Anfang September fand in Berlin der „Deutsche Rheumatologiekongress 2022“ statt. In Sachen Psoriasis arthritis (PsA) ging es vor allem darum, sie früh zu erkennen, angepasst zu behandeln und den Erfolg messen zu können.
Das Wichtigste in Kürze
- 30 Prozent der Patienten mit Schuppenflechte bekommen irgendwann eine Psoriasis arthritis. Sie können dem entgegenwirken durch wirkungsvolle Behandlung, Abnehmen, Nichtrauchen und eine ballaststoffreiche Ernährung.
- Wird eine Psoriasis arthritis frühzeitig erkannt, besteht die Chance, dass sie weniger schwer verläuft. Fragebögen wie GEPARD oder CASPAR liefern zu viele falsche PsA-Verdachtsdiagnosen. Ultraschalluntersuchungen sind genauer.
- Psoriasis arthritis und Rheumatoide Arthritis (RA) sind unterschiedliche Erkrankungen. Für die Behandlung einzelner Bereiche der Psoriasis arthritis gibt es aktualisierte Empfehlungen.
- Es gibt für PsA-Betroffene noch keine wirkungsvolle Therapie. Bei etwas über 70 Prozent gehen Schwellung und Schmerz der Gelenke um 20 Prozent (ACR20) zurück. Bis zu einem Drittel können nicht gut behandelt werden.
- Methotrexat (MTX) wirkt auf Gelenke, aber kaum auf andere PsA-Ausprägungen. Der Wirkstoff zeigt bei PsA-Patienten deutlich mehr Nebenwirkungen, als bei Rheumatikern. Wenn MTX zusätzlich zu einem Biologikum gegeben wird, verbessert das nicht die Wirkung.
- Janus-Kinase-Hemmer (JAK + TYK) werden in schwer zu behandelnden Fällen eingesetzt, bei denen andere Therapien versagt haben. Aber sie sind nicht für alle Patienten geeignet, weil für sie vor allem ein erhöhtes Thrombose-Risiko besteht.
- Rückenschmerzen bei Psoriasis-Patienten stellen sich oft heraus als axiale Psoriasis arthritis. Das sind Entzündungen an der Wirbelsäule und im Brustbereich.
- Frauen leiden stärker unter ihrer Psoriasis arthritis als Männer und sprechen schlechter auf einige Medikamente an.
- Für den Therapieerfolg wird oft der ACR-Wert genannt. Der bezieht sich aber nur auf die Gelenke, nicht auf andere PsA-Bereiche. Deshalb gibt es genauere Messwerte.
- Zahlreiche Referate zum Zusammenhang mit Sars-CoV-2 haben überwiegend bestätigt, was wir im Psoriasis-Netz schon berichtet hatten.
Psoriasis arthritis verhindern
30 Prozent der Patienten mit Schuppenflechte bekommen irgendwann eine Psoriasis arthritis, so Dr. Michaela Köhm. Man kann das Risiko aber beeinflussen: durch Abnehmen bei Fettleibigkeit, Nichtrauchen und eine ballaststoffreiche Ernährung. Bis auf eine haben mehrere Studien bestätigt, dass weniger PsA-Fälle bei denjenigen auftreten, die ihre Schuppenflechte mit einem Biologikum behandeln.
Logisch, aber noch nicht bewiesen ist, dass eine Psoriasis arthritis auch dann vermieden werden könnte, wenn Krankheiten gut therapiert werden, die mit ihr zusammen auftreten: Depressionen, Herz-/Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Metabolisches Syndrom, chronische Entzündungskrankheiten des Darms und des Auges (Uveitis).
Psoriasis arthritis erkennen
Dr. Köhm betonte, dass es noch keine Marker gibt, um möglichst früh zu erkennen, bei wem sich eine Psoriasis arthritis entwickelt. Bekannt ist, dass PsA-Betroffene keinen Rheumafaktor im Blut haben. HLA-B27 oder CCP-Antikörper finden sich bei manchen, aber nicht allen PsA-Betroffenen. Professor Christoph Baerwald nannte Symptome einer kommenden Psoriasis arthritis: Neben Haut- und Nagel-Psoriasis seien das Allgemein-Beschwerden an Muskeln und Skelett, Gelenkschmerzen, Fatigue und Steifheitsgefühle. Professor Baerwald verwies darauf, dass es bei der Psoriasis arthritis zu Fehldiagnosen kommen könne. Meist werden andere rheumatische Erkrankungen angenommen, aber auch psychische Ursachen.
Dr. Valentin Schäfer berichtete, dass in einem Projekt 140 Personen auf PsA-Verdacht befragt wurden: Nach dem GEPARD-Fragebogen bestätigte sich das bei 88,6 Prozent, nach den CASPAR-Kriterien bei 47 Prozent. Tatsächlich aber waren nur 15 Prozent an Psoriasis arthritis erkrankt – diagnostiziert mit Ultraschall.
Es gibt umfangreiche Untersuchungsmethoden, um den Wert für eine (vorhandene) Krankheitsaktivität zu bestimmen. Zu den aussagekräftigsten gehören der PASDAS und der DAPSA.
