Der menschliche Körper ist auf bakterielle Organismen angewiesen, die etwa bei der Verdauung helfen und das Immunsystem mitprägen. Ihre Gesamtheit wird Mikrobiom genannt, in den vergangenen Jahren schenkten Wissenschaftler ihm viel Aufmerksamkeit. Nun berichtet ein Team um Wouter de Steenhuijsen Piters vom Uniklinikum Utrecht in der Fachzeitschrift „Cell Host & Microbe“ von Forschungsergebnissen zur Frage, wie Bakterien von Müttern auf ihre Kinder übertragen werden.
Speziell verglichen die Forscher natürliche, vaginale Geburten mit Kaiserschnitten, bei denen die Kinder nicht mit Bakterien im Geburtskanal in Kontakt kommen – das war als ein möglicher Grund für die leicht erhöhten Risiken von Kaiserschnittgeborenen für Asthma oder Übergewicht vermutet worden.
Das Team untersuchte mittels Genanalysen die Bakterienzusammensetzung in Proben von 120 Mutter-Kind-Paaren, die an verschiedenen bakteriellen „Nischen“ genommen worden waren: etwa im Nasenrachenraum, auf der Haut und im Stuhl, bei Müttern außerdem in der Milch und der Vagina. Bei den Babys nahmen sie teils mehrere Proben über den ersten Monat nach der Geburt.
Mikrobiom ist direkt nach der Geburt am ähnlichsten
Laut den Analysen des Forscherteams können knapp 60 Prozent der Zusammensetzung des Mikrobioms der Kinder über das der Mütter erklärt werden; es ist bekannt, dass auch die Väter, Geschwister oder die sonstige Umwelt eine Rolle spielen können. Bei den rund 40 Prozent per Kaiserschnitt geborenen Kindern, deren Proben im Rahmen der Studie untersucht wurden, fanden sie im Stuhl geringere Übertragungen von Mikroben von Müttern zu ihren Kindern – hingegen fanden sich Bakterien aus der Muttermilch häufiger bei diesen Kindern als bei vaginal entbundenen.
Direkt nach der Geburt war sich das Mikrobiom zwischen Müttern und Kinder am ähnlichsten, danach entwickelt sich das der Babys auf eigene Weise weiter. Auch die Existenz von Geschwistern spielte bei der Bakterienzusammensetzung eine Rolle, doch die Art der Geburt sowie der Fütterung der Neugeborenen hatten einen deutlich größeren Einfluss.
„Es handelt sich hierbei um eine sehr fundierte Studie“, erklärt der an dieser nicht beteiligte Kinderarzt Christoph Härtel vom Universitätsklinikum Würzburg gegenüber dem Science Media Center. Damit durch Kaiserschnitt geborene Kinder mit Bakterien ihrer Mütter in Kontakt kommen, werden sie teils nach der Geburt mit Vaginalsekret in Verbindung gebracht. Ob dies in Bezug auf Erkrankungsrisiken einen positiven Effekt hat, sei seines Wissens nach noch nicht bewiesen, sagt Härtel, gleichzeitig berge dies auch Risiken.
„Nun kommen erste wissenschaftliche Hinweise, dass Stillen und Kuscheln einen ähnlichen Effekt auf das Mikrobiom haben kann – neben vielen anderen positiven Effekten“, sagt der Pädiater. Die neuen Daten zeigten, dass Kaiserschnittkinder sehr stark vom Stillen profitieren. Und der Kontakt mit der Haut der Mutter beim Kuscheln, über den gleichfalls Bakterien auf das Kind übertragen werden, sorge für eine höhere Diversität dieses reifenden Ökosystems, die ihrerseits schützend wirke.
Verschiedene Wege führen offenbar zu gesundem Mikrobiom
Es gebe jedoch noch viele offene Fragen – etwa wie die Bakterien im Darm untereinander und mit dem Hirn kommunizieren. „Unterm Strich kann man wohl nicht sagen, dass man alle Probleme nur durch das Stillen lösen kann“, sagt Härtel – auch wenn es die Darmbesiedelung günstig beeinflussen könne und Kaiserschnittkinder eben auf anderen Wegen als vaginal entbundene Babys ein gesundes Mikrobiom bekommen könnten.
Ähnlich bewertet auch Bernhard Resch von der Medizinischen Universität Graz die Ergebnisse. Von der Natur wäre es sicher nicht vorgesehen, nur einen Weg für die Besiedelung mit Bakterien einzuplanen, sagt er. „Es erscheint mir sehr viel attraktiver, nach einem Kaiserschnitt das Kind an den Busen zu legen, als ihm mit einem vaginalsekretgetränkten Tuch ins Gesicht zu wischen“, erklärt Resch.
Nach Kaiserschnitt: Kuscheln und Stillen fürs Mikrobiom - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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