Ob Medikamente oder Impfstoffe: Nebenwirkungen gehören dazu - nicht bei allen, aber bei einigen. Ob solche Nebenwirkungen auftreten und wenn ja, welche und wie schwerwiegend sie sind, wird in Deutschland vom Paul-Ehrlich-Institut erhoben. Ein Überblick.
Wer im Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung mögliche Reaktionen an sich beobachtet, sollte diese in jedem Fall melden, etwa beim Hausarzt oder über das Nebenwirkungsportal des Bundes. Erstmals in Deutschland gibt es dazu auch eine App, sie heißt "SafeVac".
Verschiedene Impfreaktionen möglich
Zu den häufigeren Reaktionen bei allen Impfstoffen zählen Beschwerden wie Schmerzen an der Einstichstelle sowie Kopfschmerzen oder Übelkeit; auch Fieber kann auftreten. Für diese Impfreaktionen gilt: Sie halten nur kurze Zeit an und klingen von selbst wieder ab. Zudem zeigen sie an, dass das Immunsystem arbeitet. Generell treten sie bei jüngeren Menschen eher häufiger auf und nehmen mit dem Alter ab.
Sehr selten kommt es zu einem allergischen Schock. Dieser tritt unmittelbar nach der Impfung auf und kann lebensbedrohlich sein, ist aber bei schneller ärztlicher Hilfe gut zu überstehen. Deshalb muss man nach der Impfung sicherheitshalber noch einige Zeit unter Beobachtung bleiben, meist sind es 15 bis 30 Minuten.
Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA veröffentlicht regelmäßig Sicherheitsberichte über die bislang zugelassenen Corona-Impfstoffe. Demnach gibt es bislang keine Sicherheitsbedenken gegen die Mittel von Biontech/Pfizer und Moderna. In den Prüfberichten heißt es, es seien bekannte Nebenwirkungen - bei Impfstoffen spricht man von Impfreaktionen - aufgetreten. Dabei hätten sich keine statistischen Auffälligkeiten gezeigt. Der Nutzen der Impfstoffe sei weitaus größer als die Risiken, betont die Aufsichtsbehörde.
Berichte aus Israel haben zuletzt die Frage aufgeworfen, ob Herzmuskel-Entzündungen bei Geimpften mit dem Covid-19-Impfstoff von Biontech und Pfizer in Verbindung stehen könnten. Eine vorläufige Studie habe "Dutzende von Fällen" bei fünf Millionen Geimpften, hauptsächlich nach der zweiten Dosis, festgestellt, sagte der israelische Koordinator für die Pandemiebekämpfung, Ash. Es sei unklar, ob die Anzahl der Personen mit Entzündung des Herzmuskelgewebes ungewöhnlich hoch sei und ob die Erkrankungen in Zusammenhang mit dem Vakzin stehe. Ein Nachweis sei schwierig, weil eine Myokarditis, wie die Herzmuskel-Entzündung auch genannt wird, oft ohne Komplikationen ablaufe und durch eine Vielzahl von Viren verursacht werden könne. Das israelische Gesundheitsministerium teilte mit, ein Expertenteam überwache alle Nebenwirkungen der Corona-Impfungen und veröffentliche regelmäßig Berichte. Die in den Medien zitierte Analyse zeige keinen eindeutigen Anstieg der Sterblichkeit wegen der Impfung und es sei auch nicht sicher, dass es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Anstieg der Zahl von Herzmuskel-Entzündungen gebe. Pfizer erklärte, die Erkrankungen seien "überwiegend bei jungen Männern aufgetreten". Unerwünschte Nebenwirkungen würden regelmäßig und gründlich überprüft. Das Unternehmen habe keine höhere Myokarditis-Rate beobachtet, als in der Allgemeinbevölkerung zu erwarten wäre. Zudem sei auch kein kausaler Zusammenhang mit der Impfung festgestellt worden.
Die EMA will Fälle von Herzmuskelentzündungen im Zusammenhang mit den Impfstoffen von Biontech / Pfizer sowie von Moderna analysieren. Derzeit gebe es keine Hinweise darauf, dass die aufgetretenen Fälle durch die Impfungen verursacht wurden. Pfizer und Biontech teilten mit, sie unterstützten die Untersuchungen der EMA, sie sähen aber keinen Zusammenhang zu ihrem Vakzin, nachdem weltweit mehr als 450 Millionen Dosen verimpft worden seien. Es sei kein gehäuftes Auftreten von Myokarditis beobachtet worden.
Der Impfstoff von Astrazeneca
Die Immunisierungen mit dem dritten in Deutschland zugelassenen Impfstoff - dem Mittel von Astrazeneca - waren nach Berichten über Todesfälle durch Blutgerinnsel im Gehirn zunächst im März vorübergehend ausgesetzt worden, Ende März dann eingeschränkt.
