Vor seiner Covid-Erkrankung war Thomas Siegmund ein sportlicher Draufgänger ohne Vorerkrankungen. Im künstlichen Koma erlitt er unbemerkt von den Ärzten zwei Schlaganfälle. Jetzt kämpft er sich ins Leben zurück.
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Maske als Gefahrenanzeiger: Forscher haben eine Gesichtsmaske entwickelt, die mit Hilfe eines integrierten Biosensors SARS-CoV-2 in der Atemluft nachweisen kann. Die Sensor-Maske soll auch für Laien einfach anzuwenden sein und ähnlich zuverlässige Ergebnisse liefern wie ein PCR-Test. Zusätzlich präsentieren die Forscher tragbare Biosensoren auch für andere Viren, Bakterien und Gifte. Bis sie reif für die Alltagsanwendung sind, sind allerdings weitere Verbesserungen notwendig.
Als Goldstandard für den Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gelten PCR-Tests. Dazu wird eine Probe aus dem Nasen-Rachenraum des Patienten entnommen und das enthaltene Viruserbgut anschließend vervielfältigt. Der Prozess dauert mehrere Stunden und je nach Kapazität der Labore müssen die Getesteten oft mehr als einen Tag auf ihr Ergebnis warten. Eine Alternative bieten Antigen-Schnelltests, die bereits nach 15 bis 30 Minuten ein Ergebnis liefern, dafür aber weniger präzise sind.
Virusfänger und -sensor in einem
Ein Team um Peter Nguyen von der Harvard University in Boston hat nun einen neuartigen Biosensor entwickelt, der SARS-CoV-2 direkt in der Atemluft nachweisen kann. Die Sensoren beruhen auf einer Abwandlung der Genschere CRISPR/Cas9. Dafür bekommt das System als Andockschablone einen Teil der genetischen Bauanleitung für das virale Spike-Protein. Sie dient dazu, über die Luft eingetragene Viren-RNA einzufangen. Das Enzym Cas12a und spezielle Chemikalien vervielfältigen diese RNA-Sequenzen und aktivieren gleichzeitig einen Farbstoff, der dann das positive Testergebnis anzeigt.-
Nach diesem Prinzip haben Forscher im letzten Jahr schon einen Corona-Schnelltest entwickelt. Im Unterschied zu diesem funktioniert der neue Biosensor aber schon mit der Atemluft – und lässt sich daher in Masken integrieren. „Das Virus sammelt sich auf der Innenseite von Masken als Folge von Husten, Sprechen oder normaler Atmung“, erläutern die Forscher. „Die von uns entwickelte Gesichtsmaske enthält einen gefriergetrockneten CRISPR-Sensor für den tragbaren, nicht-invasiven Nachweis von SARS-CoV-2 bei Raumtemperatur.“
Ergebnis nach 90 Minuten
Erste Tests unter Laborbedingungen deuten darauf hin, dass der neuartige Biosensor ähnlich genau ist wie ein PCR-Test – und wesentlich schneller: „Von der Aktivierung des Gesichtsmasken-Sensors bis zur endgültigen Auslesung dauert es nur rund 1,5 Stunden“, so die Forscher. Zudem sei er besonders einfach zu bedienen: Nach einer Tragzeit von 30 Minuten muss der Träger der Maske lediglich durch Knopfdruck eine Flüssigkeit freisetzen, die den Sensor aktiviert. Enthält seine Atemluft Virus-RNA von SARS-CoV-2, zeigt die Maske dies nach einer weiteren Tragzeit von rund 90 Minuten farblich an.
„Nach unserer Kenntnis erreicht kein anderer SARS-CoV-2-Nukleinsäuretest eine hohe Sensitivität und Spezifität bei voller Funktionstüchtigkeit bei Umgebungstemperatur und ermöglicht die Integration in ein tragbares Format“, schreiben Nguyen und seine Kollegen.
Hürden auf dem Weg zum Alltagseinsatz
Angetrieben wird die Reaktion durch die warme Atemluft des Trägers. Roman Wölfel, Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, der nicht an der Studie beteiligt war, erklärt: „Die in der Publikation beschriebenen Nachweismethoden basieren durchweg auf enzymgetriebenen Reaktionen, die ein Temperaturoptimum von 37 bis 42 Grad Celsius haben. Als ,wearables‘ werden die Reaktionen durch Körperwärme getrieben. Sie laufen daher um einiges langsamer ab. Die Autoren machen daher auch Zeitangaben von ein bis zwei Stunden für Tests, die unter Laborbedingungen 30 bis 45 Minuten dauern.“
Bislang belegen die vorgestellten Ergebnisse aus seiner Sicht vor allem die grundlegende Machbarkeit. „Die verschiedenen Nachweismethoden sind teilweise sehr anspruchsvoll und heutzutage selbst unter optimalen Laborbedingungen fehleranfällig“, sagt Wölfel. Im Alltag kämen allerdings zahlreiche störende Faktoren hinzu, beispielsweise andere Mikroorganismen oder schleimige Substrate, die den Nachweis verzerren könnten.
Zudem ist die vorgestellte Maske aus seiner Sicht „in der Anwendung wenig praktikabel“. Insbesondere die Idee, dass der Träger während des Tests 90 Minuten lang eine nasse Maske tragen soll, hält er für alltagsfern. „Ich würde die ‚wearables‘ aber zunächst auf die Sammlung von kontaminiertem Material begrenzen und die eigentliche Nachweisreaktion unter standardisierten optimalen Reaktionsbedingungen im Labor oder durchaus auch im Feld laufen lassen“, schlägt er vor. „In Masken eingebaute, herausnehmbare Filterscheiben könnten im Labor oder Feld mit herkömmlichen Methoden auf SARS-CoV-2 – oder andere Erreger – untersucht werden.“
Auch für den Nachweis anderer Erreger und Gifte geeignet
Zusätzlich zu den SARS-CoV-2-Masken präsentieren Nguyen und seine Kollegen auch weitere Anwendungsbeispiele. Beispielsweise ließen sich Sensoren, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren, auch in Schutzkleidung integrieren und könnten Giftstoffe, Bakterien oder Viren aus der Umgebung nachweisen. Getestet haben die Forscher dies bereits für das Ebola-Virus, MRSA-Bakterien und das Insektizid Paraoxon.