Für Patienten bieten zahlreiche Uni-Kliniken interdisziplinäre (Entzündungs-) Sprechstunden an. Dort soll die Psoriasis arthritis frühzeitig diagnostiziert und zusammen mit den Begleiterkrankungen behandelt werden. Die gibt es z.B. in Bonn, Heidelberg, Kiel, Mannheim, München und Tübingen.
Psoriasis arthritis behandeln
Die GRAPPA-Empfehlungen 2021 listen auf, mit welchen Medikamenten Gelenke, Finger- und Zehen, Sehnen, Nägel oder Wirbelsäule behandelt werden sollten. Zusätzlich wird aufgeführt, wie chronische Entzündungskrankheiten des Darms und des Auges (Uveitis) therapiert werden müssten. Beide werden inzwischen als Zweit-Erkrankung der Psoriasis arthritis eingeordnet. Sie entwickeln sich ähnlich wie die Psoriasis arthritis und parallel zu ihr. Dagegen entstehen typische Begleit-Erkrankungen nach der Psoriasis arthritis und vor allem durch die steigende Entzündungslast im Körper.
Mit derzeitigen Medikamenten gehen Schwellungen und Schmerzen an Gelenken bei den meisten PsA-Patienten nur um 20 Prozent (ACR20) zurück. Erfahrungsgemäß, so Dr. Köhm, bei weniger als 75 Prozent der Betroffenen. Bis zu einem Drittel könnten demnach nicht gut behandelt werden. Es gäbe keine Rangliste, wie gut und wie schnell welches Präparat wirkt. Da würden sich bisherige PsA-Medikamente kaum unterscheiden.
In aktuellen Studien erreichen die Hälfte und mehr der PsA-Patienten eine 50-prozentige Verbesserung (ACR 50). Es ist aber unsicher, ob das bei Alltags-Patienten ebenso wirkt. Dr. Köhm berichtete, dass zum Beispiel die guten ACR-50-Anfangswerte bei Bimekizumab (Bimzelx) sich später nicht bestätigt hätten. Das Medikament soll Ende 2022 für die Psoriasis arthritis zugelassen werden. Aber es laufen klinische Studien für möglicherweise besser und schneller wirkende PsA-Medikamente, z.B. den TYK 2/JAK 1-Hemmer Brepocitinib oder den IL-17a-Hemmer Izokibeb (v.a. bei Enthesitis).
Dr. Köhm sprach sich dafür aus, bei einer Daktylitis möglichst früh mit einen Biologikum zu behandeln. Denn die ist ein Vorzeichen für den schweren Verlauf einer Psoriasis arthritis. Problem: Bei den Rheumatologen ist keines als Erst-Therapie zugelassen. Das ginge nur bei den Hautärzten.
Schwierig wäre es, so Dr. Köhm, Patienten zu helfen, bei denen alle Wirkstoffe und Dosierungsmöglichkeiten versagen. Manchmal helfen nicht für die PsA zugelassene Medikamente (off-label-use), manchmal können Betroffene an einer Studie teilnehmen.
Wissenswertes zu Medikamenten
Methotrexat (MTX)
MTX ist eines der meist eingesetzten Medikamente bei der Psoriasis arthritis, so Dr. Köhm. Die Nachweise, dass es bei der Psoriasis arthritis wirkt, stammen aber eher aus der Rheumatischen Arthritis (RA). Da gehe es darum, wie sich die Gelenkentzündungen unter MTX verbessern. Die Psoriasis arthritis sei aber keine reine Gelenk-Erkrankung. So riet Dr. Frank Behrens davon ab, eine Enthesitis mit MTX zu behandeln. Es gäbe nur eine Studie, in der MTX die Sehnenentzündung verbessert habe und die sei schlecht.
Dr. Behrens wurde auf dem Kongress interessanterweise als „Mister Psoriasis Arthritis“ tituliert.
Er riet außerdem davon ab, bei einer PsA-Therapie zusätzlich mit MTX zu behandeln, um die Wirksamkeit zu verstärken. Nur eine einzige dänische Langzeitstudie hätte für die Kombination von MTX mit Infliximab (Remicade) etwas bessere Ergebnisse gezeigt. Bei allen anderen Medikamenten spiele es keine Rolle, ob MTX zusätzlich gegeben wird. Das habe aktuell z.B. eine Untersuchung mit Ustekinumab (Stelara) gezeigt.
MTX führt bei Patienten mit Psoriasis arthritis häufiger zu Nebenwirkungen als bei Rheumatikern. Eine neue Publikation zeigt das sowohl für MTX als alleinige Therapie wie auch in Kombination mit einem TNF𝛼-Hemmer. So klagten nach 12 Wochen 44,8 Prozent der PsA-Patienten über Nebenwirkungen, aber nur 29,4 Prozent der RA-Patienten. Das waren vor allem Depressionen und Fibromyalgie (tiefe Muskelschmerzen).
JAK-Hemmer
Aktuell sind für die Psoriasis arthritis zugelassen Tofacitinib (Xeljanz), Upadacitinib (Rinvoq) und ab Ende 2022 Deucravacitinib (Sotyktu) als TYK2- („JAK4“-) Hemmer. Weitere sind angekündigt.
