Während der Corona-Pandemie sind mehr Kinder mit Diabetes Typ 1 behandelt worden als statistisch zu erwarten gewesen wäre. Das zeigt eine Studie der Universität Gießen. Die Ursachen sind allerdings noch unklar.
Kinder mit Diabetes Typ 1 sind keine Seltenheit
Diabetes Typ 1 ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. Allein in Deutschland leiden rund 32.000 Kinder und Jugendliche daran.
Beim Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Die Zellen der Bauchspeicheldrüse produzieren kein oder zu wenig Insulin. Fehlt das lebenswichtige Hormon, reguliert sich der Blutzuckerspiegel nicht wie gewohnt und ist dauerhaft erhöht. Das Problem: Ein zu hoher Blutzuckerwert greift die Gefäße an, schädigt Nerven und Organe.
Studie: Macht die Pandemie Kinder zuckerkrank?
Fachleute wissen, dass Autoimmunerkrankungen zusätzlich zur genetischen Veranlagung häufig ein besonderes Ereignis brauchen, damit sie ausbrechen – einen sogenannten Trigger also. Schon lange wird zudem vermutet, dass Virusinfektionen etwas mit dem Auftreten von Diabetes Typ 1 zu tun haben könnten.
Ob sich die Corona-Pandemie auf die Häufigkeit von Typ-1-Diabetes bei Kindern auswirkt, wollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen wissen. In einer multizentrischen Studie unter der Leitung des Kinderdiabetologen Dr. Clemens Kamrath werteten sie die Daten zur Häufigkeit von Neuerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen aus – und zwar von Januar 2020 bis Juni 2021. Diese vergleichen sie mit Erhebungen aus den Jahren 2011 bis 2019.
Vor allem mehr Kleinkinder mit Diabetes
Dabei zeigte sich, dass in den ersten eineinhalb Jahren der Pandemie insgesamt 5.162 Kinder und Jugendliche die Diagnose Diabetes Typ 1 erhielten. Das entspricht einer Inzidenz von 24,4 pro 100.000 Patientenjahre. Ausgehend von der Analyse der Vorjahre wäre jedoch nur eine Inzidenz von 21,2 zu erwarten gewesen. Das entspricht einem Anstieg von 15 Prozent gegenüber den Jahren 2011 bis 2019.
Besonders stark betroffen von der Erhöhung der Inzidenz waren Kleinkinder im Alter unter sechs Jahren. Bei ihnen stieg die Häufigkeit im gesamten Untersuchungszeitraum um 23 Prozent an, im ersten Halbjahr 2021 sogar um 34 Prozent.
Diabetes bei Kindern
Diabetes bei Kindern bleibt oft lange Zeit unentdeckt. Unbehandelt kann die Stoffwechselerkrankung jedoch lebensbedrohlich sein. Für Eltern ist es daher wichtig, dass sie die typischen Warnzeichen kennen und umgehend ärztlichen Rat einholen:
- ständiger Durst
- häufiges Wasserlassen
- Gewichtsabnahme
- stetige Müdigkeit
Ursachen sind noch unklar
Eine monatsspezifische Analyse ergab einen zeitlichen Zusammenhang mit den ersten drei Wellen der Pandemie: Rund drei Monate nach deren Höhepunkten zeigte sich jeweils ein besonders starker Anstieg der Diabetes-Inzidenz.
Da dem Gießener Team keine verlässlichen Daten dazu vorlagen, ob sich die betroffenen Kinder und Jugendlichen zuvor mit dem Coronavirus angesteckt hatten, konnte der direkte Zusammenhang zwischen SARS-CoV-2 und einer Diabeteserkrankung jedoch nicht näher untersucht oder gar nachgewiesen werden.
Dagegen spricht laut den Forschenden auch, dass der Anstieg des Diabetes-Inzidenz nach den einzelnen Wellen gleich verlief. Ganz anders die COVID-19-Fallzahlen. Die waren in der zweiten und dritten Welle deutlich höher als in der ersten. Das hätte sich zumindest theoretisch auch in den Fallzahlen der Kinder mit Diabetes widerspiegeln müssen.
Indirekte Folge der Pandemie?
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Kamrath halten es deshalb für möglich, dass sich die Pandemie auch indirekt auf die Enstehung von Diabetes ausgewirkt haben könnte.
So könnten der Lockdown mit geschlossenen Kitas und Schulen sowie die Kontaktbeschränkungen dazu geführt haben, dass sich Kinder und Jugendliche seltener andere Infekte einfingen. Ihr Immunsystem war deshalb schlechter trainiert als üblich. Das könnte die Entstehung von Diabetes Typ 1 begünstigen, so die Hypothese der Forschenden. Und es würde auch erklären, warum vermehrt kleinere Kinder mit Diabetes beobachtet wurden. Denn ihr Immunsystem ist noch nicht voll entwickelt und deshalb generell anfälliger.
Auch der Stress, den die Pandemie bei Kindern und Jugendichen verursacht hat, könnte eine Rolle spielen. Das zeigen frühere Studien. Aber auch das ist bis dato nur Spekulation.
Omikron könnte das Rätsel lösen
Fakt ist jedoch: Die Omikron-Welle wird zeigen, ob es einen direkten Zusammenhang gibt. Denn aktuell infizieren sich unzählige Kinder und Jugendliche mit dem Coronavirus, bisweilen ist sogar von Durchseuchung der Schulen und Kitas die Rede.
Ist SARS-CoV-2 tatsächlich der Trigger für eine Diabetes-Erkrankung, dann werden in den nächsten Monaten noch deutlich mehr Jugendliche und Kinder mit Diabetes behandelt werden müssen.
Corona: Mehr Kinder mit Diabetes? | „Bleib gesund!“ - Bleib gesund!
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