Ein neues Medikament hilft, gefährlich hohes Cholesterin zu senken. Der Münchner Herz-Professor Volker Klauss erklärt die Spritze gegen Herzinfarkt und Schlaganfall.
München – Millionen Menschen haben mit erhöhten Cholesterinwerten zu kämpfen. Maximal 30 Prozent des Cholesterinspiegels lassen sich über die Ernährung senken, auch regelmäßige Bewegung kann helfen. Oft müssen die Betroffenen zusätzlich Medikamente einnehmen – insbesondere dann, wenn Gefäßerkrankungen wie zum Beispiel eine koronare Herzerkrankung oder eine vererbte Fettstoffwechselstörung vorliegen; im letzteren Fall sprechen Mediziner von einer familiären Hypercholesterinämie.
Hohen Cholesterinwerten entgegenwirken: Inclisiran – Die „Spritze gegen den Herzinfarkt“
Bislang schlucken die meisten Cholesterin-Patienten sogenannte Statine. „Sie sind praktisch das Basismedikament bei hohen Cholesterinwerten“, erläutert der Münchner Herzspezialist Professor Volker Klauss (Kardiologie Innenstadt). In den letzten Jahren sind allerdings weitere Cholesterinsenker auf den Markt gekommen. Zuletzt erfuhr das Mittel Inclisiran in Fachkreisen besondere Aufmerksamkeit. Es gehört zur Gruppe der sogenannten PCSK9-Hemmer und wird als Injektion unter die Haut verabreicht. Deshalb wird es in den Medien mitunter auch als „Spritze gegen den Herzinfarkt“ bezeichnet. „Diese PCSK9-Hemmstoffe sorgen letztlich dafür, dass die Leber mehr schädliches LDL-Cholesterin aufnehmen und abbauen kann“, erklärt Klauss.
Der große Vorteil von Inclisiran: Im Gegensatz zu anderen PCSK9-Hemmern wie Evolocumab und Alirocumab muss es nicht alle zwei beziehungsweise vier Wochen gespritzt werden. Stattdessen wird die Injektion einmalig nach drei Monaten wiederholt und ist anschließend nur noch jedes halbe Jahr erforderlich. Nach bisherigen Studienergebnissen ist Inclisiran in der Lage, das LDL-Cholesterin um die Hälfte zu senken und damit die Gefahr für die Entstehung von Arteriosklerose um 60 bis 90 Prozent zu senken, berichtet die Deutsche Herzstiftung
Inclisiran-Injektionen muss seltener als andere Cholestein-Medikamente angewendet werden
Von diesem Effekt können vor allem Risikopatienten massiv profitieren. Der medizinische Hintergrund: Erhöhte Cholesterinwerte sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie gehören gerade im fortgeschrittenen Alter zu den größten Risikofaktoren für Schlaganfall und Herzinfarkt - vor allem in Kombination mit weiteren Belastungen wie Rauchen, zu viel Alkohol, Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck. Deshalb sollten bei jedem die Cholesterinwerte bestimmt werden, damit Risikopatienten frühzeitig identifiziert und auch behandelt werden können. „Dazu gehört auch die einmalige Bestimmung des sogenannten Lipoproteins (a), eines weiteren Faktors aus dem Fettstoffwechsel, der Gefäßerkrankungen verursachen kann“, erläutert Klauss.
Cholesterin wird in der Leber produziert und über die Nahrung aufgenommen. Es wird als wichtiger Baustein für die Körperzellen gebraucht und spielt - in Maßen - eine Rolle bei der Bildung von Gallensäure und bei der Produktion wichtiger Hormone. „Damit das Cholesterin über die einzelnen Blutgefäße in den Körper transportiert werden kann, packt der Körper die Fette in Eiweißpäckchen und bildet Lipoproteine, bestehend aus Fett (Lipid) und Eiweiß (Protein): LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin“, erklärt die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe den Hintergrund.