Mitte März hatten sowohl die Europäische Arzneimittelagentur EMA als auch die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland nach einer Prüfung den weiteren Einsatz des Mittels von Astrazeneca empfohlen. Der Nutzen der Impfung überwiege die gegenwärtig bekannten Risiken, hieß es in einer Stellungnahme der Stiko.
Auch die EMA bezeichnete den Impfstoff von Astrazeneca als "sicher und wirksam". EMA-Direktorin Cooke sagte, derzeit könne man keinen Zusammenhang zwischen den Impfungen und einem erhöhten Risiko von Blutgerinnseln nachweisen. Man könne das aber auch noch nicht ausschließen. Darum werde es weitere Untersuchungen geben. Cooke betonte, es gehe bisher um einige wenige Einzelfälle.
Das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist in der Corona-Pandemie die zentrale Sammelstelle für Informationen über Impfnebenwirkungen und veröffentlicht in regelmäßigen Abständen einen Bericht dazu. Den Angaben zufolge sind bis Ende April 67 Fälle einer Thrombose mit Thrombozytopenie nach Impfung mit Astrazeneca bekannt. In 14 Fällen war der Ausgang demnach tödlich. Neun Todesfälle betrafen Frauen, fünf Männer.
Astrazeneca nur noch bei Menschen über 60
Wegen der gehäuften Einzelfälle setzten Ende März zunächst einige Städte und Kliniken die Impfung mit Astrazeneca für Menschen unter 60 Jahren aus. Am 30. März beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern, dass der Corona-Impfstoff von Astrazeneca ohne Einschränkung nur noch bei den über 60-Jährigen eingesetzt werden soll. Jüngere können ihn nach individueller Beratung ebenfalls bekommen. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hingegen hielt nun nach einer erneuten Prüfung der Thrombosefälle weiter an ihrer Empfehlung des Impfstoffes für alle Menschen ab 18 Jahren fest. Die EMA erklärte, der Nutzen des Wirkstoffes sei nach wie vor höher zu bewerten als die Risiken. Es wurde zwar ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Wirkstoff und seltenen Thrombose-Fällen festgestellt. Diese Thrombosen seien vor allem bei Frauen unter 60 Jahren aufgetreten. Spezifische Risikofaktoren seien nach den bisherigen Erkenntnissen aber nicht bestätigt worden, hieß es. Die Möglichkeit der Blutgerinnsel soll jedoch in die Liste der Nebenwirkungen als "sehr selten" aufgenommen werden.
Bei Personen unter 60 Jahren kann die Impfung mit Astrazeneca nach sorgfältiger ärztlicher Beratung ebenfalls fortgesetzt werden, so die Regelung in Deutschland. Dies soll nur noch in Hausarztpraxen geschehen. Inzwischen wurde die Impfpriorisierung für den Impfstoff von Astrazeneca aufgehoben.
Das Vakzin von Johnson & Johnson
Der Corona-Impfstoff des US-Herstellers Johnson & Johnson kann auch in der EU verwendet werden. Wie die Europäische Arzneimittelbehörde in Amsterdam nach einer Prüfung mitteilte, kann der Wirkstoff zwar in sehr seltenen Fällen Blutgerinnsel auslösen. Diese sollten als "sehr seltene" Nebenwirkungen des Impfstoffs aufgeführt und die Produktinformationen mit einem entsprechenden Warnhinweis versehen werden. Insgesamt überwögen aber die Vorteile des Impfstoffs die Risiken, bekräftigte die EMA. Nach Angaben der EMA waren acht Fälle von Hirnvenenthrombosen festgestellt worden, nachdem der Impfstoff fast sieben Millionen Menschen verabreicht worden war.
Forschende aus Greifswald finden Ursache für Thrombosen
Forschende der Universitätsmedizin Greifswald haben inzwischen herausgefunden, wie die Hirnthrombosen nach einer Astrazeneca-Impfung entstehen können. Vom Immunsystem in Reaktion auf die Impfung gebildete Abwehrstoffe hätten bei den Betroffenen offenbar die Blutplättchen aktiviert, was wiederum zu Blutgerinnseln geführt habe. Da der Mechanismus so klar identifiziert worden sei, habe auch eine gezielte Behandlungsmöglichkeit entwickelt werden können. Patienten könne ein Wirkstoff verabreicht werden, der gegen die Thrombose helfe. Die Gesellschaft für Thrombose- und Hämatostaseforschung hat bereits entsprechende Empfehlungen veröffentlicht.
Paul-Ehrlich-Institut sammelt Meldungen
Bis Ende April wurden laut Paul-Ehrlich-Institut insgesamt knapp 50.000 Verdachtsfälle auf Nebenwirkungen oder Komplikationen nach Covid-Impfungen registriert, bei insgesamt bis dahin fast 29 Millionen durchgeführten Impfungen.
