Originaltitel: „Plasmatherapie in der Parodontologie“.
Der Erfolg einer Behandlung hängt in der Parodontologie von vielen Faktoren ab. Zu diesen zählt unter anderem einerseits die Compliance der Patienten, andererseits aber auch das Erreichen einer entsprechenden Balance zwischen Bakterien und körpereigener Immunreaktion. Der Autor hebt in diesem Zusammenhang Plasma als eine vielversprechende Alternative zu Antibiotika hervor.
Insbesondere in der Parodontologie spielt eine möglichst ausgeglichene Bilanz zwischen vorhandener Bakterienzahl und kompetenter Immunantwort eine wichtige Rolle im Hinblick auf das Voranschreiten der Parodontitis. In kaum einer anderen Fachdisziplin der Zahnmedizin unterliegt der Erfolg der Behandlung so vielen unterschiedlichen Variablen. In der Endodontologie beispielsweise hängt das Ergebnis maßgeblich von den durch den Behandler durchgeführten Maßnahmen ab: umfangreiche Aufbereitungs- und Spülprotokolle, mit oder ohne Erhöhung der Temperatur der Spüllösung, Ultraschallaktivierung, thermoplastische Obturationstechniken oder der adhäsive postendodontische Verschluss. All diese Maßnahmen verfolgen ein Ziel: Das Wurzelkanalsystem möglichst „steril“ und bakteriendicht zu verschließen, um eine Reinfektion zu verhindern. Gelingt dies, ist die weitere Mitarbeit der Patienten für den Erfolg der Behandlung nicht mehr entscheidend.
Mit ganz anderen Herausforderungen sieht sich der Parodontologe bzw. der parodontologisch tätige Behandler konfrontiert. Neben allgemeinmedizinischen Faktoren (z. B. dem Vorliegen eines Diabetes mellitus) oder genetischen Dispositionen, welche Einfluss auf den Verlauf einer Parodontitis nehmen, bildet die Mitarbeit des Patienten eine feste, nicht zu ersetzende Säule innerhalb der Parodontitistherapie. Gleichzeitig nimmt die Qualität pathogener Keime einen entscheidenden Einfluss auf das Resultat der durchgeführten Behandlungsschritte und bedingt deren stetige Reevaluation und gegebenenfalls das Anpassen des Therapieschemas. „Problemkeime“ wie Aggregatibacter actinomycetemcomitans (A.a.) wirken wie Brandbeschleuniger einer Parodontitis. Problematisch daher, da sich diese Bakterien der mechanischen Instrumentierung während des Deep Scalings und Root Planings durch die gingivale Gewebeinfiltration entziehen.1, 2 Gleichzeitig sezerniert A.a. das Protein-Toxin Leukotoxin (LtxA). Dieses Toxin ermöglicht es A.a., der Immunantwort des Wirts während der Infektion auszuweichen.3 Allein schon diese beiden Fähigkeiten von A.a. machen den Einsatz flankierender Therapien zwingend notwendig. Standardmäßig werden hierfür Antibiotika eingesetzt. Dazu erfassen mikrobiologische Tests Qualität und Quantität des vorliegenden Bakterienspektrums und ermöglichen damit den gezielten Einsatz adjuvanter Antibiotikatherapien. Erkauft wird sich die damit erreichte Effizienzsteigerung der Parodontitistherapie jedoch mit biochemisch bedingten Nachteilen. Insbesondere der Einsatz von Antibiotika (obgleich gezielt eingesetzt) wird von der Öffentlichkeit und von Experten durchaus kritisch gesehen und durchläuft daher permanente Anpassungen. Ziel ist es, einen inflationären Gebrauch dieser Medikamentengruppe zu verhindern und somit der Problematik der Resistenzbildungen entgegenzuwirken. So wird in der S3-Leitline Behandlung der Parodontitis Stadium I bis III der Einsatz von Antibiotika begleitend zu einer geschlossenen Therapie wie folgt bewertet:
„… Systemische Antibiotikagaben haben lang andauernde Auswirkungen auf das fäkale Mikrobiom gezeigt – einschließlich einer vermehrten Expression von Genen, die mit Antibiotikaresistenz assoziiert sind.
