Gewusst? Rauchen verfärbt nicht nur die Zähne, sondern kann dem gesamten Mundraum schaden. Was eine Zigarette anrichten kann, erklärt der Zahnmediziner und Facharzt für Oralchirurgie Ralf Smeets im Interview.
Einfach unbeschwert lachen, das trauen sich Raucher oft nicht – denn Zähne und Zahnfleisch sehen meist alles andere als Weiß und Rosa aus. Doch Rauchen richtet im Mund noch viel mehr an, als nur die Ästhetik zu stören. Zigaretten mit ihren vielen hochriskanten Inhaltsstoffen haben massive Folgen nicht nur für Zähne und Zahnfleisch, sondern den gesamten Mundraum.
Welche Risiken bestehen und wie positiv sich deshalb ein Rauchstopp auswirkt, erklärt Ralf Smeets im Gespräch mit FOCUS Online. Der Professor ist stellvertretender Klinikdirektor an der Uniklinik Hamburg, der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) und Chef der Sektion Regenerative Orofaziale Medizin.
FOCUS Online: Können Sie beim ersten Blick in den Mund erkennen, ob jemand raucht?
Ralf Smeets: Das Ganze ist u.a. abhängig von der Dosierung. Raucht einer drei Zigaretten pro Tag, 20 oder über 30? Außerdem kommen viele persönliche Faktoren zum Tragen. Nikotin, aber auch Tee und Koffein verfärben die Zähne. Zusätzlich hängt die Gesundheit im Mundbereich auch davon ab, wie sich jemand ernährt, ob er Sport treibt, übergewichtig ist. Das alles miteinander zu vergleichen, ist sehr schwierig. Zusammengefasst aber steht fest: Beim Blick in den Mund eines Rauchers sehen wir Ablagerungen an den Zähne, Zahnverfärbungen, Veränderungen der Mundschleimhaut.
Was ist denn am Rauchen so schädlich für die Zähne? Welche Stoffe sind das im Rauch?
Smeets: Das sind eine Menge Substanzen. Wir sprechen von fünf großen Gruppen, die Zähne, Mund und Rachen schaden:
- Karzinogene, also krebserzeugende Stoffe, dabei Schwermetalle wie Cadmium, Benzol, Spuren von Polonium, aber auch Nitrosamine, Formaldehyde.
- Toxische Stoffe wie Kohlenmonoxid, Arsen, Blausäure.
- Neurotoxische Stoffe, wie das Nikotin selbst.
- Reizende Stoffe wie Ammoniak
- Zusatzstoffe
Tabakrauch enthält über 9.600 Substanzen, von denen über 90 das Erbgut verändern und damit Krebs begünstigen können. Pro Zigarettenzug werden 1.014 freie Sauerstoffradikale inhaliert. Und von durchschnittlich 860 Mikrogramm pro Zigarette gelangen 43 bis 103 Mikrogramm direkt über die Mundschleimhaut und beim "auf Lunge rauchen" in den Körper. Circa zehn bis 20 Sekunden nach dem Inhalieren erreicht das Nikotin das Gehirn und löst den Effekt aus. Nach etwa zwei Stunden ist die Hälfte des Nikotins zu Abbauprodukten verstoffwechselt worden.
Die Inhaltsstoffe von Zigarettenrauch belasten übers Blut den ganzen Körper. Doch welche Folgen haben sie für die Zähne, was richten sie dort an?
Smeets: Zigarettenrauch macht nicht nur Verfärbungen und Ablagerungen an den Zähnen. Rauchen führt dazu, dass sich die Blutgefäße im Weichgewebe zusammenziehen, die Durchblutung verschlechtert sich, die Immunreaktion verändert sich. Und ganz entscheidend sind zwei Faktoren:
- Rauchen verändert den Biofilm, also seine Bakterienzusammensetzung und das begünstigt Zahnbelege.
