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Friday, May 27, 2022

Noch kein perfekter Viren-Wirt - nd - Journalismus von links

Affenpocken-Viren unter dem Elektronenmikroskop

Affenpocken-Viren unter dem Elektronenmikroskop

Foto: dpa/RKI/Freya Kaulbars

Leser über 50 wer­den viel­fach noch eine alte, mehr oder weni­ger elli­pi­sche Nar­be auf einem ihrer Ober­ar­me fin­den. Sie ist das sicht­ba­re Zei­chen einer Imp­fung gegen die (Menschen-)Pocken, eine einst gefähr­li­che Seu­che, die schon im alten Ägyp­ten auf­ge­tre­ten sein muss. Doch dank welt­wei­ter Impf­kam­pa­gnen konn­ten die von den Vario­la-Viren ver­ur­sach­ten Pocken in den 1970er Jah­ren besiegt wer­den. 1980 erklär­te die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on die Pocken für welt­weit aus­ge­rot­tet. Anders als die meis­ten ande­ren Pocken­vi­ren zir­ku­lier­te Vario­la nur zwi­schen Men­schen. Ob und wann das Vario­la-Virus ursprüng­lich aus dem Tier­reich auf Men­schen über­sprun­gen war und sich an die­sen neu­en Wirt anpass­te, lässt sich nach mehr als 3000 Jah­ren nicht mehr klä­ren. Doch wahr­schein­lich ist ein sol­cher Über­gang. Denn prak­tisch alle bekann­ten Ortho­po­cken­vi­ren haben ande­re Säu­ge­tie­re als natür­li­ches Reser­voir, häu­fig sind es Nage­tie­re, die selbst nicht erkran­ken. Und der so hilf­rei­che Impf­stoff selbst basiert auf einem Erre­ger, der eben­falls Tie­re befällt. Anders als der Name Vac­ci­nia-Virus (von lat. vac­ca für Kuh) sug­ge­riert, ist das Impf­vi­rus aber wohl näher mit dem Pfer­de­po­cken­vi­rus ver­wandt als mit dem der Kuh­po­cken. Die ver­wandt­schaft­li­che Nähe zum Vario­la-Virus ist glück­li­cher­wei­se nicht mit einer ver­gleich­bar schwe­ren Erkran­kung ver­bun­den. Das Vac­ci­nia-Virus in den zuletzt ver­wen­de­ten und heu­te noch gela­ger­ten Pocken­impf­stof­fen ist im Labor abge­schwächt. Moder­ne Impf­stof­fe nut­zen das soge­nann­te Modi­fied-Vac­ci­nia-Anka­ra-Virus (MVA), das in Säu­ge­tie­ren nicht mehr ver­meh­rungs­fä­hig ist.

Obwohl die Imp­fung im güns­tigs­ten Fall also schon 40 Jah­re zurück­liegt, bie­tet sie wohl noch einen ziem­lich guten Schutz. »Wir wis­sen aus den Zei­ten der welt­wei­ten Impf­kam­pa­gne zur Aus­rot­tung der Men­schen­po­cken, dass eine ein­ma­li­ge Imp­fung mit dem ver­meh­rungs­fä­hi­gen Lebend­impf­stoff für eine sehr lan­ge Schutz­wir­kung aus­reich­te«, sagt der Viro­lo­ge und Vete­ri­när­me­di­zi­ner Gerd Sut­ter von der Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Mün­chen. Noch nach Jahr­zehn­ten lie­ßen sich spe­zi­fi­sche Gedächt­nis­zel­len der ange­reg­ten Immun­ant­wort nach­wei­sen. Sut­ter geht des­halb bei geimpf­ten Per­so­nen von einem zumin­dest teil­wei­sen Impf­schutz gegen die Affen­po­cken aus. Aller­dings sei die tat­säch­lich ver­blei­ben­de Schutz­wir­kung schwer ein­zu­schät­zen, da es nicht genü­gend Daten zur Epi­de­mio­lo­gie der rela­tiv sel­ten auf­tre­ten­den Affen­po­cken gebe.

Ältere meist geschützt

Die­sen Schutz hät­ten aller­dings nur die ein­gangs erwähn­ten älte­ren Deut­schen. Denn die seit 1874 gel­ten­de Impf­pflicht gegen Pocken ende­te in der alten BRD bereits 1976, in Öster­reich 1981 und in der DDR 1982. Die inzwi­schen über­wie­gen­de Zahl der Nach­ge­bo­re­nen besit­zen die­sen Impf­schutz nicht mehr. Bis­lang schien das uner­heb­lich, denn die 1970 erst­mals bei einem Men­schen dia­gnos­ti­zier­ten Affen­po­cken, die nach ihrem wahr­schein­li­chen Wirt wohl bes­ser Hörn­chen-Pocken hie­ßen, tra­ten nur recht sel­ten auf. Sie wur­den auch kaum von Mensch zu Mensch über­tra­gen, son­dern meist nach sehr engem Kon­takt zu infi­zier­ten Tie­ren. Zudem ist der Krank­heits­ver­lauf in der Regel rela­tiv harm­los. Die der­zei­ti­ge unge­wöhn­li­che Häu­fung von Affen­po­cken­fäl­len in west­li­chen Län­dern aller­dings gibt zu den­ken, da unter den welt­weit inzwi­schen über 300 bestä­tig­ten Fäl­len vie­le sich die Infek­ti­on weder auf Rei­sen nach West­afri­ka noch bei bekann­ten Tier­kon­tak­ten zuge­zo­gen haben.