Da die Nachweisreaktion jeweils erst startet, wenn der Sensor mit Wasser benetzt wird, können nur Erreger oder Giftstoffe in flüssigen Medien nachgewiesen werden, beispielsweise wenn kontaminierte Tröpfchen auf das Gewebe treffen. Allerdings: „Bei der vorgeschlagenen Anwendung zum Nachweis von Krankenhauskeimen auf Kitteln und anderen Kleidungsstücken ist es fraglich, ob eine Kontamination, zum Beispiel durch das Aushusten von Keimen eines Patienten, in ausreichender Flüssigkeitsmenge zielgenau auf den in den ‚wearables‘ verbauten Detektoren landen würde“, gibt Wölfel zu bedenken.
Can Dincer, Nachwuchsgruppenleiter für interaktive Werkstoffe und bioinspirierte Technologien an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war, stimmt zu: „Solche Systeme können derzeit noch nicht die klinischen Tests ersetzen.“ Was weitere Entwicklungen angeht ist er jedoch optimistisch: „Textilien integriert mit sensorischen Funktionen können in Zukunft eine sehr gute Alternative zu herkömmlichen Diagnostik-Methoden bieten“, meint er. (Nature Biotechnology, 2021, doi: 10.1038/s41587-021-00950-3)
Quelle: Nature Biotechnology, Science Media Centre
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Die nächste Grippewelle rückt unweigerlich näher. Zweifach gewissermaßen. Zuerst droht die „Nur eine“-Grippe, das ist die, die in bestimmten Kreisen auch als „kleine“ oder „harmlose“ Grippe kursiert. Bei ihr handelt es sich allerdings gar nicht um eine Influenza-Epidemie, vielmehr ist damit Covid-19 gemeint. Seit die Inzidenzen runter- und die Angst vor der Delta-Variante hochgeht, seitdem also über die vierte Corona-Welle und die mögliche Wiederkehr von Eindämmungsmaßnahmen inklusive Lockdowns nach dem Sommer diskutiert wird, muss man mit solchen suggestiven Vergleichen wieder verstärkt rechnen. Später, im Winter, wenn die Masken womöglich gefallen sind, könnte Influenza dann wirklich zurückkehren. Im Schlepptau von Covid-19.
Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.
Weltweit sterben an den Folgen einer Influenza-Infektion im Schnitt jährlich an die vierhunderttausend Menschen. Tausende allein in Deutschland. Wer eine Influenza durchmacht und deswegen lange liegt, kann sie kaum als harmlos abtun. Eine Grippe ist auch nie klein, wie ein „grippaler“ Infekt, der von Erkältungsviren verursacht wird. Influenzaviren bedrohen die Gesundheit viel massiver. Und selten ist nach einer Grippesaison in der Bevölkerung die Restimmunität so groß, dass die nächste Grippesaison ausfällt. Die vergangene Grippesaison 2020/21 ist allerdings praktisch ausgefallen, im ganzen Land wurden nur ein paar Hundert Grippefälle gemeldet – nicht wegen einer Restimmunität, sondern wegen der Corona-Maßnahmen: Masken, Distanz, Hygieneregeln. Der Kampf gegen Covid-19 hat gewirkt. Allerdings gegen die Grippe – lange nicht genug gegen Corona.
Schon das müsste alle stutzig machen, die unablässig den Vergleich mit der Grippe heranziehen, um verschärfte Maßnahmen gegen die SARS-CoV-2-Ausbreitung zu verhindern. Die Verharmlosung geht nicht auf. Und sie geht immer weniger auf, je mehr die Virologen, Epidemiologen und Mediziner über den Verursacher und die Folgen der Covid-19-Pandemie an Evidenzen zutage fördern. Deshalb haben wir im Folgenden wichtige wissenschaftliche Befunde zum Unterschied zwischen Grippe und Covid-19 zusammengetragen.
Das Ansteckungsrisiko
Eine wichtige Kennzahl für die Ausbreitungsfähigkeit des Virus ist früh bekannt geworden: die Basis-Reproduktionszahl R₀. Sie gibt an, wie viele andere Menschen ein Infizierter im Schnitt „natürlicherweise“ – also ohne Eindämmungsmaßnahmen – ansteckt. Sie ist einerseits von den biologischen Eigenschaften des Virus und andererseits von den sozialen Gepflogenheiten der Bevölkerung abhängig. Bei Grippe liegt R₀ hierzulande bei etwa 1,2 – für SARS-CoV-2 haben chinesische Forscher in den ersten Wochen der Pandemie einen Wert zwischen 2,8 und 3,8 ermittelt. Wissenschaftler der Universität Lausanne in der Schweiz haben ihn anhand der Daten aus 15 westeuropäischen Ländern in der Zeitschrift PlosOne auf 1,9 bis 2,6 taxiert. Das ist der Wert für das Ursprungsvirus vom Anfang der Pandemie. Die leichter übertragbaren Virusvarianten „Alpha“ mit R₀ zwischen 3 bis 4 und die zuerst in Indien aufgetauchte Variante „Delta“ mit einem vorläufig ermittelten R₀-Wert von 5 bis 6 vergrößern noch zusätzlich den Abstand zu Influenzaviren.