- Außerdem verändert Rauchen die Zusammensetzung des Speichels. Das wiederum vermindert u.a. die Mineralisation der Zähne, was dem Zahn schadet. Denn die Inhaltsstoffe des Speichels – darunter Mineralstoffe – sind wichtig für die Zahngesundheit. Deshalb kann zum Beispiel Kaugummikauen etwa vor Karies schützen, weil es die Speichelbildung anregt. Und mehr Speichel ist unter anderem gut für Remineralisationsprozesse.
Das alles ist allerdings sehr schwierig zu messen und die zugrundeliegenden Mechanismen aufzudecken – vor allem auch die Tatsache, dass Plaques an den Zähnen von Rauchern anders bzw. stärker haften als an denen von Nichtrauchern. Das hat vermutlich mit der veränderten Zusammensetzung des Speichels zu tun. Hier gibt es noch Forschungsbedarf.
Gewusst? So schnell erholt sich der Körper nach dem Nikotinstopp.
Wie wirksam gegen Verfärbungen und Beläge sind Zahnweiß-Produkte speziell für Raucher?
Smeets: Ganz ehrlich: Oft wird Aktivkohle empfohlen, spezielle Zahnpastas, etwa mit Tonerde oder Backsoda. Das basiert letztlich auf abrasiven Elementen, die die Ablagerungen "wegscheuern" sollen. Außerdem gibt es Mundspüllösungen gegen Verfärbungen, oder spezielle Floss. Doch das funktioniert kaum, es funktioniert ja nicht mal beim Nichtraucher.
Vielleicht haben die Produkte einen gewissen Effekt, aber alle Beläge bekommen Sie damit nicht weg – und Mikroverletzungen im Zahnschmelz sind möglich. Empfehlenswert dagegen ist eine professionelle Zahnreinigung (PZR) in der Zahnarztpraxis. Nicht nur um die Verfärbungen zu minimieren, sondern vor allem um eine stabile Zahngesundheit herzustellen und zu unterstützen.
Welche Folgen hat Rauchen fürs Zahnfleisch?
Smeets: Hier wissen wir schon ziemlich viel: Raucher haben ein signifikant erhöhtes Risiko für Entzündungen um Implantate herum, also Periimplantitis. Die Flüssigkeit zwischen Weichgewebe und Zahn bzw. Implantat im sogenannten Sulcus, der Zahnfleischfurche, ist bei Rauchern verändert. Sie enthält mehr Pyridinolin als Zeichen des Knochenabbaus. Wir sehen also mehr Weichgewebsentzündung, schlechtere Durchblutung, mehr Infektionen. Das Zahnfleisch ist verfärbt, wirkt grau. Der röntgenologisch feststellbare Knochenabbau an Implantaten ist bei Rauchern gegenüber Nichtrauchern signifikant erhöht.
Raucher haben allgemein öfter Parodontitis als Nichtraucher.
Smeets: Ja, denn es gibt mehr bakterielle Zahnbelege, also Plaque, schlechtere Durchblutung und dann auch Zahnfleischentzündungen. Wenn man diese Plaques nicht regelmäßig entfernen lässt, gibt es noch mehr Entzündungen. Das ist ein Teufelskreis. Allerdings gibt es dabei auch ein Problem.
Das wäre?
Smeets: Diese Blutungsneigung als Anzeichen einer Entzündung testet ja auch der Zahnarzt, indem er die Zahnfleischrändern mit einer Sonde berührt. Das nennt sich kurz BOP, Bleeding-on-Probing. Allerdings ist die Durchblutung bei Rauchern ja vermindert, was dazu führen kann, dass trotz Parodontitis kein Blut austritt. Zahnärzte wissen das, doch manchmal wird Parodontitis wegen dieses fehlenden Entzündungsnachweises erst spät behandelt.
Und Raucher, die meinen, kein Zahnfleischproblem zu haben, weil sie kein Zahnfleischbluten haben, könnten sich irren.
