Nach einer Organtransplantation wird das Immunsystem des Empfängers mit Medikamenten unterdrückt, damit es das neue Organ nicht abstößt. Die bisherigen Mittel haben allerdings schwerwiegende Nebenwirkungen. Nun haben Forschende einen neuen monoklonalen Antikörper entwickelt, der die Abstoßung gezielt verhindert, dabei aber weniger Nebenwirkungen aufweist. Erste Tests an Primaten verliefen erfolgreich. Weitere Studien sollen zeigen, ob der Antikörper für den Einsatz bei Menschen geeignet ist.
Organtransplantationen sind nur möglich, wenn die natürlich auftretende Abstoßungsreaktion des Immunsystems unterdrückt wird. Andernfalls würde es das neue Organ als fremd identifizieren und eine Entzündungsreaktion einleiten, die das Organ so schwer schädigt, dass es unbrauchbar wird. „Die derzeitigen Medikamente zur Verhinderung von Organabstoßungen sind insgesamt gut, aber sie haben viele Nebenwirkungen“, erklärt Imran Anwar von der Duke University in Durham. „Diese Therapien unterdrücken das Immunsystem und setzen die Patienten dem Risiko von Infektionen und Organschäden aus. Viele verursachen zudem nicht-immunbedingte Komplikationen wie Diabetes und Bluthochdruck.“
Erste Versuche fehlgeschlagen
Auf der Suche nach nebenwirkungsärmeren Alternativen fokussieren sich Forschende auf spezifische Schlüsselpunkte des Immunsystems. Einer davon ist der Rezeptor CD40, der auf den antigenpräsentierenden Zellen sitzt. Diese Zellen besitzen die Fähigkeit, spezifische Proteinmerkmale von Krankheitserregern oder anderen körperfremden Zellen aufzunehmen und sie den T-Zellen und anderen Akteuren des Immunsystems zur Wiedererkennung zu „zeigen“. Bei Kontakt mit einer solchen antigenpräsentierenden Zelle binden aktivierte T-Zellen mithilfe eines Protein namens CD40-Ligand an diesen Rezeptor und leiten so eine Abstoßungs- und Entzündungsreaktion ein.
Schon früher haben Forschende versucht, diesen Liganden mit Hilfe von monoklonalen Antikörpern zu blockieren und so die Abstoßung von transplantierten Organen zu verhindern. Tatsächlich hatte sich einer dieser Antikörper in vorklinischen Studien als so erfolgreich erwiesen, dass er bereits an menschlichen Probanden getestet wurde. Die klinischen Studien mussten allerdings abgebrochen werden, da viele menschliche Versuchspersonen Thrombosen entwickelten. Grund dafür war, dass der Antikörper auch an ein anderes Ziel band, den sogenannten Fc-gamma-Rezeptor auf den Blutplättchen. Auf diese Weise förderte er die Entstehung von Blutgerinnseln.
Vielversprechende Ergebnisse bei Makaken
Anwar und sein Team haben den Antikörper nun so modifiziert, dass er weiterhin gegen den CD40-Linganden wirkt, aber nicht mehr an den Fc-gamma-Rezeptor bindet. Dem neu gestalteten Antikörper gaben sie den Namen AT-1501. „Wir haben AT-1501 mit dem Ziel entwickelt, das Risiko für Thrombosen zu vermeiden“, schreiben die Forschenden. Nachdem sie zunächst im Labor nachgewiesen hatten, dass der neue Antikörper tatsächlich nur die erwünschten und nicht die unerwünschten Bindungseigenschaften aufweist, testeten sie ihn an lebenden Primaten. Für die Versuche führten sie bei vier Makaken eine Nierentransplantation durch und behandelten sie im Anschluss mit AT-1501.
Das Ergebnis: „Die AT-1501-Infusionen wurden gut vertragen und es wurden keine unerwünschten Nebenwirkungen festgestellt, auch keine Komplikationen mit Thrombosen“, berichtet das Team. Einer der vier Affen musste 56 Tage nach der Transplantation wegen einer Abstoßungsreaktion eingeschläfert werden. Die übrigen drei Tiere überlebten jedoch bis zum Endpunkt der Studie drei Monate nach der Transplantation und zeigten nur minimale Anzeichen einer Entzündungsreaktion. Nach drei Monaten wurden die Tiere getötet, um das transplantierte Organ genau zu untersuchen. „Tatsächlich zeigten sich auch bei der Gewebeuntersuchung keinerlei Anzeichen für eine Abstoßungsreaktion“, berichten die Forschenden.
Bereit für Studien am Menschen
Ähnlich vielversprechende Ergebnisse erzielten Anwar und sein Team bei einer weiteren Gruppe von Makaken, denen sie Inselzellen der Bauchspeicheldrüse transplantierten. Hier konnte AT-1501 allein die Abstoßung zwar nicht verhindern, wohl aber in Kombination mit gängigen Immunsuppressiva. Im Vergleich zu einer Behandlung mit Immunsuppressiva ohne AT-1501 verbesserte der neue monoklonale Antikörper zudem die Funktionsfähigkeit der transplantierten Inselzellen. Nebenwirkungen waren seltener als in der Kontrollgruppe.
„Diese Daten belegen, dass AT-1501 ein sicheres und wirksames Mittel ist, um das Überleben und die Funktion von Inselzell- und Nierentransplantaten zu fördern. Das ermöglicht es uns, sofort in klinische Studien einzusteigen“, sagt Anwars Kollege Allan Kirk. „Dieser weniger toxische Ansatz wird seit über 20 Jahren verfolgt und ich denke, wir sind endlich an einem Wendepunkt angelangt. Dies könnte ein großer Fortschritt für Menschen sein, die eine Organtransplantation benötigen.“ Voraussetzung dafür ist, dass sich AT-1501 auch in Studien an Menschen als wirksam erweist und keine bislang unentdeckten schwerwiegenden Nebenwirkungen verursacht.
Quelle: Imran Anwar (Duke University School of Medicine, Durham, USA) et al., Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.adf6376
Antikörper könnte Transplantationen erleichtern - wissenschaft.de
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