Der Arzneimittelhersteller Pfizer hat neue Studienergebnisse präsentiert, die die Wirksamkeit einer Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) bestätigen. Der bivalente Impfstoff soll Schwangeren zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche verabreicht werden. Die schützenden Antikörper werden daraufhin über die Plazenta und später über die Muttermilch an das Baby weitergegeben – das Verfahren wird als »maternale Immunisierung« bezeichnet.
Das RS-Virus führt wie die Grippe jedes Jahr zu Atemwegserkrankungen. Fast jedes Kind macht die Infektion innerhalb seiner ersten beiden Lebensjahre durch. Bei älteren Säuglingen und Kleinkindern ist das Virus die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisungen wegen Entzündungen von Lunge, Bronchien oder anderen Teilen der unteren Atemwege. Je geringer das Alter eines Kindes beim ersten Kontakt mit dem Virus ist, desto größer ist das Risiko für einen schweren Verlauf.
In den nun veröffentlichten Zwischenergebnissen einer Phase-III-Studie erhielten etwa 3600 Schwangere den Impfstoff, ebenso viele bekamen zur Kontrolle ein sogenanntes Placebo, also eine Scheinimpfung ohne Wirkstoff. Anschließend wurde untersucht, ob bei den behandelten Frauen Nebenwirkungen auftraten und ob es bei den Kindern nach 90 beziehungsweise 180 Tagen nach der Geburt zu »schweren RSV-assoziierten Erkrankungen der unteren Atemwege« kam.
Laut der aktuellen Studie gibt es derzeit keine Sicherheitsbedenken – in der Gruppe der Geimpften traten nicht signifikant mehr »unerwünschte Ereignisse« auf als in der Placebogruppe. Eine gute Nachricht, vor allem vor dem Hintergrund, dass der Hersteller GSK im vergangenen Jahr eine Studie mit einem ähnlichen Impfstoffkandidaten pausieren musste , weil offenbar Nebenwirkungen aufgetreten waren.
Impfung ist »immunologisch anspruchsvoll«
Ebenso bestätigen die Daten die Wirksamkeit der Pfizer-Impfung gegen eine schwere Erkrankung der Babys. Ein Schutz vor milderen RSV-bedingten Erkrankungen der unteren Atemwege konnte hingegen nicht belegt werden. Bei dem Impfstoffkandidaten »RSVpreF« handelt es sich um eine Vakzine auf Basis des sogenannten Fusionsproteins. Dieses ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Virus in die Zellen eindringen kann. RSVpreF soll gegen beide Subtypen des RS-Virus wirksam sein.
Bei der Interpretation der Studienergebnisse gibt es jedoch auch Einschränkungen. So wurden nur gesunde Frauen mit einer unkomplizierten Schwangerschaft in die Studie eingeschlossen. Auf Risikoschwangerschaften ließen sich die Ergebnisse laut dem pädiatrischen Infektiologen Roland Elling daher nicht übertragen. Außerdem sei es nach den Erfahrungen mit dem Kandidaten von GSK wichtig, das »Sicherheitsprofil weiterhin kritisch zu betrachten«, sagt der Arzt vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg.
Eine wichtige Einschränkung sei zudem, dass die Studie während der Restriktionen der Covid-19-Pandemie zwischen Juni 2020 und Oktober 2022 durchgeführt wurde. Aufgrund der Beschränkungen habe es in diesem Zeitraum sehr wenige RSV-Infektionen gegeben. »In der Studienkohorte traten bis zu einem Zeitraum von 180 Tagen insgesamt 174 RSV-Infektionen auf – 57 bei Geimpften, 117 in der Placebogruppe«, sagt Elling.
Aufgrund der Saisonalität der RSV-Wellen ist die Impfung laut Elling zudem »immunologisch anspruchsvoll«. Für ein Kind, das während der RSV-Saison auf die Welt komme, müsse die Impfung ab den ersten Lebenstagen effektiv sein. Auf der anderen Seite benötigten Kinder, die außerhalb der Saison auf die Welt kommen, unter Umständen erst nach einem halben Jahr die höchste Schutzwirkung.
»Es kann also sein, dass wir für eine optimale Effektivität differenzierte Impfstrategien entwickeln müssen, die je nach Geburtsdatum der Kinder und individuellen Risikoprofilen unterschiedlich sein können.« Zusammenfassend bewertet Elling die Ergebnisse positiv – auch, wenn man die Daten sehr vorsichtig interpretieren müsse. »Könnte man wirklich die Hälfte aller krankenhauspflichtigen RSV-Infektionen von Säuglingen im ersten Lebenshalbjahr verhindern, wäre das nach allen bisher nicht geglückten Versuchen einer RSV-Impfung für das Säuglingsalter ein wichtiger Erfolg.«
Bislang existieren weder Medikamente noch Impfstoffe gegen RSV. Die einzige Möglichkeit, einer Infektion medikamentös vorzubeugen, ist eine sogenannte passive Impfung. Dabei werden Kindern per Infusion Antikörper verabreicht. Da die Behandlung sehr aufwendig ist, ist sie Hochrisikopatienten mit etwa chronischen Lungenerkrankungen oder angeborenen Herzfehlern vorbehalten. Laut Robert Koch-Institut treten RSV-bedingte Atemwegserkrankungen weltweit mit einer Inzidenz von 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1000 Kinder im ersten Lebensjahr auf. Nach Schätzungen, die im Fachjournal »The Lancet« veröffentlicht wurden , starben im Jahr 2019 weltweit mehr als 100.000 Kinder an den Folgen einer Infektion.
RSV: Pfizer stellt neue Studienergebnisse seines Impfstoffs vor - DER SPIEGEL
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