Das Vakzin gegen die Affenpocken darf in den USA wegen erwarteter Engpässe jetzt auch intradermal verabreicht werden. Deutsche Experten sehen das kritisch.
Frankfurt – Die Sorge unter Fachleuten ist groß, dass die Affenpocken auch in unseren Breiten endemisch werden, sollte es nicht gelingen, den aktuellen Ausbruch einzudämmen. Weltweit sind derzeit mehr als 31 000 Fälle bekannt, in Deutschland hat das Robert Koch-Institut (RKI) am Freitag 3102 gemeldet.
Wie in anderen Ländern betreffen die meisten Männer, die Sexualkontakte mit anderen Männern hatten, aber auch elf Frauen, drei Jugendliche und ein Kind sind darunter. Bei der Eindämmung der Infektionskrankheit setzen die Behörden vor allem auf die Impfung. Bislang steht mit „Imvanex“ allerdings nur das Vakzin eines einzigen Herstellers – des dänisch-deutschen Unternehmens Bavarian-Nordic – zur Verfügung.
Affenpocken in Deutschland: Es könnte zu Engpässen beim Impfstoff kommen
Und so deuten sich bereits Engpässe an. In Europa haben Großbritannien und Belgien einen Mangel an Impfstoff gemeldet, in den USA rechnet man damit. Dort hat die nationale Gesundheitsbehörde FDA deshalb nun grünes Licht dafür gegeben, das Vakzin intradermal in die Haut zu spritzen.
Üblicherweise wird der eingesetzte Lebendimpfstoff mit einem abgeschwächten Kuhpockenvirus zweimal in den Muskel injiziert. Eine Studie zu dem verwendeten Modified Vaccinia-Ankara-Virus kam jedoch zu dem Ergebnis, dass ein Fünftel der Standarddosis bei einer Gabe in die Haut einer Injektion in den Muskel immunologisch nicht unterlegen ist.
Der wahrscheinliche Grund: Die Haut enthält große Mengen an dendritischen Zellen, die dem Immunsystem besonders effektiv fremde Antigene (Erreger, Impfstoffe) präsentieren, an die sich dann Antikörper und T-Zellen binden können
Affenpocken-Impfstoff wird knapp - Impfungen in die Haut führen zu effektiveren Immunisierung
Intradermale Verabreichungen werden bereits praktiziert, so etwa bei der Impfung gegen Tuberkulose. Auch wurde bereits darüber nachgedacht, im Falle von Engpässen bei Influenza-Vakzinen in die Haut zu impfen. In einer Studie führte die intradermale Verabreichung eines Fünftels der normalen Dosis eines Grippevakzins zu einer vergleichbaren, teils sogar besseren Immunogenität. Allerdings kommt es nach Impfungen in die Haut meist zu stärkeren Impfreaktionen.
Den Bedarf an Affenpocken-Impfstoff durch eine Erhöhung der Produktionskapazität zu decken, scheint hingegen nicht realistisch zu sein. Wie Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie an der Technischen Universität München, sagt, sei der Impfstoff „leider nicht so ganz einfach zu produzieren“.
Sie regt an, die Auslizensierung an andere Hersteller zu diskutieren – und falls das nicht möglich ist, auf das fast identische Modified Vaccinia-Ankara-Virus zurückzugreifen, das in den 1970er Jahren in Bayern als Pockenschutzimpfung verabreicht wurde und das der Freistaat noch in kleinen Mengen eingelagert habe. Man könne es als Basis für die Affenpocken-Impfstoffe verwenden, „die man angesichts der weltweiten Ausbreitung ja benötigen wird. Nicht nur bei uns, sondern auch in Afrika, wo die Affenpocken ja schon seit fünf Jahren grassieren“.
Affenpocken breiten sich aus - im September werden weitere Impf-Dosen geliefert
Was den Vorstoß aus den USA für eine intradermale Impfung angeht, so ist Ulrika Protzer skeptisch, vor allem wegen der teils mehr als vier Wochen anhaltenden heftigen Hautreaktionen. Das wäre auch für die „Akzeptanz“ der Impfung „nicht gut“, meint sie.
Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln, hält die Spritze in die Haut „allein aus praktischen Gründen“ für „nicht umsetzbar. So sei bereits das Ziehen von fünf Spritzen aus der ohnehin geringen Menge in den Ampullen nicht so leicht zu bewältigen. Die Injektion selbst sei ein „noch größeres Problem“ und ohne spezielle Vorrichtungen technisch „ganz schön schwierig“. Es gebe „derzeit nur wenige Ärzte, die damit Erfahrung haben. „Alles in allem: Ich halte von dieser Idee sehr wenig.“
In Deutschland hat die Bundesregierung 240 000 Dosen „Imvanex“ bestellt, von denen zunächst 40 000 ausgeliefert worden sind. Laut Gesundheitsministerium seien außerdem aus Beständen der EU noch einige dazugekommen. Bis September werden weitere Impfstoff-Lieferungen erwartet. Die Deutsche Aidshilfe geht allerdings davon aus, dass rund eine Million Impfdosen benötigt werden, um einer halben Million Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko einen dauerhaften Schutz zu bieten.
Affenpocken - nicht genug Impfstoff für alle Menschem mit hohem Infektionsrisiko
Dazu zählen vor allem Männer, die Sex mit anderen Männern haben – schlicht deshalb, weil die Krankheit über infektiöse Hautstellen übertragen wird und das Risiko, damit in engen Kontakt zu kommen, in dieser Gruppe höher ist. Grundsätzlich kann sich aber jeder Mensch mit Affenpocken anstecken.
Infektiologe Gerd Fätkenheuer geht indes davon aus, dass die Impfung alleine nicht ausreichen wird, „um die derzeitige Ausbreitung der Affenpocken vollständig zu unterbinden“ – auch nicht in Deutschland, wo er wie die Aidshilfe von deutlich mehr Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko ausgeht als mit den bestellten Dosen geimpft werden können.
Es solle deshalb auf „breiter Basis“ Wissen vermittelt werden, „wie man sich verhalten kann, um die Infektion zu verhindern“, so Fätkenheuer. Diese Kampagne müsse so gestaltet werden, dass sie die Zielgruppe auch anspricht. „Hier ist meines Erachtens noch einiges zu tun.“ (Pamela Dörhöfer)
Affenpocken: Impfungen in die Haut könnten wirksam sein - fr.de
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