Eine Geburt ist für Mütter und Babys eine Herausforderung. Eine Studie zeigt nun, wie das Sterberisiko bei Frühchen direkt nach der Geburt verringert werden kann.
Frühgeborene haben ein deutlich geringeres Sterberisiko, wenn die Nabelschnur erst 30 oder mehr Sekunden nach der Geburt abgeklemmt wird. Das zeigen die Ergebnisse zweier im Fachjournal Lancet vorgestellter Studien. Ein Abwarten von zwei oder mehr Minuten bis zum Abklemmen ist demnach mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das Verfahren der Wahl, um bei Frühgeborenen den Tod kurz nach der Geburt zu verhindern.
"Weltweit werden jedes Jahr fast 13 Millionen Babys zu früh geboren, und leider sterben fast eine Million kurz nach der Geburt ", sagte Studienleiterin Anna Lene Seidler von der University of Sydney. Die neuen Ergebnisse zeigten, dass das Abwarten vom Durchtrennen der Nabelschnur das Leben eines Teils dieser Babys retten könne. Bei regulär geborenen Babys sei es längst Routine, die Nabelschnur erst nach ein bis zwei Minuten abzuklemmen, erläutert das Forschungsteam um Seidler. Für Frühgeborene sei bisher unsicher gewesen, ob dies von Vorteil sei.
Forschende analysieren Daten zu 3292 Frühgeburten
In Deutschland steht bisher keine konkrete Zeitvorgabe in den Leitlinien, wie Richard Berger, Sektionssprecher Frühgeburt bei der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) erklärte. Gängiges Vorgehen sei bereits, mindestens eine Minute abzuwarten. In vielen Perinatalzentren gebe es einen speziellen fahrbaren Tisch mit Reanimationseinheit und Wärmelampe, der die unmittelbare Versorgung von Frühgeborenen noch vor dem Abnabeln ermögliche. Den Babys noch einige Minuten Zeit zu geben, schaffe einen sanfteren Übergang und vermindere die Rate an Hirnblutungen und erforderlichen Bluttransfusionen, sagte Berger, Chefarzt der Frauenklinik am Marienhaus Klinikum Bendorf–Neuwied–Waldbreitbach.
Wird die Nabelschnur nicht sofort abgeklemmt und durchtrennt, fließt weiter Blut von der Plazenta zum Baby, während sich die Lunge des Babys mit Luft füllt, wie das Forschungsteam um Seidler erläutert. Dies erleichtere den Übergang zur Atmung und verringere möglicherweise das Risiko eines Eisenmangels beim Säugling. Die Forschenden hatten in ihre Metaanalyse die Ergebnisse aus 21 Studien einbezogen, die Daten zu 3292 Frühgeburten enthielten.
Experten halten Aufschub um zwei Minuten für die beste Strategie bei Frühchen
Der Auswertung zufolge sterben Frühgeborene, deren Nabelschnur 30 Sekunden oder länger nach der Geburt abgeklemmt wird, seltener vor Verlassen des Krankenhauses als solche, bei denen das sofort nach der Geburt geschieht. Von den Säuglingen mit späterer Abnabelung starben sechs Prozent vor Verlassen des Krankenhauses, von den Babys mit sofort durchtrennter Nabelschnur acht Prozent. Eine zweite, begleitende Metaanalyse von 47 Studien mit 6094 Babys berücksichtigte drei Zeiträume: eine Abnabelung nach 15 bis 45 Sekunden, nach 45 bis 120 Sekunden und nach 120 oder mehr Sekunden.
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Die Daten lassen dem Team zufolge darauf schließen, dass ein Abwarten von mindestens zwei Minuten vor dem Abklemmen das Sterberisiko deutlicher verringern kann. "Bis vor Kurzem war es gängige Praxis, die Nabelschnur bei Frühgeborenen sofort nach der Geburt abzuklemmen, damit sie problemlos getrocknet, gewickelt und gegebenenfalls wiederbelebt werden konnten", erläuterte Mitautor Sol Libesman von der University of Sydney. Dieses Vorgehen sei nicht gerechtfertigt. Stattdessen sei ein Aufschub um zwei Minuten die beste Strategie. Es sei sinnvoll, in Kliniken ein Prozedere auszuarbeiten, um eine solche Spanne zu gewährleisten und das Baby in dieser Zeit dennoch warm und gut versorgt zu halten.
Babys sollen mit intakter Nabelschnur abgetrocknet und gewärmt werden
"Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass bei Frühgeborenen, bei denen das Abklemmen der Nabelschnur aufgeschoben wird, besonders darauf geachtet werden sollte, dass sie warm bleiben", erklärte Hauptautorin Lisa Askie von der University of Sydney. Das Baby könne dafür mit intakter Nabelschnur abgetrocknet, eingewickelt und auf die nackte Brust der Mutter unter eine Decke gelegt werden. Alternativ könne ein Wärmewagen direkt am Bett zum Einsatz kommen.
In einem Kommentar zur Studie lobt Stephen Wood von der University of Calgary die Durchführung der Datenanalysen. Es handle sich um sehr sorgfältig durchgeführte Meta-Analysen. "Diese Ergebnisse werden wahrscheinlich in die Entwicklung von klinischen Leitlinien und Behandlungsempfehlungen einfließen", so Wood, der selbst nicht an der Analyse beteiligt war. Derzeit empfehlen die meisten Leitlinien eine Verzögerung von 30 bis 60 Sekunden vor dem Abklemmen der Nabelschnur. Mit den neuen Analysen sei gut nachvollziehbar gezeigt, dass 120 Sekunden Verzögerung die beste Strategie für eine Verminderung des Sterberisikos von Frühchen seien.
Nabelschnur soll bei Frühgeborenen später abgeklemmt werden - Augsburger Allgemeine
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