LDL-Cholesterin befeuert Gefäßerkrankungen – Medikament soll vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen
Insbesondere LDL-Cholesterin (Low Density Lipoprotein) kann sich in den Gefäßwänden einlagern und dadurch den schleichenden Prozess der Gefäßverkalkung befeuern, der in der Fachsprache Arteriosklerose genannt wird. „Dabei werden die Arterien immer spröder beziehungsweise steifer und verengen sich“, erklärt Kardiologe Klauss. „Im schlimmsten Fall verschließt sich das Blutgefäß komplett, nachgelagertes Gewebe kann nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden – und es kommt beispielsweise zum gefürchteten GAU im Herzen oder im Gehirn.“
In Deutschland erleiden jedes Jahr knapp 200 000 Menschen einen Herzinfarkt und fast 270 000 einen Schlaganfall. Viele Opfer sterben oder bleiben nach der Erkrankung dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen. Laut einer Erhebung der renommierten Mayo Clinic in den USA sind weltweit fast drei Millionen Todesfälle mit einem hohen LDL-Cholesterinspiegel verbunden. Ursache für erhöhte Cholesterinwerte kann neben einem ungesunden Lebensstil und schlechter Ernährung auch, wie bereits erwähnt, eine erbliche Veranlagung (familiäre Hypercholesterinämie) sein. „Verschiedene Krankheiten, beispielsweise Diabetes oder eine eingeschränkte Nierenfunktion, können die negativen Effekte der hohen Cholesterinwerte noch potenzieren“, weiß Klauss.
Studie zu Cholesterinsenkern: Statine sind gut verträglich, wenn die Dosis stimmt
Um den Risikofaktor Cholesterin in den Griff zu bekommen, werden schon lange erfolgreich Medikamente eingesetzt - allen voran Statine. „Sie stehen bereits seit 1987 zur Verfügung und dienen als Basismedikamente bei erhöhten Cholesterinwerten“, berichtet Klauss. Statine seien bestens erforscht, so der langjährige Wissenschaftler. Die gute Verträglichkeit habe sich erst jüngst wieder in einer großen Studie bestätigt, die im renommierten Fachjournal The Lancet erschienen ist. Danach waren nur bei einem von 15 Patienten, die mit Statinen behandelt wurden, die Nebenwirkungen ursächlich auf die Statintherapie zurückzuführen.
Zu Statinen kursieren immer wieder auch Gerüchte, wonach sie häufig schwere Nebenwirkungen verursachen oder sogar schwere Erkrankungen verursachen können – beispielsweise Alzheimer-Demenz. Doch diese Behauptungen wurden in Studien widerlegt, unter anderem durch eine australische Forschungsarbeit der University of South Wales. Unbestritten ist dagegen, dass bei der Einnahme von Statinen - vor allem bei hohen Dosierungen – Muskelbeschwerden auftreten können. „Diese Probleme lassen sich aber meistens durch eine sorgfältige Einstellung der Medikamente vermeiden. Wichtig ist es vor allem, sich zu Beginn der Therapie behutsam an die optimale Dosis heranzutasten“, rät der Münchner Herz-Spezialist Klauss.
Cholesterin senken mit Statine – Lassen sich auch kombinieren
Wenn Statine allein nicht ausreichen, um die Cholesterinwerte zu drücken, werden sie häufig mit Ezetimib kombiniert - ein Arzneistoff, der die Aufnahme von Cholesterin aus dem Darm verringert. Eine weitere oft verordnete Variante ist die Kombi von Ezetimib und Bempedoinsäure. Letztere hemmt - ähnlich wie Statine - die Cholesterinaufnahme in der Leber, soll aber weniger Muskelschmerzen verursachen.
Die neueren Medikamente in Spritzenform sieht der erfahrene Kardiologe Klauss als gute Ergänzung der Therapieoptionen. „Sie sind vor allem für die Patienten sinnvoll, bei denen die Tabletten nicht den gewünschten Erfolg bringen.“ Allerdings, so Klauss weiter, werde bei den meisten Patienten eine Spritzentherapie alleine in der Regel nicht ausreichen. „Es wird fast immer eine Kombination nötig sein.“ (Andreas Beez)
Risikofaktor Cholesterin: Spritze gegen Herzinfarkt und Schlaganfall - Merkur.de
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