Eine prä­ven­ti­ve Imp­fung von Risi­ko­grup­pen – etwa Men­schen, deren Immun­sys­tem geschwächt ist – gegen die Affen­po­cken hält der Chef der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on (Sti­ko), Tho­mas Mer­tens, unter Umstän­den für sinn­voll. »Dar­über wird der­zeit nach­ge­dacht«, sag­te Mer­tens der »Rhei­ni­schen Post«. Der älte­re Pocken­impf­stoff wäre aller­dings gera­de bei Immun­schwä­chen nicht geeig­net, da er ver­meh­rungs­fä­hi­ge Viren ent­hielt. Nach Schät­zun­gen des Wie­ner Fach­arz­tes für Imp­fen und Rei­se­me­di­zin, Her­wig Kol­la­ritsch, wäre heut­zu­ta­ge etwa ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung wegen Gegen­an­zei­gen nicht mehr damit impf­bar. Bei dem moder­nen Impf­stoff sei­en kei­ne Neben­wir­kun­gen zu erwar­ten. Das seit 2013 in der EU für Erwach­se­ne gegen Pocken zuge­las­se­ne MVA-Vak­zin Imv­anex von der deutsch-däni­schen Fir­ma Bava­ri­an Nor­dic ist in den USA auch gegen Affen­po­cken zuge­las­sen. Bri­ti­sche Gesund­heits­be­hör­den haben jüngst nach Anga­ben der UK Health Secu­ri­ty Agen­cy mehr als 1000 Dosen davon an Kon­takt­per­so­nen von Affen­po­cken-Infi­zier­ten ver­ab­reicht. Der Epi­de­mio­lo­ge Gérard Krau­se vom Helm­holtz-Zen­trum für Infek­ti­ons­for­schung in Braun­schweig meint dazu, dass die­se Imp­fun­gen der­zeit immer nur Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen für beson­de­re Situa­tio­nen sein können.

Keine Anpassung an den Menschen

Die aktu­el­le Ver­brei­tung des Affen­po­cken­vi­rus hat nach Aus­sa­ge des Viro­lo­gen Tho­mas Met­ten­lei­ter wahr­schein­lich noch nichts mit einer bes­se­ren Anpas­sung an den Men­schen als neu­en Wirt zu tun. Doch – so der Chef des für Tier­seu­chen zustän­di­gen Fried­rich-Loeff­ler-Insti­tuts zum Nach­rich­ten­sen­der N-TV – je län­ger ein Erre­ger in einer neu­en Popu­la­ti­on zir­ku­liert, des­to wahr­schein­li­cher könn­ten zufäl­li­ge gene­ti­sche Ver­än­de­run­gen zu einer Anpas­sung füh­ren. Immer­hin erwar­tet das FLI der­zeit nicht, dass hei­mi­sche Tier­ar­ten zum Reser­voir­wirt wer­den. »Es kann zwar sein, dass ein ein­zel­nes Haus­tier wie eine Kat­ze durch direk­ten Kon­takt zu einem betrof­fe­nen Men­schen infi­ziert wird, aber ob dann tat­säch­lich eine Infekt­ket­te in Gang kommt, scheint der­zeit eher unwahrscheinlich.«

Gene­rell hat aller­dings in den letz­ten Jahr­zehn­ten die Zahl der von Tie­ren über­sprin­gen­den Infek­ti­ons­krank­hei­ten zuge­nom­men. Ein Ein­druck, den der Mün­che­ner Viro­lo­ge Sut­ter bestä­tigt. »Wir beob­ach­ten das schon seit 20 Jah­ren, ange­fan­gen 1999 mit der plötz­li­chen Erobe­rung Nord­ame­ri­kas durch das West-Nil-Fie­ber: Flug­zeug, Mos­ki­to, Ankunft in New York – das reich­te, damit es sich damals bin­nen weni­ger Jah­re auf dem gesam­ten nord­ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent aus­brei­ten konn­te.« Die Grün­de sind kom­plex. Zum einen drin­gen Men­schen zuneh­mend in Gebie­te vor, in denen sie vor­her nicht waren. Damit kom­men sie häu­fi­ger in Kon­takt mit Tie­ren und eröff­nen für deren Krank­heits­er­re­ger ein neu­es Wirts­sys­tem. Hin­zu kommt der Kli­ma­wan­del, der Insek­ten, die Erre­ger über­tra­gen, in ande­re Gebie­te der Erde bringt. Auch Hal­tung und Ver­zehr von Tie­ren spielt aus Sut­ters Sicht eine Rol­le. Dazu kommt eine glo­ba­li­sier­te Rei­se­tä­tig­keit, die einen Erre­ger in zwei Tagen um die hal­be Erde tra­gen kann.

Ein gemein­sa­mes For­schungs­pro­jekt von Robert Koch-Insti­tut und Max-Planck-Insti­tut für evo­lu­tio­nä­re Anthro­po­lo­gie hat schon vor Jah­ren gezeigt, dass Zoo­no­sen kei­ne Ein­bahn­stra­ße sind. Nicht nur tie­ri­sche Krank­hei­ten sprin­gen auf den Men­schen über, umge­kehrt pas­siert das auch. So waren nach Anga­ben von Fabi­an Leen­dertz, Grün­dungs­di­rek­tor des Helm­holtz-Insti­tuts für One Health in Greifs­wald, sämt­li­che im Rah­men der Stu­die 2008 beob­ach­te­ten Atem­wegs­er­kran­kun­gen von Men­schen­af­fen von Viren aus­ge­löst, die von Men­schen auf die Tie­re über­tra­gen wurden.

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