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Friday, September 24, 2021

Pocken-Vermehrung entschlüsselt: Warum Pocken so erfolgreich waren - Heilpraxisnet.de

Wie sich Pocken-Viren vermehren

Pockenviren haben in der Menschheitsgeschichte immer wieder für verheerende Epidemien gesorgt. Im 16. Jahrhundert sollen den Pocken die Hälfte bis 90 Prozent der indigenen Bevölkerung Amerikas zum Opfer gefallen sein. Heute gelten die Pocken als ausgerottet. Trotz zahlreicher Epidemien und Millionen von Todesfällen ist es erst jetzt gelungen, die Vermehrung der Viren nachzuvollziehen.

Forschende der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) konnten erstmals zeigen, wie es Pockenviren gelingt, ihre Gene im infizierten Organismus in Proteine zu übersetzen. Auf diese Weise konnte das Team den einzigartigen Weg der Vermehrung der Viren nachzuvollziehen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Structure and Molecular Biology“ präsentiert.

Pocken gelten seit 1980 als ausgerottet

Die letzte bekannte Infektion mit Pocken trat im Oktober 1977 in Somalia auf. Im Jahr 1980 erklärte die WHO die Pocken für ausgerottet. Heute existiert das Virus nach offiziellen Angaben nur noch zu Forschungszecken in zwei Hochsicherheitslaboren in Russland und in den USA. Zwar stellen die Pocken somit keine unmittelbare Bedrohung mehr für die Menschheit dar, für die Forschung sind die Viren jedoch noch von großem Interesse. Sie haben ungewöhnliche Vermehrungseigenschaften und modifizierte Stämme können sogar zur Behandlung von Krebs dienen.

Vermehrung von Viren

Wie das Forschungsteam berichtet, setzen die meisten Viren bei der Vermehrung auf die biochemische Ausstattung der Wirtszelle, die sie befallen. Pocken hingegen tragen ihre eigene molekulare Maschinerie für die Vermehrung in ihrem Genom. Zwei Enzyme sind nach Angaben der Forschenden dabei von besonderer Bedeutung: die DNA-Polymerase, die die viralen Gene vervielfältigt, sowie die RNA-Polymerase, die die viralen Gene in mRNA umwandelt.

Erstmals Vermehrung von Pocken nachvollzogen

Der Arbeitsgruppe um Utz Fischer am Biozentrum der JMU ist es nun erstmals gelungen, der Polymerase des Pockenvirenstammes Vaccinia auf atomarer Ebene bei der Arbeit zuzusehen. Die Polymerase ist notwendig für die Vermehrung der Erbinformation und eine Voraussetzung für die Zellteilung.

„Wir haben isolierte RNA-Polymerase mit einem Stück DNA gemischt, das das Startsignal für die Transkription viraler Gene, den Promoter, enthält“, erklärt Julia Bartuli, eine Expertin für Biochemie. „Das Enzym erkannte präzise dieses DNA-Element, und fing an mRNA herzustellen“, erläutert sie weiter. Mit Hilfe der gesammelten Daten konnten die Forschenden die dreidimensionale Struktur der Probe bis in die Größenordnung von Atomen unter Einsatz moderner Computertechnik rekonstruieren.

Die Pocken-Vermehrung als Filmaufnahme

„Wir haben zwar nur eine Probe im Mikroskop untersucht, aus dieser konnten wir aber insgesamt sechs unterschiedliche Polymerase-Komplexe rekonstruieren, die wir schließlich einzelnen Phasen des Transkriptionsprozesses zuordnen konnten“, fügt Clemens Grimm aus dem Forschungsteam hinzu. Die Einzelaufnahmen konnte die Arbeitsgruppe so zusammenfügen, dass die Transkription wie ein Film dargestellt werden kann.

