Kopenhagen nicht sogar ein Plädoyer dafür, das alte Miteinander nicht länger zu verschieben?
Foto: Jan Petter / DER SPIEGELAndreas Balslev van Randwijk glaubt, dass sein Land in der Pandemie vieles richtig gemacht hat und dennoch für immer ein anderes sein werde. Der 43-Jährige ist Türsteher im Mesteren & Lærlingen, einer Bar gleich neben dem Bakken. Balslev van Randwijk ist ein bulliger Typ mit Glatze und Wikingerbart. In den zurückliegenden 18 Monaten, sagt er, habe sich sein Publikum gespalten. Es gebe jetzt zwei Gruppen.
Türsteher Andreas Balslev van Randwijk: »Die andere Seite sind die, die nicht mehr klarkommen, nichts mehr gewohnt sind und dann aggressiv werden. Kurz: Junge Männer«
Foto: Lars Just / DER SPIEGELFür die einen, meint der Türsteher, sei die Pandemie ein Glücksfall gewesen. Das Feiern sei jetzt privater und freundschaftlicher. Wer dabei sein wolle, müsse sich bemühen. Für Schwule, Lesben, Transpersonen und Queere bedeute das mehr geschützte Räume, mehr Freiheit. »Die andere Seite sind die, die nicht mehr klarkommen, nichts mehr gewohnt sind und dann aggressiv werden. Kurz: Junge Männer.«
Balslev van Randwijk kennt beide Seiten der Gesellschaft, tagsüber arbeitet er als Lehrer. Seine Frau und die Kinder wünschten sich, dass er aufhöre, sagt er, aber was wolle man machen. Das Lehrergehalt sei nicht besonders gut, außerdem genieße er die Arbeit an der Tür. Er habe selbst einige Zeit gebraucht, um zu lernen, mit seiner Kraft umzugehen.
Anderen fehlt die Erfahrung offensichtlich. Vergangene Woche habe es ums Eck zwei Messerstechereien gegeben, gestern wieder eine, sagt Balslev van Randwijk und schaut schweigend auf den Asphalt. Gut möglich, dass diese Nacht wieder etwas passiere.
Selbst auf der Intensivstation ist niemand mit Mund-Nase-Bedeckung zu sehen, das Desinfizieren der Hände reicht aus
Kann das dänische Experiment unter solchen Umständen gutgehen? Ist der Exzess in Kopenhagen nicht sogar ein Plädoyer dafür, das alte Miteinander nicht länger zu verschieben? Gehört die Eskalation auf dem Weg zurück vielleicht einfach dazu? Oder darf es in Wahrheit nie wieder werden wie früher, wenn wir künftig mit dem Virus und dennoch frei leben wollen?
Antworten darauf kann Christian Wamberg geben, Chefarzt der Intensivstation des Bispebjerg-Krankenhauses am nördlichen Rand der Stadt, Vorsitzender des Verbands der dänischen Anästhesisten. Wamberg kommt im weißen Kittel entgegen. Er hat eine warme Stimme und ein freundliches Auftreten, eine Maske trägt er nicht. Selbst auf der Intensivstation ist niemand mit Mund-Nase-Bedeckung zu sehen, das Desinfizieren der Hände reicht aus. Zum Schichtwechsel ist der Aufenthaltsraum voll, Schwestern kommen und gehen, Wamberg kocht Kaffee. In den vergangenen zwei Jahren, sagt er, habe er mehr Zeit hier verbracht als in seinem Wohnzimmer.
Von den Feiernden in den Straßen sieht der Arzt auf der Intensivstation nichts
Wamberg hat fast alle Verläufe einer Covid-Infektion erlebt, insbesondere die schweren. 20 Prozent seiner Patienten seien verstorben, sagt er, er habe Männer in ihren Dreißigern entlassen, die vermutlich nie wieder Fahrrad fahren können. Dennoch, sagt er, sei es an der Zeit, die Beschränkungen aufzuheben. Zur Hochzeit der Pandemie habe er 48 Intensivpatienten gehabt, alle mit Corona. Jetzt seien es drei von zwölf. Alle, sagt der Chefarzt, seien ungeimpft gewesen.
Es seien oft tragische Geschichten. Manche seiner Patienten seien Impfgegner gewesen. Von den Feiernden in den Straßen sehe er auf seiner Station nichts, die meisten Patienten seien zwischen 30 und 50. Aus seiner Sicht hat die Regierung schnell und oft richtig reagiert. Anders als Schweden habe man zunächst Härte gezeigt. Der erste Lockdown wurde am 11. März 2020 verkündet. »Das gab uns die Möglichkeit, die Pandemie zu kontrollieren. Als Schweden reagierte, war das Virus längst entfesselt.«
Flur zur Intensivstation des Bispebjerg-Krankenhauses: Der Arzt hat Männer in ihren Dreißigern entlassen, die vermutlich nie wieder Fahrrad fahren können
Foto: Jan Petter / DER SPIEGELNur so, sagt Wamberg, seien die jetzigen Lockerungen denkbar geworden. Auch der Verzicht auf die umstrittenen Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson&Johnson habe sicherlich geholfen. Die Dänen hätten gespürt, dass die Regierung ihren Schutz ernst nehme. Was jetzt komme, sei eine Zeit des Rauschs. Danach gehe es darum, sich mit Corona zu arrangieren. Künftig werde man das Virus wie etwa eine saisonale Grippe erleben, glaubt er. Für ihn und seine Kollegen sei die Aufhebung der Regeln überfällig. »Wir haben schätzungsweise 10.000 unentdeckte Krebsfälle. Wenn wir diese Menschen nicht finden, sind die ersten nächstes Jahr tot.«
Er bietet einen Gang direkt in den Intensivtrakt an. Selbst hier, hinter drei Türen, ist keine Maske mehr nötig. Erst hinter der letzten Schleuse bräuchte man wieder eine Schutzausrüstung – wie vor Ausbruch der Pandemie. Es ist ein beklemmendes Gefühl. Hinter dem Bullauge liegt ein Mann auf der Seite. 47, mit Migrationsgeschichte, sagt Wamberg, auch er nicht geimpft.