Ein entscheidender Faktor ist die praktisch unbemerkte Übertragung des Corona-Erregers bis zu drei Tage vor Symptombeginn — auch durch vollkommen symptomlose Virusträger über kleinste Aerosole, die schon beim Sprechen enorme Virusmengen in die Luft freisetzen können. Kanadische und australische Forscher haben den schon zu Beginn der Pandemie erkennbaren Unterschied zur Grippe in den FluNet-Datenbanken der Weltgesundheitsorganisation für vier große Länder des Nordens und Südens nachgezeichnet: Kanada, USA, Australien und Brasilien. Wie sie in Frontiers in Public Health zeigen, ging mit der Einführung der ersten Covid-Eindämmungsmaßnahmen die Grippesaison 2019/20 im Norden vorzeitig zu Ende, und im Süden wurde die Grippesaison selbst in Brasilien, wo nur basale Corona-Schutzmaßnahmen eingeführt wurden, radikal eingedämmt. Australien hatte noch Mitte 2020 eine Covid-19-Welle, während quasi kaum Grippefälle gemeldet wurden. Bei beiden Erregern handelt es sich um RNA-Viren, beide werden durch Aerosole und keineswegs nur durch Niesen oder Husten von Mensch zu Mensch übertragen, und doch gibt es Unterschiede: „Die Tatsache, dass immer noch Covid-19 grassierte, während sich Influenza gleichzeitig kaum weiter verbreitete, belegt die unterschiedliche Übertragbarkeit der beiden Erreger“, heißt es in der kanadisch-australischen Untersuchung.
Die Krankheit
Covid-19 ist, verglichen mit der saisonalen Grippe oder anderen Atemwegsinfekten, die noch deutlich gefährlichere Krankheit. Israelische Ärzte der Rambam-Klinik haben diese „höhere intrinsische Virulenz“ beim direkten Vergleich der digitalen Krankenakten von 8600 Patienten – darunter knapp 700 Covid-19-Patienten – herausgearbeitet und in Frontiers in Medicine dokumentiert. Covid-19-Opfer kämen im jüngeren Alter und mit weniger Vorerkrankungen ins Krankenhaus. Die Atemnot bei Schwerkranken sei größer, ebenso das Sterberisiko der Corona-Infizierten. Und all dem zugrunde liegen, ablesbar an den Laborwerten, Entgleisungen des Stoffwechsels und des Immunsystems der Covid-19-Opfer, die bei Grippe-Kranken ganz selten zu finden sind.
Was das bedeutet, hat eine europäische Sepsis-Forschergruppe aus Jena, Wien und Göttingen in Lancet Respiratory Medicine zusammengetragen. Die Sepsis, landläufig als „Blutvergiftung“ bekannt, hat ohnehin mit Covid-19 sehr viel mehr gemein als die Grippe – nicht zuletzt was die Spätfolgen angeht (siehe unten). In beiden Fällen handelt es sich um eine ausgeprägte Multisystemkrankheit. Im Zentrum: Blutgefäße und Immunsystem. Grippeviren befallen und vermehren sich vor allem in Zellen der Atemwege, auch in Immunzellen, allerdings weniger in Zellen des Herzens, der Gefäßinnenwand, der Hoden, des Darms, der Leber, Niere und einiger anderer Organe — anders als SARS-CoV-2. Verantwortlich dafür sind die ACE2-Rezeptoren auf all diesen Zellen, die SARS-CoV-2 als Eintrittspforte dienen. Bei den meisten schweren Covid-19-Verläufen ist es dagegen offenbar weniger die Virusvermehrung selbst als die Überreaktion des Immunsystems – das sich bei einer Influenza-Infektion in vielerlei Hinsicht anders verhält.
Die für Atemwegsinfekte untypische Entzündung der Blutbahnen führt, noch bevor die Patienten schwere Schädigungen der Lungen und Atemnot verspüren, zu Schäden der Gefäßinnenwände und zu Gerinnseln, was im Endeffekt oft in eine quasi unbemerkte, „stille“ akute Sauerstoffunterversorgung am Beginn einer schweren Covid-19-Erkrankung führt. Bei zwanzig bis siebzig Prozent Im Vergleich zu Influenza werden länger entzündungsfördernde Botenstoffe ins Blut abgegeben. Komplikationen wie Multiorganversagen und schwere Gerinnungsstörungen, so die Sepsis-Forscher, „treten bei Covid-19 häufiger auf“. Auch die T-Immunzellen sind bei schwer kranken Covid-Patienten offenkundig stärker beeinträchtigt. Während Influenza auf die Atemwege fokussiert sei, handele es sich bei SARS-CoV-2 zusätzlich um ein Gefäßendothel-Virus.
Das ungewöhnliche Entzündungsgeschehen haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Köln in Immunzellen genauer verfolgt. Bestimmte weiße Blutzellen – Makrophagen – werden nach der Infektion durch das Spike-Protein des Coronavirus selbst zur Ausschüttung entzündungsfördernder Botenstoffe, Interleukine, stimuliert. Schon das sei ungewöhnlich, schreiben die Infektiologen in EMBO Molecular Medicine. Noch ungewöhnlicher sei aber eine Beobachtung, die wichtig für die Beurteilung der Folgeschäden und Langzeitschäden werden könnte.
Die Vorläuferzellen, die immer wieder neue Makrophagen hervorbringen, werden nämlich durch die Infektion praktisch umprogrammiert – epigenetisch verändert. In eine ähnliche Richtung gehen die Befunde von Neurobiologen der Universität des Saarlandes, die in Nature die Unterschiede in Hirngewebeproben von Covid- und Grippeopfern beschrieben haben. Offenbar werden durch den SARS-CoV-2-Befall, nicht jedoch bei Influenza, die Immunzellen im Gehirn, die sogenannten Mikroglia, stark aktiviert. Zusätzlich hat man bei Covid-19-Opfern mit Neuroinflammation eingewanderte T-Zellen gefunden, die das Entzündungsgeschehen zusätzlich anfachen – auch dies Hinweise, die für die weitere Untersuchung der Corona-Langzeitfolgen interessant werden dürften.