Anwendbarkeit: Aufgrund von Bedenken bezüglich der Patientengesundheit und der Auswirkungen systemischer Antibiotikagabe auf die öffentliche Gesundheit wird die routinemäßige Gabe als Zusatz zur subgingivalen Instrumentierung nicht empfohlen. Basierend auf der verfügbaren Evidenz kann der adjuvante Einsatz in speziellen Patientengruppen (z. B. generalisiertes Stadium III/IV der Parodontitis bei jungen Erwachsenen) erwogen werden.“ 4
Kaltes Plasma
Plasma wird in der Physik neben fest, flüssig und gasförmig als der vierte Aggregatzustand bezeichnet. Führt man nun einem Gas, wie zum Beispiel Sauerstoff, weiter Energie zu, entsteht Plasma. Durch die erhöhte Energiezufuhr kommt es zu einer Ionisation der Teilchen sowie zu einem teilweisen Herauslösen von Elektronen aus den Atomen. Damit sind Plasmen elektrisch leitend und hochreaktiv. In der Natur kommt Plasma in Form von Blitzen vor, wodurch sich die gerade erläuterte hohe Reaktivität am anschaulichsten darstellen lässt. Industriell wird Plasma bereits seit Längerem zur Desinfektion von Oberflächen verwendet. Die medizinische Anwendung findet, trotz fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse, noch nicht flächendeckend statt. Insbesondere beim Thema „Resistenzbildung“ zeigt der Einsatz von Plasma eine alternative Behandlungsmöglichkeit auf. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Plasma gegen multiresistente Mikroorganismen (MRSA) wirksam ist.5, 6 Gleichzeitig zeigen sich aufgrund der Wirkungsweise keinerlei Resistenzbildungen gegen den Einsatz von kaltem Plasma.7 Damit bleibt selbst bei wiederholten Anwendungen die Wirksamkeit unverändert erhalten.
Wirkungsweise von kaltem Plasma
Das nationale Zentrum für Plasmamedizin beschreibt kaltes Plasma als einen „Cocktail“ mit hochwirksamen Bestandteilen:
- „Mittels Zufuhr elektrischer Energie (z. B. hochfrequente Wechselspannung im Kilovolt-Bereich) zu Gasen (Argon, Helium, Sauerstoff, Stickstoff, Luft oder Mischungen daraus) kommt es zur Anregung/Ionisierung der Gasatome bzw. -moleküle, wobei die Plasmatemperatur bei Kontakt mit dem lebenden System üblicherweise 40 °C nicht überschreiten sollte.
- Durch weitere Wechselwirkungen dieser angeregten (und ionisierten) Atome bzw. Moleküle miteinander sowie mit angrenzenden Medien (vor allem atmosphärische Luft, aber auch Flüssigkeiten und Oberflächen) werden reaktive Spezies mit biologischem Wirkpotenzial gebildet. Im Zusammenhang mit der Anregung von Gasatomen bzw. -molekülen kommt es zur Emission von elektromagnetischer Strahlung, insbesondere UV-Strahlung und sichtbarem Licht.“8 (Abb. 1)
Damit wird deutlich, dass eine thermische Komponente nicht zum wirksamen Spektrum gezählt wird, worauf auch der Begriff „kaltes Plasma“ zurückzuführen ist. Vielmehr greift das Plasma an der Bakterienmembran an. Mikroorganismen sind den in Plasma entstehenden reaktiven Sauerstoffspezies (ROS, z. B. Wasserstoffperoxid, Hydroxylradikale) massiv ausgesetzt und können die entstehenden Oberflächenläsionen nicht schnell genug reparieren.7 Gleichzeitig verursacht das durch Plasma er zeugte gepulste elektrische Feld die Bildung von Poren auf der Zellmembran, welche die Integrität der Zelle zerstören.9 Folglich kommt es durch den Ausstrom von Membranproteinen zum Untergang der Zelle.
Die schädigende Wirkung von UV-Licht auf Zellorganismen ist hinlänglich bekannt. Beispielsweise sei hier der Zusammenhang zwischen intensiver Sonnenbestrahlung und der Melanombildung genannt. Dabei kommt es zur Schädigung der DNA durch die Bildung von Thymindimeren und Strangbrüchen innerhalb der DNA. Diese letale Wirkung auf die DNA ist auch therapeutisch durch den direkten gezielten Einsatz von gepulstem Licht möglich.10 Kontrovers wird allerdings diskutiert, ob die Menge an frei werdendem UV-Licht während der Plasmagenerierung einen ausreichend schädigenden Effekt auf die Mikroorganismen hat. Laroussi et al. zeigten 1996, dass die vollständige Zerstörung einer Population von Pseudomonas aeruginosa unter Verwendung eines Gleitbogenplasmas innerhalb von zehn Minuten möglich war.11 Der letale Effekt auf P. aeruginosa von UV-Licht allein hingegen, war sehr limitiert. Unterstützt wird diese Studie durch Untersuchungen von Baier et al.12 Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Kombination reaktiver Sauerstoffspezies und frei werdenden UV-Lichts für die hohe Effizienz der Plasmatherapie verantwortlich ist.13
Unterstützung der Wundheilung durch Plasma
Die soeben beschriebenen Wirkungsmechanismen von Plasma zeigen indirekt auch das wundheilungsfördernde Potenzial dieser Technik. Die alleinige „Desinfektion“ und Reduktion der Bakterienzahl trägt indirekt bereits zur Wundheilung bei, da sich das Immunsystem einer reduzierten Anzahl von Mikroorganismen konfrontiert sieht. Gleichzeitig werden regenerative Prozesse angestoßen, unter anderem die ROS-vermittelte Ausschüttung von FGF2 (Fibroblast Growth Factor), wodurch die Zellproliferation erhöht und somit die Wundheilung gefördert wird.14
Praktischer Nutzen für die Parodontitistherapie
Die Summe der ablaufenden Prozesse während der Plasmatherapie lässt den Nutzen für den Einsatz in der Parodontitistherapie bereits erahnen. Die Parodontitis selbst ist gekennzeichnet durch fortlaufende proinflammatorische Prozesse mit begleitender Gewebedestruktion bei anhaltend hoher bzw. wachsender Anzahl pathogener Keime. Diese simultan vorliegenden, sich gegenseitig beeinflussenden und begünstigenden Parameter liefern gleichzeitig auch mögliche Angriffspunkte der Plasmatherapie.