Janus-Kinase-Hemmer würden besonders bei Patienten wirken, die bisher schwer zu behandeln waren; vor allem wenn Biologika nicht angeschlagen haben. Das hätten Untersuchungen gezeigt, erklärte Dr. Paula Hoff. Als Beispiel nannte sie den Wechsel von Adalimumab (Humira u.a.) zum Rheuma-Präparat Baricitinib (Olumiant). JAK-Hemmer würden deutlich die Schmerzen verringern. Es blieb ungesagt, ob das ebenfalls für die Psoriasis arthritis außerhalb der Gelenke gilt.
Professor Klaus Krüger sah für die gesamte Wirkstoffgruppe ein erhöhtes Risiko, eine Thrombose zu entwickeln und sich am Coronavirus anzustecken. Das Risiko schwerer Herzkomplikationen (MACE) sei tatsächlich „die wunde Stelle“, so Dr. Hoff. Hinzu kämen Krebs-Risiken. Es scheint, dass bisher alle JAK-Hemmer für gefährdete Patienten ungeeignet sind. Außerdem sollten Anwender vorher gegen Herpes-Zoster geimpft sein.
Dr. Paula Hoff (Berlin) machte eine Bemerkung, die auf Ärztekongressen äußerst selten zu hören ist: Sie hält die JAK- und TYK-Hemmer für zu teuer. So kostet eine Behandlung mit Tofacitinib (Xeljanz) jährlich 15.000 Euro. „Die könnte man zu Hause in der Küche kochen!“, so Dr. Hoff. Sollten wir sie nach dem Rezept fragen?
Rückenschmerzen bei Psoriasis?
Chronische Rückenschmerzen bei Psoriasis-Patienten stellen sich oft als axiale Psoriasis arthritis (axPsA) heraus. Wirbelsäule und Brustbereich waren entzündet, weniger das Kreuz-Darmbein-Gelenk. Das hat Dr. Fabian Proft mit seinen Kolleginnen herausgefunden. Deshalb ist es wichtig, als Hautpatient auch Rückenschmerzen anzusprechen.
Denn die können bei Psoriatikern eine Form der Psoriasis arthritis sein. Für den Rheumatologen ist es wichtig zu wissen, dass die axPsA sich vom Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis AS) unterscheidet. Denn sie wird anders behandelt, wie man in den aktuellen GRAPPA-Empfehlungen nachlesen kann.
Unterschiede zwischen Frauen und Männern
Befragt wurden Frauen und Männer mit Psoriasis arthritis. Dabei stellte sich heraus, dass die Frauen stärker unter ihrer Erkrankung litten als die Männer. Abgefragt wurde, wie schwer sie ihre Erkrankung empfinden, wie stark sie Schmerzen und Fatigue einschätzen und wie sehr sie im Beruf und bei ihren Aktivitäten eingeschränkt sind. In allen Kategorien fühlten sich Frauen mehr belastet und konnten das weniger akzeptieren als Männer.
Es stellte sich heraus, dass einige Medikamente bei Frauen mit Psoriasis arthritis schlechter wirken als bei Männern. Untersucht wurde das für MTX und Etanercept. MTX allein wirkte bei Frauen geringfügig schlechter. Aber wenn das Biologikum Eternacept mit MTX kombiniert wurde, erreichten nur 58,8 Prozent der Frauen eine ACR 20 gegenüber 71,5 Prozent der Männer. In einer anderen Studie wurden der IL-17a-Hemmer Secukinumab (Cosentyx) gegen den TNF𝛼-Hemmer Adalimumab (Humira) getestet. Nach einem Jahr hatten bei den Männern 55,3 Prozent einen ACR 20 – bei beiden Medikamenten. Bei den Frauen erreichten das 43 Prozent mit Secukinumab und nur 32,6 Prozent mit Adalimumab.
Therapieerfolge messen
Um zu zeigen, wie erfolgreich eine PsA-Therapie ist, wird oft nur der ACR-Wert ausgewiesen. Der beschreibt, um wieviel sich an den Gelenken die Entzündung-Schwellung zurückgebildet und der Druckschmerz nachgelassen hat. Der ACR reicht aber nicht aus, um zu beurteilen, wie sich Enthesitis oder Nägel, Beweglichkeit und Lebensqualität verbessert haben.
Deshalb gibt es eigene Messzahlen, für den Zustand von Gelenkknochen und Achillessehnen, die Anzahl geschwollener, weicher oder beschädigter Gelenke, die Schmerzbeurteilung, den Zustand der Nägel, die Funktionseinschränkungen und das Krankheitsgefühl. Alle werden dann im MDA zusammengefasst, um festzustellen, wie sich die Krankheitsaktivitäten insgesamt minimiert haben.
Mehr aktuelle Informationen zur Psoriasis arthritis findest Du auch in diesen Artikeln:
Psoriasis arthritis: Neues und Bewährtes 2022 - Magazin - Psoriasis-Netz
Read More
No comments:
Post a Comment