Fünf Jahre nach dem ihn die Zusammenarbeit mit Stanley Kubricks an „2001- Odysee im Weltraum“ weltberühmt gemacht hat, veröffentlichte Arthur C. Clarke mit „Rendezvous with Rama“ – der Originaltitel wurde erst für die dritte deutsche Ausgabe nach einem Hardcover im Marion von Schröder Verlag und der ersten Taschenbuchveröffentlichung in der Heyne Allgemeinen Reihe für die überarbeitete Neuausgabe im Bastei Verlag genommen – einen neuen lange Zeit erwarteten Science Fiction Roman. Sechundzwanzig Jahre später begannen Arthuer C. Clarke und Gentry Lee den in sich abgeschlossenen ersten Roman zu einer Tetralogie auszuweiten und die in Clarkes Originalfassung nur angedeuteten Erkenntnisse zu extrapolieren. Aber je mehr Schleier von Rama und seinen möglicherweise Dreier Bewohnern gezogen worden sind, um so mehr mussten die beiden Autoren auch mit Erklärungen quasi hinterherlaufen.
Arthur C. Clarke erhielt für den 1973 veröffentlichten Roman sowohl den NEBULA als auch den HUGO Award als bester Roman. Inhaltlich reiht sich das Werke in ein dank Larry Nivens „Ringwelt“ populäres Subgenre der Science Fiction ein. Verlassene gigantische „Objekte“, deren Geheimnisse mittels mindestens einer Expedition erforscht werden müssen. Bob Shaw fügte diesem Reihen noch „Orbitsville“ hinzu, einige Jahre später erschuf Frederik Pohl mit „Gateway“ ein geheimnisvolles Sprungbrett zu den Sternen, dessen grundlegende Technik zwar von den Menschen genutzt, aber nicht verstanden werden sollte. Brian Stableford ließ die Hohlwelt „Asgard“ zu einem Spielplatz von Abenteuern werden und auch in Greg Bears Werk findet sich ein derartig gigantisches nicht näher zu spezifizierendes Objekt („Äon“).
Der Reiz in Arthur C. Clarkes Werk liegt in seinem grundlegend naturwissenschaftlichen Ansatz, der nicht selten den Sense of Wonder zu erdrücken scheint. Ausgangspunkt ist zum Beispiel das Projekt Space Guard, ein Schutz gegen den Einschlag von Asteroiden, Hollywood sollte sich diesem Thema gleich in zwei parallel gedrehten Produktionen „Deep Impact“ und „Armageddon“ annehmen. Auch die NASA begann sich mit der Abwehr von Asteroiden auseinandersetzen. Arthur C. Clarkes Roman spielt fast einhundert Jahre in der Zukunft. Die Menschheit hat einige der Planeten im Sonnensystem besiedelt. Es gibt nur noch die Vereinigten Planeten, aber quasi keine Nationalstaaten mehr. Interessant ist, dass die Raumfahrttechnik sich ohne Frage weiterentwickelt hat, aber Geschwindigkeit, Masse und Treibstoff immer noch eine wichtige Rolle spielen. Auf der anderen Seite ignoriert Arthur C. Clarke die simpelsten Terraforming Regeln auf anderen Planeten. So erscheint es unwahrscheinlich, dass die Venus oder gar der Merkur selbst unter künstlichen Kuppeln als autarke, von der Erde nicht mehr abhängige „Staaten“ anzusehen sind. Arthur C. Clarke hat sich gegen Ende seines Buches in eine kleine inhaltliche Klemme geschrieben, aus der er mit einer Actionsequenz zu entkommen sucht. Dabei streift er allerdings den Rand der Parodie, wie es John Carpenter in seinem Studentenfilm „Dark Star“ so vortrefflich dargestellt hat.
Viel interessanter sind die sozialen Strukturen. So gibt es vor allem zeitlich begrenzte Ehefrau und der Kommandant der Mission ist sogar zweimal verheiratet. Auf dem Mars und der Erde. Für einen Astronauten perfekt, da sich die beiden Frauen wegen der unterschiedlichen Schwerkraft nicht sehen werden. Man braucht nur bei den Botschaften vorsichtig zu sein. Arthur C. Clarke fügt aber diesen sozialen Strukturen mit seinem Epilog noch eine süffisante Note hinzu.
Das eigentliche Objekt der Begierde ist fast vierzig Kilometer groß. Ungewöhnliche Flugeigenschaft immer am Rande einer natürlichen wissenschaftlichen Erklärung rücken es in den Fokus der Wissenschaftler. Auf seiner Flugbahn wird es nur eine bestimmte Zeit im Sonnensystem verweilen, bevor er die Anziehungskraft der Sonne quasi als Katalysator nutzend für immer wieder in den Tiefe des Alls verschwinden wird.
Kapitän Norton ist mit seiner Endeavour das einzige in der Nähe befindliche Raumschiff. Er landet auf RAMA und dringt mit seiner Crew in den künstlich erschaffenen Hohlkörper ein.