Kopenhagen bei Tag: Auch hier ist die Maske weg
Foto: Lars Just / DER SPIEGELDänemark hat die Impfungen nach Alter und Risiko organisiert, über die Sozialversicherungsnummer wurde der Fortschritt direkt digital erfasst. Wer ungeimpft blieb, sei an der Haustür aufgesucht worden, sagt Wamberg, es habe Beratungen in verschiedenen Sprachen gegeben. Wer sich jetzt infiziere, habe eine Chance auf die Impfung gehabt. Man könne über manches streiten, doch in der Pandemie sei die dänische Mischung aus starkem Staat und Freiheitswillen richtig gewesen.
Feiernde im Meatpacking District: Masken spielen keine Rolle mehr
Foto: Lars Just / DER SPIEGELKristoffer Porner, Manager der Bar Mesteren & Lærlingen, sieht das anders. Auch er lobt die Impfstrategie, hielt das Vorgehen der Regierung für oft gut. Doch wenn es um die Zukunft gehe, sagt er, mache er sich Sorgen. Ein Drittel seiner Mitarbeiter seien Expats gewesen, sie seien nun alle weg. Die Stimmung, so meint er, sei jetzt eine andere und werde es bleiben. Dänemark riegele sich seit der Pandemie immer mehr ab.
Wer eine Migrationsgeschichte habe, lebe zudem oft in beengten Verhältnissen, sei ärmer und müsse oft ungeschützter arbeiten. Er fürchtet eine Entfremdung, eine zunehmende Spaltung in der Gesellschaft.
Feiernde auf einer Kreuzung in der Innenstadt: Auf der Suche nach einem letzten Tanz
Foto: Lars Just / DER SPIEGELWas er meint, lässt sich am frühen Sonntagmorgen in der Metro beobachten. Das Bakken-Publikum befindet sich bereits auf dem Heimweg. Diejenigen, die jetzt noch auf der Straße sind, so scheint es, wissen, was sie tun. Die einen sind Einzelgänger der Nacht, auf der Suche nach einem letzten Tanz. Die anderen sind Migranten. Viele tragen einen Besen in der Hand oder gelbe Westen. Es sind Wachleute, Kontrolleure und Putzkräfte. Es sind auch jene, die bei Christian Wamberg auf der Station liegen.
Die Pandemie hat der Gesellschaft gezeigt, wie verletzlich bestimmte Gruppen sind. Jetzt, da die Gefahr vor allem den Einzelnen bedroht, zeigt sich in der Nacht, welche Ungleichheit weiter besteht. Die einen feiern, die anderen putzen.
Junge Menschen feiern spontan vor dem Rathaus, die Polizei schaut zu
Foto: Lars Just / DER SPIEGELIm Culture Box feiern jetzt diejenigen, die es wirklich wissen wollen. Nach Angaben des Szeneportals »Resident Advisor« ist es der wichtigste Klub Dänemarks für elektronische Musik. Auch hier will der Türsteher nichts vom Impfpass wissen, nur, ob man Spaß habe.
Als draußen bereits die Dämmerung hereinbricht, ist es unten im Keller noch knallvoll. Es riecht nach einer Mischung aus Bier und Lösungsmitteln, überraschend viele Gäste tragen Sonnenbrillen. Immer wieder verschwinden kleine Gruppen in die großen Toiletten.
Das Publikum ist jetzt zu mindestens zwei Dritteln männlich, die meisten sind Ende zwanzig. Es gibt glutenfreies Bier und Club-Mate für 50 Kronen. Es gibt eine gute Soundanlage und mindestens eine Säule, die strategisch ungünstig den Blick zum DJ versperrt.
Toilette des Klubs Culture Box am Sonntagmorgen
Foto: Jan Petter / DER SPIEGELDas Publikum hier ist jetzt, am Ende des Wochenendes, fast meditativ entspannt. Viele haben die Tuborg-Flaschen mit Wasser aus der Toilette aufgefüllt, um nicht zu dehydrieren. Es sind etliche Argentinier anwesend, Landsleute des letzten DJs. An dieser Stelle, so ehrlich muss man sein, scheint Corona tatsächlich weit weg. Die Impfangebote am Flughafen, die Tests, der Besuch auf der inzwischen fast leeren Coronastation, all das beruhigt einen ein wenig, so sehr man auch vorsichtig bleiben will. Vielleicht hat Dänemark mit seinen Schutzkonzepten und seinem folgenden, beherzten Mut zur Freiheit wirklich vieles richtig gemacht.
Am Ende dieser ersten Nacht der Freiheit wechselt der DJ in der Culture Box noch einmal auf wildes Bassgeballer. Dann ist es vorbei. Müde Menschen strömen auf die Straße, es ist plötzlich leise. Ein kühler Südwestwind zieht durch die Straße. 50 Menschen stehen verloren auf der Straße. Ein junger Mann zieht eine Kartusche für Sprühsahne aus seinem Rucksack und füllt damit einen Luftballon. Es ist 8.19 Uhr. Die Normalität ist zurück.
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft
Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird über drei Jahre von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.
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Die Stücke sind beim SPIEGEL zu finden auf der Themenseite Globale Gesellschaft.
Eine Nacht im Partyviertel von Kopenhagen: So feiert Dänemark nach Aufhebung aller Coronaregeln - DER SPIEGEL
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