Die Langzeitschäden
Auch die vermeintlich „Genesenen“ einer Influenza-Epidemie können wochen- oder monatelang unter den Folgen der Infektion leiden. Aber so nachhaltig und weit verbreitet, wie die Langzeitschäden nach Sars-CoV-2-Infektionen inzwischen erscheinen, lässt sich das kaum vergleichen – jedenfalls nicht mit der saisonalen Grippe. Auf dem Forum der Sepsis-Stiftung hat man angesichts der Parallelen in der vergangenen Woche gefordert: „Die Langzeitfolgen erfordern die gleiche Aufmerksamkeit wie die Folgen von Krebs, Schlaganfall, Herzinfarkt.“ Tatsächlich werden von den Regierungen weltweit inzwischen viele Milliarden Dollar in die Erforschung von Long-Covid investiert. In einer Studie des University College London wurden bei mehr als 3500 Covid-Überlebenden mehr als 205 unterschiedliche lang anhaltende Symptome beschrieben.
Bei Covid-19-Erkrankten, die im Krankenhaus behandelt wurden, leiden den deutschen Sepsis-Experten zufolge drei von vier Patienten länger an mindestens einem Symptom — meistens einer als Fatigue bekannten schweren Erschöpfung, Muskelschwäche, Gedächtnisstörungen, Schmerzen, Atemproblemen. International gibt es Studien, die mit einem Drittel Betroffener rechnet. Und selbst bei leichteren Covid-Krankheitsverläufen und mittelalten Patienten zwischen 35 und 50 Jahren sollen 12 bis 28 Prozent von Long-Covid betroffen sein. Damit wäre bis jetzt in Deutschland von 685.000 bis 1,2 Millionen Fällen eines „Post-Covid“-Syndroms auszugehen. Eine chronische Fatigue sei auch von Influenza-Patienten bekannt, aber deutlich seltener, und selbst bei schwer kranken Sepsis-Überlebenden kommt sie lediglich in zwanzig bis vierzig Prozent der Fälle vor.
Bei den bisher etwa 300 in der Jenaer Post-Covid-Ambulanz behandelten Patienten leiden neunzig Prozent mehr als drei Monate darunter, „diese Fatigue ist spezifisch für Post-Covid“, sagte Andreas Stallmach von der Universitätsklinik Jena auf dem Sepsis-Forum. Ursache dafür könnten autoaggressive Antikörper sein, deren Bildung von SARS-CoV-2 ausgelöst wird und die die Hirnfunktionen einschränken könnten. Dies würde eine alte These von Experten des Chronischen Fatigue-Syndroms bestätigen, weswegen in der Zeitschrift Autoimmunity Reviews Immunologen vom „Autoimmun-Virus“ sprechen. Die Leipziger Neuropsychologin Angelika Thöne-Otto warnt jedenfalls: „Das ist nicht psychisch“, nicht die Erschöpfung und nicht die wechselnde Vergesslichkeit oder die Gedächtnisstörungen nach Covid-19. Die „Störanfälligkeit des Gehirns“ sei strukturell im Gehirn von Covid-Patienten zwar mit MRT nicht zu sehen, aber sie offenbare sich in handfesten Hirnfunktionsstörungen bei Hirnstoffwechselanalysen mit einer FDG-PET-Bildgebung.
Die Sterblichkeit
Annähernd 4.000.000 Millionen gemeldete Covid-19-Opfer weltweit, damit übertrifft die noch immer nicht beendete Covid-19-Pandemie bereits jetzt sämtliche Influenza-Pandemien der vergangenen hundert Jahre. Nur bei der Spanischen Grippe von 1917/18, der „Mutter aller Pandemien“, sollen fünf- bis zehnmal so viele Menschen dem Influenzavirus H1N1 zum Opfer gefallen sein. Bei Vergleichsanalysen der Sterblichkeit in „normalen“ Jahren vor der Pandemie haben Wissenschaftler der Oxford-Universität und des Imperial College London im British Medical Journal ebenso wie zuvor schon amerikanische Experten die teuflische Handschrift von Covid-19 in den Sterberegistern ausgemacht.
Allein in 29 wohlhabenden Ländern, die man analysiert hat, wurden im Jahr 2020 insgesamt fast eine Million zusätzliche Tote geschätzt – trotz der in den meisten dieser Länder spätestens zur zweiten Welle ergriffenen und teils auch rigiden Corona-Schutzmaßnahmen. USA, Großbritannien, Italien, Spanien und Polen hatten die höchste Übersterblichkeit — Norwegen, Dänemark und Neuseeland die niedrigsten Zahlen. Auch was die Infektions- und Fallsterblichkeitsraten angeht, liegen die meisten der bislang noch unvollständigen Analysen für die Covid-19-Pandemie beim fünf- bis zehnfachen Wert der saisonalen Grippe.
Der renommierte britische Statistiker David Spiegelhalter hat den Corona-Erreger mal als „Tyrann“ bezeichnet, der vor allem auf den Schwachen herumhackt: „Dieses Virus nutzt jede Schwäche, die du hast, und multipliziert sie.“ Und die Schwächsten sind die Alten: Das Risiko, an Covid-19 zu sterben, verdoppelt sich demnach alle sechs zusätzliche Lebensjahre. Auch darin ist dieses neue Virus noch unbarmherziger als die Grippe. Das war noch vor den Impfkampagnen – allerdings auch vor dem Durchmarsch der Delta-Variante.
