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Jedes Jahr stecken sich Schätzungen zufolge weltweit bis zu 300 Millionen Menschen mit Malaria an. Mehr als 600.000 der Erkrankten sterben jährlich an der Krankheit. Die meisten von ihnen sind Kinder.
Seit Beginn des Jahrtausends war es gelungen, die Zahl der Malaria-Infektionen und der durch Malaria bedingten Todesfälle fast zu halbieren. Durch Mückenbekämpfung, Bettnetze, den Einsatz von Insektiziden und in den vergangenen Jahren auch durch Impfungen. Eine Maßnahme allein gegen den Malaria-Erreger reicht nämlich nicht aus, weil dieser Parasit, der zur Gattung Plasmodium gehört, biologisch betrachtet, sehr viel komplexer aufgebaut ist als beispielsweise ein Virus.
Während ein Virus nur wenige Funktionen hat, ist ein Parasit "so komplex wie eine menschliche Zelle" erklärt der Immunologe Thomas Jacobs vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. "Der Parasit hat nicht nur vier oder fünf Proteine wie ein Virus, sondern der Malaria-Parasit hat 5.000 Proteine."
Schwierige Bekämpfung des Krankheitserregers
Der Malaria-Parasit ist deshalb besonders flexibel und vom Immunsystem schlecht zu bekämpfen. Denn wenn er erst einmal durch das Blutsaugen einer weiblichen Mücke in den menschlichen Organismus gelangt ist, durchläuft er dort verschiedene Entwicklungsstadien. Als erstes kommt er "in die Leber und bleibt dort ungefähr fünf Tage lang," so Immunologe Jacobs. "Und unser Immunsystem braucht eigentlich immer sieben bis acht Tage, bis es auf vollen Touren läuft, bis es gelernt hat, dass da etwas Fremdes ist, dann wird die Immunantwort gemacht. Nur dann ist der Parasit schon wieder weg."
Der Parasit verändert sich auch danach noch weiter, so dass das Immunsystem ihn kaum erkennen kann. Darin liegt die zentrale Herausforderung für die Medikamenten- und Impfstoffentwicklung, weil nicht ein Medikament gegen den Parasiten in allen Entwicklungsstadien im menschlichen Körper wirken kann.
Anstieg der Neuinfektionen und Malariatoten
Nach Jahren des Rückgangs meldete die Weltgesundheitsorganisation WHO 2020, im ersten Jahr der Coronapandemie, erstmalig wieder ein Plus an Neuinfektionen und sogar einen deutlichen Anstieg der Malaria-Toten um zehn Prozent, erklärt der Infektionsepidemiologe Jürgen May, der das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg leitet. Sowohl medikamentöse Prophylaxe, aber auch die Austeilung von "Bettnetzen war nicht so intensiv wie vorher" und auch andere Maßnahmen, wie beispielsweise die Beseitigung von Mückenbrutplätzen wurde durch die Schutzregeln während der Coronapandemie vernachlässigt.
Darüber hinaus fielen Impf-, Vorsorge- und Aufklärungsprogramme aus, um eine Ansteckung mit SARS-CoV-2 durch größere Menschengruppen zu vermeiden. Im Jahr 2021 stagnierten die von der WHO registrierten Malariafälle auf dem Niveau von 2020, aber 2022 sind sie erneut angestiegen. Starben vor der Pandemie rund 576.000 Menschen an der gefährlichen Variante Malaria Tropica, die vor allem im südlichen Afrika verbreitet ist, so waren es 2022 608.000 Menschen. Die meisten davon Kinder, jünger als fünf Jahre.
Kampf gegen Malaria gleicht einem Marathon
Einig sind sich die Expertinnen und Wissenschaftler, dass es für die Bekämpfung dieser gefährlichen Infektionskrankheit einen besonders langen Atem braucht. Timothy Wells, wissenschaftlicher Leiter der Nichtregierung-Organisation Medicines for Malaria Venture in Genf, betont deshalb, dass es keine Pausen bei der Bekämpfung der Malaria geben dürfe.
"Wir haben erst die Hälfte geschafft, um die Malaria auszurotten. Wir haben noch nicht genug Medikamente und Impfstoffe. Und vermutlich werden wir es nie ganz schaffen, aber wir müssen es versuchen." Verbesserungen zu erzielen dauere Jahre, sagt er, aber sobald Maßnahmen ausfallen oder ausgesetzt werden, breiteten sich die Mücken wieder aus und damit auch die Malaria.
Erste Resistenzen
Hinzu kommt noch eine andere Schwierigkeit. Es gibt nämlich erste Anzeichen dafür, dass der Malaria-Parasit resistent wird. Und zwar gegen den Wirkstoff Artemisinin, der bisher das Herzstück aller medikamentösen Therapien ist. Tobias Spielmann, Zellbiologie am Bernhard-Nocht-Institut hat Hinweise dafür mit seinem Team in Afrika gefunden. Denn einerseits hat sich der Erreger verändert und andererseits sind "erste Anzeichen aufgetreten, dass nicht mehr alle Leute so gut behandelbar sind." Noch sind die Resistenzen in Afrika nicht flächendeckend zu beobachten, aber sie bereiten den Expertinnen und Experten große Sorgen.
Einfluss des Klimawandels
Und ein weiteres Problem zeichnet sich ab: Eine neue Malaria-Mückenart (Anopheles Stephensi), die bisher vor allem in Südostasien heimisch war, breitet sich auf dem afrikanischen Kontinent aus. Ursache dafür ist vermutlich der Klimawandel: Die Temperaturen verändern sich, auch die Luftfeuchtigkeit und die Niederschläge, so dass die Forschenden schon jetzt beobachten, dass sich diese Moskitos in Regionen ausbreiten, die bisher von der Malaria verschont waren.
Diese Mückenart ist hitzeresistenter und verträgt auch Trockenheit besser als die in Afrika heimischen Arten und kann auch in den Städten überleben, die bisher von der Malaria kaum betroffen waren. Lässt sich diese Mückenart dort tatsächlich flächendeckend nieder, dann ist zu befürchten, dass sich die Malaria-Infektionen weiter ausbreiten werden, so die Weltgesundheitsorganisation WHO.
Steigende Todeszahlen bei Kleinkindern: Malaria wieder auf dem Vormarsch - tagesschau.de
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