Als junger Assistenzarzt auf einer Schlaganfallstation kümmerte ich mich einmal um eine 82-jährige Patientin. Sie war in die Notaufnahme gekommen, weil sie wenige Stunden zuvor plötzlich Sprachstörungen und eine einseitige Lähmung bemerkt hatte – beides typische Anzeichen für einen Schlaganfall. Wir gaben ihr Medikamente, die Blutgerinnsel auflösen, und ihre Beschwerden besserten sich langsam. Doch dann erreichte mich ein Anruf aus unserem Labor: Dort hatte man hohe Werte des Herzenzyms Troponin in ihrem Blut gefunden. Da dies auf einen Herzinfarkt hindeuten kann, warf ich einen Blick auf das EKG der Frau. Dabei fielen mir Veränderungen auf, die bei einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels auftreten können. Ein in der Zwischenzeit gemachter, zusätzlicher Bluttest zeigte, dass ihre Troponinwerte weiter angestiegen waren.
Auch der Zustand der Patientin verschlechterte sich. Wir führten eine Ultraschalluntersuchung ihres Herzens durch; sie offenbarte, dass die Pumpleistung des Organs messbar abgenommen hatte und sich Teile der Herzwand nicht mehr normal bewegten. Deshalb entschieden wir uns dafür, zusätzlich eine Herzkatheteruntersuchung durchzuführen. Bei dieser minimalinvasiven Behandlung wird ein Schlauch mit Messgeräten in eine Ader eingeführt und zum Herzen geleitet. Überraschenderweise sahen die Herzkranzgefäße unserer Patientin hier komplett gesund aus. Ein klassischer Herzinfarkt war damit ausgeschlossen. Was war also im Herzen der Frau los? Uns fiel auf, dass insbesondere die Herzspitze ballonartig vergrößert und in der Beweglichkeit eingeschränkt war. Damit war die Diagnose klar: Die Patientin hatte ein Takotsubo-Syndrom (TTS). Wir verabreichten ihr deshalb weitere Medikamente zur Besserung der Herzschwäche. Es dauerte drei Tage, bis die Pumpleistung ihres Herzens wieder stetig zunahm. In einer erneuten Ultraschalluntersuchung eine Woche später sah das Organ vollkommen normal aus.
Fachleute um Hikaru Sato vom Hiroshima City Hospital beschrieben das TTS erstmals 1990. Das Wort »Takotsubo« stammt aus dem Japanischen und bezeichnet einen Tonkrug (»tsubo«) mit ausladendem Boden und engem Hals. Das Gefäß wird benutzt, um Tintenfische (»tako«) zu fangen. Die Erstbeschreiber erinnerte das erkrankte Herz mit seiner ballonartig vergrößerten Spitze an die Form dieses Krugs…
Takotsubo-Syndrom: Herz unter Druck - Spektrum.de
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