Ein Forscherteam aus den USA hat eine Gesichtsmaske entwickelt, die Sars-CoV-2 in der Atemluft ermitteln soll – leuchtet das Vlies der Maske nach 90 Minuten, ist der Träger infiziert. Foto: DRubi/shutterstock.com
Berlin - Das Tragen einer Maske soll vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 schützen. Eine speziell entwickelte Variante aus den USA soll nun jedoch auch ermitteln können, ob der Träger mit dem Coronavirus infiziert ist. Die im Fachjournal „Nature Biotechnology“ vorgestellte Technik wurde bereits patentiert, das Forscherteam sucht nun einen geeigneten Kooperationspartner für die Herstellung.
Auf den ersten Blick sieht die Spezialmaske aus wie eine herkömmliche FFP2-Maske. Der Unterschied liegt im Detail: Denn ein roter Knopf setzt nach Drücken die für den Nachweis erforderliche Reaktion in Gang. Zunächst wird auf der Innenseite ein Wasserreservoir geöffnet, daraufhin folgt eine dreistufige chemische Reaktion.
Die Maske, welche vom Institute for Biologically Inspired Engineering in Cambridge/Massachusetts entworfen wurde, soll innerhalb von 90 Minuten erkennen, ob der Träger der Maske mit Sars-CoV-2 infiziert ist. Basis für den Nachweis ist die sogenannte „isotherme RNA-Amplifikation“ – grundsätzlich kann diese auch zum Nachweis anderer Erreger oder Toxine genutzt werden.
Ist Sars-CoV-2 in der Atemluft des Trägers vorhanden, werden die Viren in einer Sammelkammer aus der Atemluft gefiltert. Anschließend diffundieren sie mit dem Wasser in eine erste Reaktionskammer. Dort erfolgt die Zerstörung der Virushülle. Die freigesetzte RNA wandert dann in die zweite Kammer. Dort werden von einem bestimmten Enzym spezielle Abschnitte der RNA kopiert. Das Prinzip ähnelt der PCR-Reaktion – allerdings ist kein zyklischer Wechsel aus Erwärmung und Abkühlung nötig. Die kopierten RNA-Abschnitte werden dann mit dem Wasser in eine dritte Kammer geschleust. Diese aktivieren dort ein CRISPR-Cas12-System, wodurch ein fluoreszierender Farbstoff produziert wird. Dieser zeigt im Vlies der Gesichtsmaske schließlich an, ob Sars-CoV-2 ermittelt wurde oder nicht.
Obwohl der Test im Vergleich zu herkömmlichen Antigentests länger dauert, könnte er den Forscher:innen zufolge zuverlässiger sein, da er die Virusgene selbst nachweist – ähnlich wie ein PCR-Test, nur wesentlich schneller und angenehmer. Der Test schlägt an, wenn zwischen 1 und 10 Millionen Viren aus der Atemluft gefiltert werden – ein Infizierter atmet rund 1000 bis 100.000 Viren pro Minute aus.
Das Team sieht in der Verwendung der Spezialmasken einige Vorteile: Ein wesentlicher Aspekt ist, dass keine Stromquelle für den Nachweis benötigt wird. Außerdem laufe die erforderliche Reaktion nach Drücken des Knopfes von alleine ab. Da die Testeinheit mit etwa 3 g Gewicht sehr leicht ist, wird der Tragekomfort nicht beeinflusst. Auch die Lagerung der Masken wäre einfach: Bei Raumtemperatur und trocken gelagert, wären sie über Monate überall und schnell einsatzbereit.
Eine der großen Fragen, die es zur Corona-Pandemie noch zu klären gibt, lautet: Wie lange hält die Immunität gegen COVID-19 nach einer SARS-CoV-2-Infektion beziehungsweise nach einer Impfung an? Bisherige Ergebnisse deuteten darauf hin, dass der Immunschutz mindestens über sechs Monate bestehen bleibt. Nun veröffentlichte ein deutsches Forschungsteam neuere Daten, die ein optimistischeres Bild zeichnen.
Forschende der Universität zu Lübeck und des Gesundheitsamtes der Hansestadt Lübeck haben eine weitere Studie zur Dauer der Immunität nach einer COVID-19-Infektion abgeschlossen. Dabei zeigte sich, dass der Immunschutz nach COVID-19 bei einem Großteil der untersuchten Personen nach zehn Monaten noch anhält. Eine Vorabversion der Studie kann auf dem medizinischen Vorveröffentlichungsserver „medRxiv“ eingesehen werden.
Wie erzeugt der Körper eine SARS-CoV-2-Immunität?
Im Rahmen der Studie sollte geklärt werden, ob und wie lange infizierte Personen nach einer SARS-CoV-2 Infektion Antikörper und Interferon-gamma (IFN-γ) produzieren, um so über einen ausreichenden Abwehrmechanismus gegen das pandemische Coronavirus zu verfügen.
Laut der Studie besteht der erworbene Immunschutz gegen COVID-19 aus einer Kombination aus Zellimmunität und Antikörpern. Zum einen entwickelt der Körper im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion oder einer Impfung spezifische anti-SARS-CoV-2 IgG Antikörper. Zudem produzieren sogenannte T-Lymphozyten (T-Zellen) IFN-γ, einen der wichtigsten Botenstoffe im Immunsystem.
Was wurde untersucht?
Die Lübecker Arbeitsgruppe analysierte das Blut von 412 Teilnehmenden, die eine überwiegend milde oder moderate Symptomatik nach einer SARS-CoV-2-Infektion erlebt hatten. Anhand der Antikörper und der IFN-γ-Botenstoffe konnte das Team eine Aussage über die durchschnittliche Mindestdauer der Immunität geben.
