Rechercher dans ce blog

Tuesday, May 25, 2021

Retinitis pigmentosa: Mann kann nach Gentherapie erstmals seit 40... - Deutsches Ärzteblatt: Aktuelles aus Gesundheitspolitik und Medizin

/oz, stock.adobe.com

Paris und Basel – Eine optogenetische Therapie, die retinale Ganglienzellen des Auges mit einem licht­empfindlichen Protein ausstattet, hat einem 58-jährigen Mann mit Retinitis pigmentosa 40 Jahre nach seiner Erblindung wieder das visuelle Erkennen von Gegenständen ermöglicht.

Die Sicht war auf eine grobe monochrome Wahrnehmung beschränkt, die der Patient erst nach monate­langem Training erlernte. Dennoch könnte das internationale Forscherteam in Nature Medicine (2021; DOI: 10.1038/s41591-021-01351-4) die Grundlagen für eine breit anwendbare Therapie gelegt haben.

Der erste Teilnehmer einer klinischen Studie war mit einem Defekt in einem von mehr als 71 bekannten Genen geboren worden, deren Ausfall in den ersten Lebensjahren eine allmähliche Degeneration der Netzh­aut zur Folge hat, bei der die Fotorezeptoren dauerhaft zerstört werden.

Diese als Retinitis pigmentosa bezeichnete Erkrankung ist bisher nicht behandelbar – mit Ausnahme eines Gendefekts im RPE65-Gen, für den es eine zugelassene Gentherapie (Voretigen Neparvovec oder Luxturna) gibt. Die Behandlung ist allerdings nur im jungen Alter wirksam, solange noch nicht alle Fotorezeptoren untergegangen sind.

Bei dem jetzt behandelten Patienten war es dagegen zu einer vollständigen Erblindung gekommen. Seine Sehfähigkeit war auf die Unterscheidung von hell und dunkel beschränkt. Die Behandlung bestand aus der einmaligen Injektion von Adeno-assoziierten Viren in den Glaskörper des Auges.

Die Viren hatten nicht die Sinneszellen, die längst untergegangen waren, zum Ziel, sondern die retinalen Ganglienzellen (RCG), die bei der Retinitis pigmentosa erhalten bleiben. Die RCG sind nach den Licht­sinnes­zellen (Stäbchen oder Zapfen) und einem zwischengeschalteten Interneuron normalerweise die 3. Station auf der Sehbahn und nur für die Weiterleitung und erste neuronale Verarbeitungen zuständig. Sie besitzen natürlicherweise keine lichtempfindlichen Moleküle (Rhodopsine). Die optogenetische Behandlung stattet sie mit dem Gen für ein lichtempfindliches Molekül aus und macht sie damit zur 1. Station der Sehbahn.

Das Team um José-Alain Sahel von der Pariser Sorbonne und Botond Roska von der Universität Basel entschieden sich für das Gen „ChrimsonR-tdTomato“. Es enthält den Bauplan für das Channelrhodopsin ChrimsonR, das sein Absorptionsmaximum im Bereich von 590 nm hat. Dies entspricht einer Farbwahr­nehmung zwischen gelb und orange (bernsteinfarben). Es hat eine geringere Pupillenverengung zur Folge als blaues Licht, das von anderen Channelrhodopsinen empfangen wird. Die Forscher erhoffen sich davon eine schonendere Wirkung.

Um die Wahrnehmung der Lichtsignale zu verstärken, trägt der Patient eine spezielle Brille. Sie ist mit einer Kamera ausgestattet und wandelt visuelle Bilder in Lichtsignale der Wellenlänge 595 nm um, die auf die Netzhaut projiziert werden.

Die Forscher warteten einige Monate, bis die RCG mit der Produktion des neuen Proteins begonnen hatten. Nach dem Aufsetzen der Brille nahm der Patient die Lichtsignale wahr. Er benötigte allerdings einige Zeit, um sie einordnen zu können und als Bilder zu verarbeiten. Immerhin hatte sein Sehzentrum im Cortex seit Jahrzehnten keine derartigen Nervensignale erhalten.