Smeets: Korrekt. Tatsache ist: Raucher erkranken 2,5- bis 6-mal so häufig an Parodontitis und verlieren deutlich früher Zähne als Nichtraucher. Raucher, die mehr als zehn Zigaretten pro Tag konsumieren, scheinen einen negativen Effekt auf das erzielbare Regenerationsergebnis zu haben. Also: Mehr als zehn Zigaretten pro Tag hat deutliche negative Effekte, wie Studien zeigen.
Zahnfleischbluten beim Zähneputzen? Das könnte ein Anzeichen für eine Parodontitis sein!
Zahnausfall bedeutet, nicht nur das Zahnfleisch hat sich zurückgezogen, sondern auch der Knochen abgebaut – also eine Folge des Rauchens?
Smeets: Ja, diese Zusammenhänge sind klar bewiesen. Ursache sind die genannten Faktoren – andere Speichelzusammensetzung, anderer Biofilm, schlechtere Durchblutung und mehr Entzündungen. Damit schwindet auch Knochengewebe.
Rauchen hat insgesamt massive Folgen für die gesamte Mundhöhle, betrifft also weit mehr als nur die Ästhetik.
Smeets: Rauchen ist ein wichtiger Risikofaktor für Tumore in Mund und Rachen. Auch wenn dabei vieles zusammenspielt, man weiß nicht ganz genau, was alles die Gründe für eine Krebserkrankung waren. Oft wird dann ja argumentiert: Manche Raucher, die an Krebs erkranken, haben oft noch andere Noxen – ernähren sich zum Beispiel ungünstig, sind übergewichtig, trinken Alkohol, oder Viren wie HPV und EBV liegen vor, oder die Betroffenen sind berufsbedingten Risiken ausgesetzt. All das ist richtig. Aber wir wissen auch, dass es weltweit pro Jahr 600.000 Neuerkrankungen von Mund- und Rachenraum gibt, in Deutschland rund 10.700. Vier von fünf Krebs-Patienten sind Raucher.
Ich persönlich finde, das ist sehr viel. Studien zeigen eindeutig, Raucher haben im Vergleich zu Nichtrauchern ein sieben- bis zehnfach erhöhtes Risiko für ein Plattenepithel-Karzinom. Das ist die Krebsform, die wir im Mund-Rachen sehr häufig sehen. Das Risiko steigt nochmals um das Doppelte, wenn Sie mehr als 20 Zigaretten pro Tag rauchen. Eindeutig das Hauptkarzinogen für die Entwicklung eines Plattenephitelkarzinoms ist der Konsum von Nikotin und Alkohol.
Beides verstärkt sich gegenseitig in seiner karzinogenen Wirkung.
Smeets: Wenn Raucher zusätzlich Alkohol trinken, erkranken sie 15 Jahre früher als Nichtraucher und Nichttrinker und haben zusätzlich noch eine schlechtere Prognose, was ebenfalls aus Studien bewiesen ist. Man sollte sich bewusst machen, dass Alkohol eine Noxe ist, also einen eindeutig negativen Einfluss auf den Organismus hat, und im Rauch die anfangs angesprochenen Tausende hochgefährliche Stoffe.
Wie ist das mit den Alternativen für Zigaretten, etwa E-Zigaretten und Verdampfern?
Smeets: E-Zigaretten und Tabakerhitzer oder Heat-Not-Burn-Produkte (HNB) sind eine tolle Entwicklung, aber es gibt Unterschiede. Tabakerhitzer verbrennen den Tabak nicht, sondern verdampfen ihn, dabei erhitzen sie ihn auf rund 350 Grad.
E-Zigaretten und andere Tabakprodukte bringen es auf Temperaturen um die 800 Grad. Da wird klar, dass HNB-Produkte viel weniger Schadstoffe enthalten. Doch auch die Tabakerhitzer sind schädlich, obwohl sie keinen Rauch und keine Asche produzieren.
Helfen sie beim Ausstieg aus dem Rauchen?