Die Melderate betrug den Angaben für alle Impfungen mit Covid-19-Impfstoffen 1,7 Verdachtsfälle pro 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Verdachtsfälle betrug sie 0,2 pro 1.000 Impfdosen. Bei Astrazeneca liege die Melderate etwas höher als bei den anderen Impfstoffen (4,5 Fälle pro 1.000 Dosen und bei schwerwiegenden Fällen 0,4 pro 1.000). Das könne aber auch mit der medialen Berichterstattung über den Impfstoff zu tun haben, hieß es.
Eine Studie der Universität Oxford hat eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für milde und moderate Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung mit verschiedenen Präpraraten festgestellt. Wie die Forschenden im Fachmagazin "The Lancet" schreiben, gibt es deswegen aber keine Sorge in Sachen Patientensicherheit. Ob die Immunreaktion davon betroffen ist, kann noch nicht beurteilt werden.
Was sollte man tun, wenn Beschwerden auftreten?
Wer geimpft wurde und den Verdacht hat, dass Nebenwirkungen in Zusammenhang mit der Impfung stehen könnten, sollte dies dem Hausarzt oder der Hausärztin melden. Hausärzte und Gesundheitsämter geben die Information über ungewöhnliche körperliche Reaktionen an das Paul-Ehrlich-Institut weiter. Auch eine Online-Meldung direkt bei dem Institut ist möglich. Zusätzlich ermöglicht es ein Netzportal der Bundesregierung, Impf-Komplikationen zu melden. Das Paul-Ehrlich-Institut gibt sämtliche Informationen an die EMA weiter.
App "SafeVac" fragt nach
Zum ersten Mal in Deutschland werden Geimpfte aber auch aktiv nach ihrem Befinden befragt. Dazu wurde die App "SafeVac" entwickelt. Wer die Studie unterstützen und die App nutzen will, muss beispielsweise Fragen zum eigenen Gesundheitszustand beantworten. So werden Daten über die Häufigkeit, die Schwere und die Dauer von unerwünschten Reaktion zusammengetragen. Die App sammelt aber nicht nur Daten über Komplikationen, sondern dokumentiert auch Impfungen, bei denen keinerlei Probleme auftraten und die Geimpften das Vakzin sehr gut vertragen haben.
Weil die App aktiv nachfragt, erhoffen sich die Forscher ein statistisch besseres Bild, wie häufig tatsächlich Nebenwirkungen auftreten. Sieben Mal nach der ersten Dosis und achtmal nach der zweiten fragt das Programm in den ersten Wochen nach den Impfungen ab, ob die Userin oder der User Beschwerden hat. Und dann noch einmal nach sechs und nach zwölf Monaten.
Klaus Cichutek, der PEI-Präsident, sagte dem Deutschlandfunk, die App werde gut angenommen, obwohl die meisten Impflinge zu Beginn der Kampagne älter als 80 Jahre waren. Knapp 50.000 Menschen speisen Daten in "SafeVac" ein. Der älteste Teilnehmer sei über 100 Jahre alt. "Die Größenordnung aller Teilnehmer liegt etwa bei zwei Prozent der geimpften Personen, das ist ein sehr guter Wert."
(Stand: 22.05.2021)
Weiterführende Artikel zum Coronavirus
Wir haben ein Nachrichtenblog angelegt. Das bietet angesichts der zahlreichen Informationen einen Überblick über die wichtigsten aktuellen Entwicklungen.
+ Covid-19: Aktuelle Zahlen zum Coronavirus in Deutschland (Stand 28.05.)
+ Öffnungen: Diese Lockerungen gelten für Geimpfte und Genesene (Stand 10.05.)
Reisen und Corona-Pandemie weltweit
+ Neue Einreisebestimmungen: Für wen die Quarantäne wegfällt - und was dazu notwendig ist (Stand 27.05.)
+ "Grünes Zertifikat": So soll das Reisen für Geimpfte in der EU künftig ablaufen (Stand 27.05.)
+ Reisewarnung: Die aktuelle Liste der Risikogebiete (Stand 22.05.)
+ Virusvariante: Wie gefährlich ist die indische Mutation (Stand: 19.05.)
+ Zusätzliche Infektion: Warum in Indien unter Covid-19-Patienten der "Schwarze Pilz" grassiert (Stand 22.05.)
Informationen zu Impfungen
+ Digitale Unterstützung: Portale und Tools sollen bei Suche nach Impfterminen helfen (Stand 21.05)
+ Covid-19-Impfstoffe: Wann ist eine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus nötig? (Stand 16.05)
+ Impfungen: Sollten Schwangere gegen das Coronavirus geimpft werden? (Stand 19.05.)
+ Impfstoffe: Worum es bei der Freigabe von Patenten geht (Stand 08.05.)
+ Impfungen: Was über die Nebenwirkungen der Impfstoffe bekannt ist (Stand 22.05.)
Die Dlf-Nachrichten finden Sie auch bei Twitter unter: @DLFNachrichten.
Covid-19 - Was über die Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe bekannt ist - Deutschlandfunk
Read More
No comments:
Post a Comment