Der Hauptteil des Buches nimmt die Erkundung dieser wirklich erstaunlich fremden, aber sich einigen Naturgesetzen auch unterwerfenden Welt ein. Arthur C. Clarke scheut sich gegen Ende des Buches auch nicht, auf eine der Ideen des Genres mit dem unerklärlichen Antrieb Ramas zurückzugreifen. Wenn das Kapitel „Space Drive“ genau das hält, was die ambivalente Überschrift verspricht, zeigt sich, das der Naturwissenschaftler Arthur C. Clarke sein Haupt vor fremdartiger Technik verbeugt.
Rama ist derartig gigantisch, dass die Menschen nicht alles erkunden können. Rama scheint auch ohne Energie durchs All zu treiben. Abschließend ein Trugschluss. Interessant und auch heute noch lesenswert ist der sehr gut strukturierte Aufbau dieser Welt- beginnend bei seinen drei Schleusen und endend bei den Bioten, die „Leben“ und „Sterben“ zu gleich symbolisieren.
Ganz bewusst hat sich Arthur C. Clarke wie vorher auch schon Larry Niven dazu entschlossen, die Geschichte ausschließlich aus menschlicher Perspektive zu erzählen. Alle Funde müssen von den Astronauten an Bord Ramas oder den Forscher zu Hause eingeschätzt und bewertet werden. Gefahren drohen den Astronauten vor allem durch die Naturgewalten innerhalb des gigantischen Hohlkörpers. Gerettet werden sie in diesen Fällen durch die Forscher auf der Erde, die ihr Wissen quasi poolen und in einigen Momenten rechtzeitig Warnungen schicken können. Dabei zeigt sich, dass das Wetter überall gleich sein kann.
Arthur C. Clarkes sachlicher, distanzierter Ton trägt zur Zeitlosigkeit dieser Geschichte bei. Beginnend mit den gigantischen ins Innere führenden Treppen, die einer derartig modernen Konstruktion im Grunde widersprechend und endend hinter dem gigantischen Meer im „Süden“ Ramas, an dessen Ende sich wie waagerecht liegende gigantische Steinspitzen sich möglicherweise die Antriebe befinden.
Auch die Evolution findet im Inneren von RAMA atemberaubend schnell statt. Die Hohlwelt erwacht auf ihrem wahrscheinlich Jahrtausende währenden Winterschlaf, als sich der gigantische Körper der Sonne nähert, um am Ende wieder zurück ins Wasser zu fliehen, aus dem ja auch das menschliche Leben vor Jahrmillionen an Land gekrochen ist.
Unabhängig von der kurzen Sequenz, in welcher Arthur C. Clarke die bornierte Dummheit der Menschen – egal auf welchem Planeten des Sonnensystems sie leben – entlarven konnte, ist „Rendezvous mit 31/439“ ein klassischer Explorerstoff. Das Vorbild Norton ist natürlich Kapitän Cook. Es ist kein Zufall, das sein Raumschiff nach diesem berühmten Seefahrer benannt worden ist. Aber die Lektüre in der vorliegenden Form erinnert dieser Leser auch ein wenig an Jules Vernes berühmte Geschichte „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ , wobei die Helden nicht durch einen Vulkan in die Erde steigen müssen. Drei Schotte reichen.
Angesichts der New Wave und vor allem der immer introvertierter werdenden Science Fiction der siebziger Jahre wirkt Arthur C. Clarkes Buch aus damaliger wie heutiger Sicht erstaunlich aus der Zeit gefallen. Wie seine Romane aus den fünfziger und sechziger Jahre erweist sich der Brite als ein vor allem am Sense of Wonder interessierter Autor, der selbst eine Reihe von dramaturgisch faszinierenden Szenen wie den ersten Flug über das Südmeer zu den Maschinen oder die Besuche in den einzelnen fremdartigen nach irdischen Städten benannten Objekten auf der Innenseite der Hohlwelt im gleichen Tempo erzählt wie die langen Diskussionen zwischen den Wissenschaftlern auf der Erde. Auch wenn nicht durch aufgrund des kurzen Durchflugs, sondern auch der ökologischen Herausforderungen die Zeit drängt und das Leben der Besatzung im Inneren Ramas bedroht erscheint, lässt sich Kapitän Norton als besonnener und hochgeschätzter, zutiefst menschelnder Kommandant niemals wirklich aus der Ruhe bringen. Und das angesichts der wahrscheinlich bedeutesten Entdeckung der Menschheit.
Der Roman sollte im Gegensatz zu den deutlich modernern, vielleicht ein wenig zu vielschichtigen Fortsetzungen im Kontext weniger seiner Zeit – den siebziger Jahren -, sondern dem Versuch einzelner Science Fiction Autoren gesehen werden, den buchstäblichen Sense of Wonder der frühen Space Operas durch immer gigantischer werdende Entdeckungen dort draußen wieder zu beleben. In dieser Hinsicht überzeugt „Rendezvous mit 31/439“ vor allem in den Punkten, in denen es Arthur C. Clarke bei Andeutungen belässt und Rama zumindest einen großen Teile seiner Geheimnisse zugesteht. In dieser Hinsicht wirkt der Roman auch wie eine konsequente Fortsetzung vor allem der Kurzgeschichte „The Sentinal“, auf welcher Kubrick zusammen mit Arthur C. Clarke schließlich „2001“ erschaffen hat.
Rendezvous mit Rama - Robots & Dragons
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