Der Wirkstoff Fluvoxamin könnte bei Covid-19-Patienten das Hospitalisierungsrisiko senken. Einer im Fachjournal »The Lancet« veröffentlichten Studie zufolge hat das Medikament bei Risikopatienten, bei denen Covid-19 in einem frühen Stadium diagnostiziert wurde, positiv angeschlagen.
Fluvoxamin ist ein sogenannter selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und wird eigentlich zur Behandlung von Depressionen oder Zwangsstörungen eingesetzt. Aufgrund seiner entzündungshemmenden Eigenschaften wurde es als ein mögliches Medikament gegen Covid-19 in Betracht gezogen. »Fluvoxamin kann die Produktion von Entzündungsmolekülen, sogenannten Zytokinen, reduzieren, die durch eine Sars-CoV-2-Infektion ausgelöst werden kann«, sagt Angela Reiersen, Co-Autorin der Studie.
In die Studie wurden 1497 Covid-19-Patientinnen und -Patienten mit einbezogen, von denen knapp die Hälfte (741) das Medikament Fluvoxamin erhielt. 79 von ihnen mussten weiter im Krankenhaus behandelt werden, nachdem sie die Arznei bekommen hatten. In der Kontrollgruppe, die lediglich ein Placebo erhalten hatte, waren es 119 von 756.
Bereits in einer früheren Studie wurde gezeigt, dass sich der Zustand von Covid-Patienten, die mit Fluvoxamin behandelt wurden, im Gegensatz zur Kontrollgruppe nicht verschlechtert hatte.
Bisher größte Studie mit Fluvoxamin
Die aktuelle Lancet-Studie ist die bisher größte randomisierte Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit des Antidepressivums. Sie ist Teil der sogenannten »Together-Studie«, einer Plattform, die verschiedene mögliche Covid-19-Behandlungen für ambulante Hochrisikopatienten untersucht. Fluvoxamin ist das erste in der Studie getestete Mittel.
Getestet wurde das Medikament an Erwachsenen aus Brasilien. Sie waren ungeimpft, positiv auf Covid-19 getestet, symptomatisch und hatten mindestens ein zusätzliches Kriterium für ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf. 741 Teilnehmer erhielten zehn Tage lang zweimal täglich 100 Milligramm Fluvoxamin, 756 Teilnehmer nur das Placebo. Die Studienteilnehmer wurden 28 Tage nach der Behandlung beobachtet.
Rund zehn Prozent der Patientinnen und Patienten, die Fluvoxamin erhalten hatten, mussten danach noch mehr als sechs Stunden in einer spezialisierten Covid-19-Notfalleinrichtung oder einem Krankenhaus ärztlich behandelt werden. Aus der Kontrollgruppe waren es 15,7 Prozent.
In der Studie wurde zwar nicht die Sterblichkeit untersucht, dennoch betonen die Autoren, dass es in der Fluvoxamin-Gruppe nur zu einem Todesfall im Gegensatz zu zwölf Todesfällen in der Placebo-Studie gekommen sei.
»Die jüngsten Impfentwicklungen und -kampagnen haben sich als wirksam und wichtig erwiesen, um die Zahl neuer symptomatischer Fälle, Krankenhauseinweisungen und Todesfälle aufgrund von Covid-19 zu reduzieren«, sagt Edward Mills von der McMaster University, einer der Hauptprüfer der Studie. »Covid-19 stellt jedoch immer noch ein Risiko für Menschen in Ländern mit geringen Ressourcen und begrenztem Zugang zu Impfungen dar.« Es seien daher kostengünstige, weit verbreitete und wirksame Therapien gegen Covid-19 nötig.
Ein anderer Hauptprüfer, Gilmar Reis, sagte: »Angesichts der Sicherheit, Verträglichkeit, Benutzerfreundlichkeit, geringen Kosten und weit verbreiteten Verfügbarkeit von Fluvoxamin können diese Ergebnisse einen wichtigen Einfluss auf nationale und internationale Leitlinien zum klinischen Management von Covid-19 haben.«
Die Studienautorinnen und -autoren bemerken, dass Fluvoxamin nicht auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation aufgeführt wird. Ein eng verwandtes anderes Medikament namens Fluoxetin stehe jedoch auf dieser Liste. Es sei nun entscheidend, festzustellen, ob diese Medikamente bei der Behandlung von Covid-19 austauschbar seien. Außerdem müsse festgestellt werden, ob Fluvoxamin in Kombination mit anderen Medikamenten einen größeren Behandlungseffekt aufweisen könne.
Molnupiravir: Den Viren einen Riegel vorschieben
Beim Einsatz von Fluvoxamin sei außerdem entscheidend, die Patienten in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung zu identifizieren. Nur dann könne das Antidepressivum möglicherweise das Fortschreiten der Krankheit und eine Einweisung ins Krankenhaus verhindern.
Eine Reihe von Pharmakonzernen arbeitet derzeit an Medikamenten gegen Covid-19. Erst kürzlich hatte die Europäische Arzneimittelagentur Ema begonnen, die Zulassung des Corona-Medikaments Molnupiravir des US-Pharmakonzerns Merck & Co zu prüfen. Im Gegensatz zu Fluvoxamin wirkt Molnupiravir nicht entzündungshemmend, sondern antiviral.
Antivirale Medikamente sollen verhindern, dass Viren in Körperzellen eindringen oder sich dort vermehren. Molnupiravir gilt als besonders vielversprechendes Mittel, da es als Pille eingenommen werden kann und nicht intravenös verabreicht werden muss, wie etwa das bereits von der Ema zugelassene antivirale Medikament Remdesivir. Den besten Schutz vor einem schweren Covid-19-Verlauf liefert nach wie vor die Impfung.
Potenzielles Corona-Medikament: Antidepressivum zeigt Erfolg bei früher Behandlung von Covid-19 - DER SPIEGEL
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