Immunabwehr gegen SARS-CoV-2 nach zehn Monaten
Das Blut der Teilnehmenden wurde zehn Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion untersucht. Dabei zeigte sich, dass 316 von 412 Personen (76,7 Prozent) sowohl noch Antikörper (IgG) als auch IFN-γ-Botenstoffe im Blut aufwiesen. 300 Tage nach der Coronavirus-Infektion war im Durchschnitt noch 50 Prozent der Immunabwehr gegen COVID-19 aktiv.
Bei einigen Teilnehmenden wurden entweder hohe Antikörperwerte, aber niedrige IFN-γ-Spiegel gemessen oder umgekehrt. Für diese Beobachtung fanden die Forschenden noch keine Erklärung. Das Phänomen werde nun weiter untersucht.
Immunität hält länger als bislang vermutet
„Unsere Daten zeigen, dass bei nahezu allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach durchgemachter COVID-Infektion eine ausreichende Immunreaktion stattgefunden hat“, erläutert Professor Dr. Werner Solbach vom Zentrum für Infektions- und Entzündungsforschung an der Universität zu Lübeck. Der Schutz halte für mindestens zehn Monate nach Infektion an. Die Ergebnisse könnten bei der Entscheidung helfen, ob und in welchen Abständen eine Auffrischungsimpfung nötig sei.
Antikörper und IFN-γ messen
„In unserer gemeinsamen Studie haben wir neben der etablierten Untersuchung auf Antikörper den Ansatz verfolgt, mit Hilfe der IFN-γ Messung eine Aussage zur so genannten zellulären Immunität, das heißt Abwehrlage auf Zellebene, treffen zu können“, ergänzt Dr. Alexander Mischnik, Leiter des Lübecker Gesundheitsamts und Letztautor der Studie.
Die Ergebnisse seien beruhigend und lassen den Schluss zu, dass nur in der Zusammenschau von Antikörpern und Zellimmunität eine Aussage getroffen werden kann, wie lange man nach einer durchgemachten COVID-Infektion geschützt ist.
Einschränkung der Studienergebnisse
Die Studienergebnisse wurden bislang nur im Rahmen einer Vorveröffentlichung präsentiert. Ein sogenanntes Peer-Review von unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie eine Veröffentlichung in einem renommierten Fachjournal steht noch aus. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
Autor:
Diplom-Redakteur (FH) Volker Blasek
Quellen:
Julia Schiffner, Insa Backhaus, Jens Rimmele, et al.: Long-term course of humoral and cellular immune responses in outpatients after SARS-CoV-2 infection; in: medRxiv, 2021, medrxiv.org
Universität zu Lübeck: Neue Daten zur Langzeit-Immunität von COVID-19-Infizierten (veröffentlicht: 29.06.2021), uni-luebeck.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.
Forscher der Harvard University und des MIT leisteten Pionierarbeit bei der Entwicklung eines Biosensors, der so zuverlässig wie ein PCR-Test auf Covid-19 testen kann.
Der Sensor ist so klein, dass er in eine Atemmaske eingebettet werden kann und liefert innerhalb von 90 Minuten Ergebnisse.
Die Technologie lässt sich einfach ausweiten und könnte so in der nächsten Pandemie zum Test auf andere Erreger eingesetzt werden.
Zwei der wichtigsten Appelle während der Corona-Pandemie lauteten: Tragt in der Nähe anderer Menschen eine Maske und lasst euch testen, wenn ihr euch krank fühlt. Ein Team aus Forschern der Harvard-University und des MIT hat mit seiner neuen Erfindung nun beide Strategien kombiniert. Ihr tragbarer Biosensor kann die Arbeit eines ganzen Labors übernehmen und ist gleichzeitig klein genug, um an einer Gesichtsmaske befestigt zu werden. Die Forscher leisteten damit Pionierarbeit und könnten helfen, die Verbreitung von Atemwegserkrankungen zu stoppen.
Die Anwendung ist denkbar einfach: Träger atmen für 15 bis 30 Minuten in ihre Masken aus, drücken einen Knopf auf dem Sensor – und innerhalb von 90 weiteren Minuten erhalten sie ihre Corona-Testergebnisse. Die werden ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest oben auf einem Auslesestreifen angezeigt. Genauer wird die Erfindung in der Fachzeitschrift „Nature Biotechnology“ beschrieben. „Für jede einzelne Person, die diese diagnostische Gesichtsmaske hat, verhindert man nicht nur die Ausbreitung des Virus, sondern stellt auch relativ schnell fest, ob sie das Virus hat oder nicht“, sagt Co-Erstautor Peter Nguyen, Forscher am Harvard Wyss Institute.
Die Technologie kann auf jeden Erreger angewendet werden
Der Sensor baut auf früheren Forschungen des Wyss-Fakultätsmitglieds und Seniorautors Jim Collins auf. Um den Sensor zu herzustellen, extrahierte das Team die molekulare Maschinerie, die Zellen verwenden, um genetisches Material wie DNA und RNA zu identifizieren, und gefriertrocknete sie. Diese Information dient als „Fingerabdruck“ für den Sensor, um das Virus zu identifizieren, sagte Co-Erstautor Luis Soenksen vom Wyss-Institut.
Der Sensor wird per Knopfdruck aktiviert, woraufhin ein wenig Wasser freigesetzt wird, um die gefriergetrockneten Komponenten zu rehydrieren. Die gleiche Technologie könnte zur Identifizierung anderer Erreger, wie z. B. der Influenza, verwendet werden. Die Erkennung ist so präzise – bis hin zu den einzelnen Bausteinen der DNA –, dass sie sogar zwischen den verschiedenen Varianten des Coronavirus unterscheiden könnte. Darüber hinaus könnte das Diagnosesystem direkt in das Gewebe integriert werden, um den Sensor vollständig zu umgehen. Soenksen sagt, dass die Technologie auf unzählige Arten zum Einsatz kommen könnte. So wäre es möglich, schädliche chemische Stoffe auf Militäranzügen zu erkennen oder auch multiresistente Erreger auf Laborkitteln.