Pocken sind immer noch eine potenzielle Bedrohung

Obwohl die Pocken als ausgerottet gelten, sind sie immer noch eine potenzielle Bedrohung für den Menschen. Eine zuverlässige Heilung für die Pocken wurde nie entdeckt. Der einzige Schutz bot die Impfung, die schließlich zur Ausrottung des Virus geführt hat. „Sollten bislang noch vorhandene Virusproben, beispielsweise durch einen terroristischen Anschlag, wieder verbreitet werden, würden sie auf eine Bevölkerung treffen, die keinen Impfschutz hat“, führt Fischer als Beispiel aus.

Auch als Zoonose, also als Infektionskrankheit, die von Tieren auf den Menschen überspringen, könnten Pocken zurückkehren, warnt Fischer. Bekannt seien seltene Fälle, bei denen sich Menschen mit Affen-Pockenviren infiziert haben. „Sollte eine solche Zoonose durch weitere Anpassungen an den menschlichen Wirt und eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung Fahrt aufnehmen, könnte eine gefährliche Epidemie entstehen“, betont der Studienleiter.

Computersimulation beschleunigen die Forschung

Die Entschlüsselung der Vermehrung bietet eine wichtige Grundlage, um die Genexpression der Viren zu hemmen. Für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten sei dies von großer Relevanz. Mit dem Wissen über die atomaren Strukturen der RNA-Polymerase in ihren verschiedenen Zuständen können Forschungsteams gezielt nach Hemmstoffe suchen. Dabei unterstützen Computersimulationen bei der Suche nach dem richtigen Wirkstoff und beschleunigen die Forschung ungemein – ein Ansatz der sich in heutigen Forschungsarbeiten immer weiter durchsetzt und von der klassischen Laborarbeit mit zeitaufwändigen Versuchen abweicht.

Pocken-Impfpflicht galt bis zum Jahr 1976

Viele Menschen in Deutschland, die vor dem Jahr 1976 geboren wurden, tragen heute noch eine sichtbare Narbe der Pockenschutzimpfung auf dem Oberarm. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es eine Impfpflicht gegen das Virus. Die Pockenimpfung gilt als einer der größten Erfolge des modernen Infektionsschutzes gegen Infektionskrankheiten. Die Impfung führte letztlich zur Ausrottung des Virus, der viele Millionen Menschenleben forderte. Es war bislang das einzige Mal in der Geschichte der Menschheit, dass die Ausrottung einer global verbreiteten Infektionskrankheit erklärt wurde.

Geschichte der Pockenimpfung

Vorläufer des Impfens gegen die Pocken gab es bereits im Altertum. Dabei wurde ein Stück Schorf von abgeheilten Pocken in kleine Wunden von gesunden und nicht-infizierten Personen gelegt, in der Hoffnung, so ernsthaften Verläufe vorbeugen zu können. Dieser Vorgang wurde als „Variolation“ bezeichnet und sogar bis ins 18 Jahrhundert in Krankenhäusern durchgeführt.

Der Brite Edward Jenner fand im Jahr 1796 heraus, dass Menschen vor schweren Pocken-Verläufen besser geschützt sind, wenn sie vorher mit dem harmloseren Erreger der Pferde- oder Kuhpocken in Kontakt kamen. Der Virus-Stamm, den Jenner verwendete, wurde unter dem Namen Vaccinia bekannt. Noch heute werden Impfstoffe als Vakzin bezeichnet – eine Namensableitung des ersten Pockenimpfstoffs. (vb)

Autoren- und Quelleninformationen

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.

Autor:

Diplom-Redakteur (FH) Volker Blasek

Quellen:

  • Julius-Maximilians-Universität Würzburg: Wie Pockenviren sich vermehren (veröffentlicht: 23.09.2021), uni-wuerzburg.de
  • Grimm, C., Bartuli, J., Boettcher, B. et al. Structural basis of the complete poxvirus transcription initiation process: in: Nature Struct Mol Biol (2021)., nature.com

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

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