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Tuesday, March 29, 2022

Metformin: Missbildungen bei Babys nach Diabetes-Medikament? - br.de

Wie viele Menschen in Deutschland an Diabetes erkrankt sind, lässt sich schwer in Zahlen messen. Denn die Dunkelziffer gilt als hoch bei Menschen, die (noch) nichts von ihrer Stoffwechselerkrankung wissen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) schätzt die Zahl der Erkrankten für 2022 auf 8,5 Millionen Menschen. Täglich kommen etwa 1.600 Neuerkrankungen dazu. 95 Prozent davon leiden an Diabetes mellitus Typ 2.

Was ist Diabetes mellitus Typ 2?

Typ 2 zeigt sich durch erhöhte Blutzuckerwerte. Das vom Körper ausgeschüttete Insulin kann den Blutzuckerspiegel nicht mehr ausreichend senken, weil die Körperzellen gegen Insulin immer unempfindlicher werden - bis hin zur Resistenz. Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse müssen also immer mehr Insulin ausschütten, bis sie erschöpft sind und kein Insulin mehr produzieren können. Dann steigen die Blutzuckerwerte.

Was das Antidiabetikum Metformin ausmacht

Das Antidiabetikum Metformin, also Tabletten, die den Blutzucker senken, ist das erste Mittel zur Wahl bei Typ-2-Diabetikern und wird von allen Diabetesgesellschaften dafür empfohlen. Der Wirkstoff wird vor allem eingesetzt, wenn sich die Blutzuckerwerte durch Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung allein nicht senken lassen. Das trifft auf etwa 40 bis 50 Prozent der Erkrankten zu. Metformin gilt als sicher, ist sehr gut erforscht, günstig, hat wenige Nebenwirkungen und senkt den Blutzuckerspiegel ohne eine Unterzuckerung zu verursachen. Insulin zu spritzen kommt erst in Frage, wenn die Betazellen der Bauchspeicheldrüse gar kein Insulin mehr produzieren können.

Studie aus Dänemark zu Fehlbildungen bei Babys

Wer Typ-2-Diabetiker ist, weiß, dass ein gut eingestellter Blutzuckerspiegel in der Kinderwunschphase für ein gesundes Baby sehr wichtig ist. Ob verschiedene Medikamente zur Senkung des Blutzuckers Auswirkungen auf das Kind haben, haben jetzt dänische und britische Forschende untersucht. In ihrer Studie verglichen sie die Daten aus landesweiten Registern in Dänemark zu allen Geburten zwischen 1997 und 2016, Patienten und Verschreibungen. Fokussiert haben sie sich dabei auf Väter mit Diabetes Typ 2, die die Medikamente Metformin, Sulfonylharnstoff oder Insulin während der Spermienentwicklung einnahmen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal "Annals of Internal Medicine" veröffentlicht.

Kausaler Zusammenhang unklar

Dabei fanden die Forschenden heraus, dass bei der väterlichen Einnahme von Metformin ein Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Missbildungen bei Kindern besteht. Da es sich jedoch um eine Assoziationsstudie handelt, werden weitere Studien benötigt, um herauszufinden, ob es auch einen kausalen Zusammenhang gibt, also ob wirklich die Einnahme des Medikaments für die Fehlbildungen verantwortlich ist.

Diabetes bei immer jüngeren Männern mit Kinderwunsch

In die Studie gelangten die Daten von Babys, deren Väter in den drei Monaten, in denen sich die Spermien entwickelten, mindestens ein Rezept für eines der drei Diabetesmedikamente ausgestellt bekommen hatten: Metformin, Sulfonylharnstoff oder Insulin. Zusätzlich wurde untersucht, ob diese Beobachtung mit den Diabetesmedikamenten, den verschiedenen Zeitpunkten der Medikamenteneinnahme und mit nicht betroffenen Geschwistern der Babys in Beziehung steht. Wichtig ist die Studie laut Andreas Pfeiffer von der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité Berlin auch, "da Diabetes zunehmend auch im jüngeren Lebensalter auftritt [und damit] häufiger Männer im Reproduktionsalter betroffen" sind.

Insulin, Sulfonylharnstoffe & Metformin

Bei der Einnahme von Insulin der Väter sind dabei keine erhöhten Risiken für Geburtsfehler aufgefallen. Für die Väter, die Sulfonylharnstoffe einnahmen, waren die Datensätze zu gering, um aussagekräftige Rückschlüsse zu ziehen. Bei Metformin hingegen fiel ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen bei den Kindern auf - vor allem Genitalfehler bei Jungen. Wurde das Medikament vor oder nach der Spermienentwicklung eingenommen, gab es kein erhöhtes Risiko für Geburtsfehler. Auch nicht bei nicht betroffenen Geschwistern.

Wichtige Daten fehlen laut Experten

Um die Ergebnisse widerlegen oder bestätigen zu können, fehlt es nach Einschätzung von Wolfgang Rathmann, Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologie am Deutschen Diabetes-Zentrum, noch an einigen wichtigen Daten - besonders zur Qualität der Blutzuckereinstellung und ob die Erkrankten adipös, also fettleibig, waren. Er weist darauf hin, dass auch andere Gründe für die Fehlbildungen vorliegen könnten - wie ein ungünstiges kardiometabolisches Risikofaktorprofil (damit sind Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen gemeint) und eine Adipositas.

Sollten sich die Vermutungen aber bestätigen, wäre das nicht nur für die Medizin eine wichtige Erkenntnis. In Deutschland nehmen laut Rathmann 0,04 Prozent der Männer zwischen 30 und 34 Jahren Blutzuckersenker ein. Das heißt, jeder vierte von 10.000 Männern in diesem Alter wäre potentiell betroffen.

Bei Bestätigung: Alternative Therapie mit Insulin

Ob bei diesen betroffenen Männern jetzt eine andere Therapie für Diabetes Typ 2 empfohlen werden sollte, ist laut dem Experten noch nicht abzuschätzen. Er verweist darauf, dass dies bisher die einzige Studie dieser Art ist, die Ergebnisse müssten erst in weiteren Studien bestätigt werden. Eine Alternative könnte dann laut Rathmann eine Insulin-Behandlung sein, da hier keine erhöhten Missbildungen aufgefallen sind.

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