In einem 1. visuellen Test wurde der Patient gebeten, ein einzelnes dunkles Objekt, das sich auf einem weißen Tisch vor ihm befand, wahrzunehmen, zu lokalisieren und zu berühren. Ohne die Spezial­brille war ihm dies nicht möglich.

Mit der Brille hing seine Fähigkeit, ein Objekt wahrzunehmen, zu lokalisieren und zu berühren, von der Größe des Objekts ab. Ein Notizbuch wurde zu 92 % erkannt, eine kleine Schachtel mit Heftklammern nur zu 36 %. Die Erfolgsrate war jedoch nicht vom Kontrast abhängig. Der Patient lernte, auch Objekte, die sich weniger stark vom Hintergrund abzeichnen, zu erkennen, anzufassen und zu berühren.

Beim 2. Test musste der Proband 2 oder 3 Becher mit unterschiedlichen Kontrasten, die vor ihm auf einem weißen Tisch platziert waren, wahrnehmen, zählen und lokalisieren. Wie im 1. Test hatte die Testperson ohne Spezialbrille keinen Erfolg. Mit der Brille nahm er die Objekte in der Mehrzahl (58 % bis 63 %) der Versuche wahr. Er konnte sie einzeln lokalisieren und ihre Anzahl korrekt angeben.

In einer 3. Testreihe musste der Patient das Vorhandensein oder Fehlen eines Bechers auf dem Tisch beurteilen. Dies gelang ihm mit der Brille signifikant häufiger als ohne (41 % gegenüber 6 %).

Bei diesem Experiment wurde über eine Kopfhaube ein Elektroenzephalogramm (EEG) aufgezeichnet. Eine Software erkannte zu 78 %, ob der Patient ein Glas gesehen hatte oder nicht. Dies beweist, dass tatsächlich eine Signalweiterleitung in die Sehrinde erfolgte.

Bei einem 1. Test im Freien war der Patient spontan in der Lage, einzelne Gegenstände zu erkennen. Bei einem Zebrastreifen konnte er die Zahl der weißen Streifen korrekt nennen. Auch im Alltagsleben soll ihm die beschränkte Sehfähigkeit Vorteile verschaffen. Er könne Teller, Tasse und ein Telefon erkennen und sich mit der Brille innerhalb der Wohnung orientieren, berichten die Forscher.

Der Patient ist der erste von 12 bis 18 Teilnehmern der PIONEER-Studie. Er hat aus Sicherheitsgründen eine relativ niedrige Dosis der Gentherapie erhalten. Nachdem es zu keiner entzündlichen Reaktion oder zu anderen Veränderungen im Auge gekommen ist, wurden weitere Patienten mit höheren Dosierungen behandelt.

Da die Gentherapie noch nicht lange genug zurück liegt, wurden noch keine Tests zur Sehfähigkeit durch­geführt. Die Wissenschaftler hoffen, dass die Patienten bei einer höheren Dosis eventuell auf die Spezialbrille verzichten können.

Der Vorteil der Behandlung gegenüber der bisherigen Gentherapie ist, dass sie im Prinzip für alle For­men der Retinitis pigmentosa infrage käme und auch im Spätstadium eingesetzt werden könnte, in der die Sinneszellen komplett zerstört sind. Dies ist mit der derzeitigen Gentherapie nicht möglich, die zudem voraussetzt, dass ein bestimmter Gendefekt vorliegt und auch erkannt wurde. © rme/aerzteblatt.de

Adblock test (Why?)


Retinitis pigmentosa: Mann kann nach Gentherapie erstmals seit 40... - Deutsches Ärzteblatt: Aktuelles aus Gesundheitspolitik und Medizin
Read More

No comments:

Post a Comment

Ratgeber - Niesen im Frühling - Erkältet oder schon allergisch? - UNTERNEHMEN-HEUTE.de - UNTERNEHMEN-HEUTE.de

mp Groß-Gerau - Bei Niesreiz ist es schwierig zu differenzieren, ob die Symptome durch eine Pollenallergie oder durch einen Infekthervorger...