Die futuristische Atemmaske könnte uns auf die nächste Pandemie vorbereiten
Die Entwicklung eines Diagnosegeräts innerhalb einer Gesichtsmaske könnte viele Hindernisse von Echtzeittests beseitigen. Den Forschern zufolge ist die Test-Empfindlichkeit ist vergleichbar mit der von RT-PCR-Tests, die als Gold-Standard gelten. Und es stellt sich heraus, dass die Ergebnisse relativ schnell vorliegen. Das Gerät ist auch noch kostengünstig: Ohne Verpackung kostete der Prototyp fünf Dollar und das Endprodukt könnte für noch weniger hergestellt werden.
Das Team ist derzeit auf der Suche nach kommerziellen Partnern, die bei der Produktion des Sensors helfen – erwartet also nicht, dass ihr ihn gleich morgen in den Supermarktregalen findet. Aber selbst wenn derartige Gesichtsmasken mit eingebauten Virussensoren während dieser Pandemie nicht zur Verfügung stehen, könnten sie helfen, die nächste zu stoppen – vorausgesetzt, wir wissen, nach welchem Erreger wir suchen. „Indem man das Labor zur Person bringt, kann man eine viel höhere Auflösung erhalten, wie schnell die Leute infiziert werden“, sagte Nguyen.
Dieser Artikel wurde von Steffen Bosse aus dem Englischen übersetzt. Das Original findet ihr hier.
Bestimmte Gerüche nehmen Menschen und Tiere schon in kleinsten Konzentrationen wahr. Oft dient das zum eigenen Schutz, etwa beim Geruch von Schwefel, der vor toxischen Gasen wie Schwefelwasserstoff warnt. Nun haben Forscher von der Uni des Saarlandes bei Mäusen gezeigt, dass in deren Nasen tatsächlich bestimmte Zellen helfen, genau diese Gefahren-Moleküle zu verarbeiten. Dabei sind sie empfindlicher als mancher Gasdetektor.
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Saarbrücken – Kann man Gefahr riechen? Wer Gefahren rechtzeitig erkennt, überlebt länger – ein evolutionärer Vorteil. Klar ist, dass auch die Nase dabei eine wichtige Rolle spielt. Bisher ist aber nur wenig über die Mechanismen bekannt, wie Säugetiere tatsächlich Gefahren mit der Nase wahrnehmen. Ein Team um den Physiologen Prof. Frank Zufall von der Uni des Saarlandes hat nun den Duft des Unheils und dessen Wahrnehmung bei Mäusen an einem konkreten Beispiel untersucht: Schwefelwasserstoff, H2S. Dieses Gas wird wegen seines Geruchs nach faulen Eiern nicht nur als unangenehm empfunden, sondern es ist auch eine der gefährlichsten biologisch produzierten Substanzen: Es kann die intrazellulare Atmung hemmen und damit zum Tod führen.
H2S entsteht dort, wo Bakterien keinen Sauerstoff verstoffwechseln können. Solche anaeroben Bedingungen herrschen beispielsweise in sauerstoffarmen Gebieten im Meer oder auch an manchen Stellen im Erdreich. „Für Tiere, die Höhlen bauen, ist dies sehr gefährlich“, sagt Studienleiter Zufall. „Gräbt etwa eine Maus eine Höhle in einem Bereich, in dem Bakterien unter Ausschluss von Sauerstoff leben und H2S produzieren, kann das für sie lebensbedrohend sein, schließlich ist sie als Säugetier auf Sauerstoff angewiesen.“ Aber auch beim Menschen kommt H2S vor. Es spielt z. B. eine wichtige Rolle bei der abstoßenden Wirkung von chronischem Mundgeruch (Halitosis), der hauptsächlich durch die Produktion von bakteriellem Schwefelwasserstoff in der Mundhöhle entsteht und der mit einer Infektion assoziiert wird.
Ein lebendiger Detektor für Schwefelwasserstoff
Das Team um Zufall hat nun an Mäusen untersucht, ob es einen speziellen Mechanismus gibt, solche Gefahren über die Nase wahrzunehmen und daraufhin Abwehrmechanismen zu aktivieren. Und tatsächlich haben die Forscher Sinneszellen in der Nase von Mäusen identifizieren können, die auf eine steigende Schwefelwasserstoff-Konzentration reagieren und die in der Folge eine Stressreaktion auslösen. „Dieser Detektor für Schwefelwasserstoff, den wir gefunden haben, ist der empfindlichste, der bisher im Tierreich entdeckt wurde“, sagt Zufall. „Wir haben ihn mit empfindlichen industriellen Gas-Sensoren aus dem Bergbau verglichen, die auch bei steigenden H2S-Konzentrationen anschlagen, um die Bergleute zu schützen. Diese schlagen noch lange nicht an, während die Sinneszellen in der Mausnase längst Alarm schlagen“, beschreibt er die Empfindlichkeit des neu entdeckten Mechanismus.
Rezeptorzellen starten Putz-Zwang
Gelangen Schwefelwasserstoffmoleküle an die so genannten „Typ-B-Zellen“ in der Mausnase, wird der Ort der H2S-Produktion als abstoßend und wenig attraktiv empfunden und im Gehirn abgespeichert. Die Maus merkt sich so leichter, diesen Ort in Zukunft nicht mehr aufzusuchen und vermeidet so das gefährliche Gas. Diese Überlebensstrategie wird begleitet von so genanntem „self-grooming behaviour“, also einer Art zwanghaftem Putzen. „Die Maus fährt sich ständig mit den Pfoten über Nase, Ohren und Gesicht“, beschreibt Zufall. Außerdem werden Stresshormone freigesetzt.
