Bakterien als Schlankmacher: Eine stark kalorienreduzierte Diät verändert die Zusammensetzung der Darmflora zugunsten von Mikroorganismen, die eine weitere Gewichtsabnahme fördern. Dieser positive Effekt lässt sich sogar durch eine Kotübertragung nachvollziehen, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Zu den Bakterien mit abnehmfördernder Wirkung zählt offenbar auch das als Krankhauskeim bekannte Bakterium Clostridioides difficile.
Das Mikrobiom im Darm spielt eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit. Unter anderem beeinflussen die Trillionen von Mikroorganismen unseren Appetit und bestimmen darüber, wie gut wir welche Nährstoffe verwerten können. Auch der gefürchtete Jojo-Effekt nach Diäten hängt höchstwahrscheinlich eng mit der Darmflora zusammen. Welche Bakterien sich in unserem Darm tummeln, hängt in Teilen von unserer genetischen Ausstattung ab, die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft ist jedoch sehr flexibel und lässt sich durch Ernährungsumstellungen, Diäten oder Fasten beeinflussen.
Veränderungen im Mikrobiom
Ein Team um Reiner Jumpertz von Schwartzenberg von der Charité Universitätsmedizin Berlin hat nun untersucht, wie sich eine stark kalorienreduzierte Diät auf unsere Darmflora auswirkt – und wie diese wiederum am Abnehmerfolg beteiligt ist. „Wir konnten erstmals zeigen, wie eine Diät mit sehr niedrigem Kaloriengehalt die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm tiefgreifend verändert und so den Energiehaushalt des menschlichen Wirtes nachhaltig beeinflusst“, sagt Jumpertz von Schwartzenbergs Kollege Joachim Spranger.
Die Auswirkungen einer Diät untersuchte das Team bei 80 älteren Frauen mit leichtem bis starkem Übergewicht, die entweder durch eine sogenannte Formuladiät – mithilfe von Fertiggetränken mit weniger als 800 Kilokalorien pro Tag – unter ärztlicher Aufsicht abnahmen oder ihr Gewicht über den Zeitraum von 16 Wochen konstant hielten. Zu Beginn, während und nach der Diät analysierten die Forscher anhand von Stuhlproben die Darmflora der Probandinnen.
„Wir konnten beobachten, wie die Bakterien ihren Stoffwechsel umstellen, um vermehrt Zuckerverbindungen aufzunehmen, die dem Menschen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Man kann sagen, es entwickelt sich ein hungriges Mikrobiom“, beschreibt Jumpertz von Schwartzenberg. Zudem verringerte die Diät die Gesamtzahl der Mikroorganismen im Darm.
Diät-Stuhl lässt Mäuse abnehmen
Durchschnittlich nahmen die Probandinnen aus der Diätgruppe innerhalb von zwölf Wochen 12,5 Kilogramm ab. Um zu testen, inwieweit die Veränderungen der Darmflora die Gewichtsabnahme beeinflussen, übertrugen die Forscher Stuhlproben von Probandinnen vor und nach der Diät auf Mäuse, die keimfrei gehalten wurden und dadurch keine eigene Darmflora hatten.
Das Ergebnis: Tiere, die den nach der Diät entnommenen Stuhl erhielten, verloren innerhalb von nur zwei Tagen mehr als zehn Prozent ihres Körpergewichts. Innerhalb der folgenden drei Wochen stabilisierte sich das Gewicht auf niedrigerem Niveau, ohne dass die Mäuse Anzeichen einer Krankheit zeigten. Bei Mäusen, die den Stuhl von vor der Diät transplantiert bekamen, zeigten sich dagegen keine signifikanten Gewichtsveränderungen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich dieses Phänomen vor allem durch eine Veränderung der Nahrungsabsorption im Darm der Tiere erklären lässt“, erklärt Spranger. Obwohl alle Mäuse ähnlich viel Kalorien zu sich nahmen, schieden die mit dem Nach-Diät-Mikrobiom mehr Kalorien ungenutzt wieder aus. „Dies unterstreicht, dass Darmbakterien die Aufnahme der Nahrung maßgeblich beeinflussen“, so Spranger.
Krankenhauskeim als Abnehmhelfer?
Analysen der Bakterien im Stuhl der Probandinnen und der Mäuse ergaben, dass die Diät die Vermehrung des Bakteriums Clostridioides difficile fördert. Das Bakterium ist als Krankenhauskeim bekannt und kann schwere Entzündungen der Darmwand hervorrufen, kommt aber auch bei gesunden Menschen und Tieren vor. „Wir konnten außerdem nachweisen, dass C. difficile die für das Bakterium typischen Giftstoffe produzierte – davon hing sogar der Gewichtsverlust der Tiere ab“, erklärt Spranger. „Dennoch zeigten weder die Probandinnen noch die Tiere klinische Anzeichen einer Darmentzündung.“
Inwieweit die asymptomatische Besiedlung mit C. difficile die Gesundheit beeinträchtigt oder sogar fördern kann, ist bislang unklar. „Das muss nun in größeren Studien untersucht werden“, sagt Spranger. Die Ergebnisse könnten womöglich zu neuen Therapieoptionen für Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Diabetes führen. (Nature, 2021, doi: 10.1038/s41586-021-03663-4)
Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin
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