Durch die hohe antimikrobielle Wirkung der Plasmen lassen sich pathogene Keime effektiv und schnell reduzieren. Die gewebedurchdringende Eigenschaft von Plasma erlaubt es, auch Keime, welche sich durch Gewebeinfiltration der mechanischen Reinigung entziehen, zu erreichen und zu eliminieren. Die oben beschriebenen antibakteriellen Mechanismen gehen mit einer hohen Effizienz einher, da die mikrobielle Integrität durch Zerstörung der bakteriellen Membran verloren geht. Napp et al. zeigten in einer Studie aus 2016, dass es dennoch Unterschiede in der Empfindlichkeit innerhalb verschiedener Erregergruppen von MSSA und MRSA gibt.15 Vermutet wird eine stärkere Membranwand als Ursache für die erhöhte „Resistenz“.16 Theoretisch sind solche bakteriellen Anpassungen möglich, worauf mit einer prolongierten Behandlungsdauer reagiert werden kann. Das praktisch vollständige Fehlen von Nebenwirkungen und insbesondere die Möglichkeit der Reduktion eingesetzter Antibiotika stellt gerade aus Sicht des Patienten einen doppelten Gewinn dar. Die geweberegenerationsfördernden Eigenschaften der Plasmatherapie unterstützen zudem die grundlegende Parodontitistherapie. Grundlegend daher, da die Plasmatherapie, ähnlich der adjuvanten Einnahme von Antibiotika, als flankierende Komponente anzusehen ist. Eine alleinige Parodontitistherapie mit Plasma wird aufgrund der Vielzahl an beeinflussenden Variablen und zugrunde liegenden Ursachen einer Parodontitis nicht zum gewünschten Erfolg führen. Allerdings fördert der weitergehende Einsatz von Plasma im Sinne einer unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) das Aufrechterhalten des Behandlungserfolgs.
Kaltes Plasma und Periimplantitis
Im Bereich der Periimplantitistherapie nimmt die Plasmatherapie einen besonderen Stellenwert ein. Durch den Einsatz von kaltem Plasma kann die Bakterienzahl auf der Implantatoberfläche entscheidend reduziert werden. Eine mechanische Reinigung der rauen Implantatoberfläche samt Implantatwindungen ist mit den aktuell vorliegenden Instrumenten nur unzureichend möglich. Bestehende neue Ansätze in Form eines Elektrolyseverfahrens sind vielversprechend und verhindern gleichzeitig die Beschädigung der Implantatoberfläche. Auch der Einsatz von Plasma erfolgt kontaktlos und reduziert innerhalb von Sekunden angelagerte Mikroorganismen.
Zusammenfassung
Die Plasmatherapie bietet insgesamt ein sehr breites Behandlungsspektrum. Im Bereich der Wundheilung (z. B. Therapie von Aphthen oder Prothesendruckstellen) kann diese auch als alleinige Therapie effektiv eingesetzt werden. Insbesondere aber in der Parodontitistherapie nimmt das kalte Plasma eine flankierende Position ein und kann helfen, schwere und/oder therapieresistente Fälle zu behandeln. Zusammenfassend lassen sich die Vorteile der Plasmatherapie wie folgt auflisten:
- Verringerung des Einsatzes von Antibiotika,
- Verringerung von Resistenzbildungen,
- Förderung der Wundheilung,
- schnelle, schmerzfreie Behandlung,
- keine Nebenwirkungen und
- hohe Akzeptanz der Patienten.
Demgegenüber stehen die nicht unerheblichen Anschaffungskosten für den Plasmagenerator und die Bereitschaft, die Plasmatherapie konsequent in das bestehende Behandlungsprotokoll zu integrieren.
Hier steht eine Literaturliste für Sie bereit.
Dieser Beitrag ist in der aktuellen ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.
Plasma als Antibiotika-Alternative in der Parodontologie – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche - ZWP Online - Das Nachrichtenportal für die Dentalbranche
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