Smeets: Wer seinen Zigarettenkonsum reduzieren möchte oder richtig aufhören, versucht das oft mit Nikotinpflaster oder Nikotinkaugummi. Doch das hilft oft nicht allein, deshalb steigen viele um auf E-Zigaretten und Tabakerhitzer, weil sie weniger schädlich sind – trotzdem sind sie nicht unschädlich.
Und gerade für Jugendliche können sie der Einstieg ins Rauchen sein – zuerst die E-Zigarette, aber plötzlich wollen sie dann doch eine "echte" Zigarette probieren und bleiben dann manchmal dabei. Bei den 12- bis 13-Jährigen zum Beispiel sind E-Zigaretten stärker verbreitet als herkömmliche Zigaretten. Es folgt ein "Einüben eines ähnlichen Habitus". Insgesamt gibt es noch zu wenig Daten über diese Alternativ-Zigaretten.
Diese drei Dinge verändern sich sofort, wenn du Zigaretten aus deinem Alltag verbannst.
Wie schnell kommen denn die Schäden, wenn jemand raucht?
Smeets: Dazu gibt es kaum Studien. Schäden kommen relativ schnell, etwa an der Schleimhaut. Doch welche Stoffe im Rauch das vor allem sind, lässt sich kaum feststellen. Noch dazu, weil viele Raucher Komorbiditäten aufweisen – Übergewicht, schlechte Ernährung, Alkohol. Deshalb lässt sich nicht sagen: Wenn du zu rauchen anfängst, hast du nach acht Tagen eine kaputte Mundschleimhaut.
Und wie schnell verschwinden Schäden wieder mit dem Rauchstopp und gibt es Langzeitschäden?
Smeets: Jemand, der aufhört zu rauchen, ändert meist auch andere Gewohnheiten – er ernährt sich etwa gesünder, treibt mehr Sport. Deshalb kann man schlecht sagen, welche Rolle der Rauchstopp spielte. Es ist also multifaktorell. Systematische Studien sind deshalb kaum möglich. Fest steht jedoch, dass man meist drei, vier Wochen nach dem Rauchstopp sieht, dass es der Schleimhaut besser geht.
Auch die Zähne sehen dann wieder besser aus?
Smeets: Ja, eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung, Zahnarzt-Check und sorgfältige Zahnpflege vorausgesetzt.
Was ist Ihr Rat an alle Raucher?
Smeets: Zusätzlich nach dem Rauchen Zähne putzen, Kaugummis, eventuell Lightening-Produkte nutzen, auch wenn das nicht die perfekte Lösung ist. Leben Sie vernünftig, versuchen Sie, generell mit dem Rauchen aufzuhören. Sie haben die Zahlen gehört: Rauchen ist ein unglaublich hoher Risikofaktor für Krebs. Der Rauchstopp wirkt sich auf die gesamte Gesundheit aus – u.a. die Lungenfunktion verbessert sich. Wie wichtig das ist, hat uns Covid gezeigt.
Fazit: Man bekommt durch den Rauchstopp viel mehr als nur weißere Zähne. Denn die bis zu 9600 Schadstoffe im Tabakrauch wirken nicht nur im Mund, sondern zirkulieren mit dem Blut im ganzen Körper – von denen über 90 Schadstoffe Veränderungen des Erbgutes und damit die Entwicklung von Krebs begünstigen können.
Wer den kompletten Rauchstopp, der ja bekanntlich schwer ist, nicht schafft, kann in einem ersten Schritt zumindest versuchen, weniger zu rauchen oder auf E-Zigaretten, Verdampfer und Tabakerhitzer umzusteigen. Sie sind nicht unschädlich, setzen dem Körper aber weniger zu als die herkömmlichen Zigaretten.
Zahnmediziner erklärt: Darum profitiert nicht nur deine Lunge vom Rauchstopp - BUNTE.de
Read More
No comments:
Post a Comment