Das Forscherteam nutzte genau diese Reaktionen als Indikator dafür, ob es tatsächlich die Typ-B-Zellen sind, die den „Schwefelwasserstoff-Detektor“ beherbergen. „Haben wir die Signalmechanismen in diesen speziellen Sinneszellen ausgeschaltet, waren diese Verhaltensreaktionen gänzlich verschwunden und die Stressreaktion bei erhöhter Konzentration von Schwefelwasserstoff war ebenso abgeschaltet“, erläutert der Spezialist für den Geruchssinn. Damit haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass der Detektor tatsächlich in den Typ-B-Zellen sitzt.
Suche nach weiteren Gefahrensensoren beginnt
„Nun stellt sich die Frage, ob es diesen Mechanismus auch beim Menschen gibt“, blickt Studienleiter Zufall in die Zukunft. „Wir wissen, dass manche Menschen auch in der Lage sind, H2S bei niedrigsten Konzentrationen zu riechen. Aber wie das genau funktioniert, wissen wir nicht.“ Der von ihm entschlüsselte Mechanismus in der Mausnase könnte ein wichtiger Hinweis für eine solche Funktion auch beim Menschen sein.
Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung können helfen, eine zentrale Frage der Biologie zu klären: Nämlich wie unsere Sinnesorgane frühzeitig Pathogene aufspüren können, um wichtige Abwehrreaktionen zu aktivieren. „Wir wissen jetzt, dass es Rezeptoren in der Nase von Säugetieren gibt, die bakterielle Gefahrenstoffe aufspüren können“, sagt Zufall. Auf dieser Grundlage können nun weitere Forschungsprojekte entstehen, die der Frage nachgehen, wie Tier und Mensch Bakterien, Viren und bestimmte Krankheiten „wittern“ können.
Infektionen sollen wie mit einem Spinnennetz verhindert werden, bevor sie sich festsetzen
Spinnennetz: neuer Ansatz gegen Infektionen (Foto: pixabay.com, ClaudiaWollesen)
Hamilton (pte001/30.06.2021/06:00) - Immunologen der McMaster University http://mcmaster.ca haben einen bisher unbekannten Mechanismus entdeckt, der wie ein Spinnennetz agiert und Krankheitserreger wie Grippe oder SARS-CoV-2 in die Falle lockt und abtötet. Die Forscher fanden heraus, dass Neutrophile, die im menschlichen Körper am häufigsten vorhandenen weißen Blutkörperchen, explodieren, wenn sie sich mit Antikörpern überzogen an derartige Krankheitserreger anbinden und DNA außerhalb der Zelle freisetzen. Dadurch entsteht ein klebriges Gewirr, das als Falle agiert.
Neutralisierung als Programm
Die in "PNAS" veröffentlichten Ergebnisse sind laut den Wissenschaftlern von Bedeutung, da nur wenig darüber bekannt ist, wie Antikörper Viren in den Atemwegen neutralisieren. Die Entdeckung hat demnach Auswirkungen auf das Design von Impfstoffen und ihre Abgabe. Dazu gehören auch Aerosol- und Nasenspray-Technologien, die dem Körper dabei helfen könnten, Infektionen abzuwehren, bevor sie sich festsetzen.
Laut Forschungsleiter Matthew Miller können Impfstoffe diese Antikörper produzieren, die in den Lungen vorkommen. Sie sind die erste Art von Antikörpern, auf die Viren wie Grippe oder COVID-19 treffen, die die Lungen und Atemwege infizieren. "Mechanismen, die die Infektion an jener Stelle im Körper stoppen, wo sie in den Körper eindringt, können die Ausbreitung und schwere Komplikationen verhindern", so Miller.
Mechanismus nicht ungefährlich
Im Vergleich dazu sind injizierbare Impfstoffe darauf ausgerichtet, die Antikörper im Blut zu unterstützen. Diese Antikörper sind jedoch nicht so verbreitet wie an den Stellen, wo die Infektion ihren Ausgang nimmt. Laut Erstautorin Hannah Stacey sollte sorgfältig über eine nächste Generation von Impfstoffen gegen COVID-19 nachgedacht werden, die in den Atemwegen verabreicht werden können, um Antikörper zu stimulieren. "Derzeit gibt es nicht viele Kandidaten, die sich auf die mukosale Immunantwort konzentrieren."
Die Forscher warnen jedoch zur Vorsicht. Der Spinnennetz-Mechanismus verfüge über das Potenzial von großen Vorteilen. Er könne aber auch schaden, wenn die Netzbildung außer Kontrolle gerät. Die Folgen können Entzündungen und eine weitere Erkrankung sein. In den frühen Wellen der Pandemie, vor den Impfungen, wurden diese "Neutrophil Extracellular Traps" in den Lungen einiger Patienten nachgewiesen und erschwerten das Atmen erheblich.
Immunologinnen und Immunologen einer kanadischen Universität haben einen bislang unbekannten Mechanismus entdeckt, mit dem das Immunsystem Krankheitserreger wie SARS-CoV-2 oder Influenza-Viren einfängt und abtötet. Die Forschenden vergleichen den neuen Mechanismus mit einem Spinnennetz.
Eine Arbeitsgruppe der McMaster University in Kanada beschreibt einen neuen Abwehrmechanismus des Immunsystems. Im Fokus stehen dabei sogenannte Neutrophile, die mit 50 bis 65 Prozent den größten Anteil der weißen Blutkörperchen beim Menschen ausmachen. Die Forschungsgruppe zeigt erstmals, dass Neutrophile regelrecht explodieren, wenn sie an Erreger binden, die in die Atemwege eindringen. Dabei werden die Viren von einem klebrigen Gewirr aus DNA umgeben, das die Erreger wie ein Spinnennetz einfängt.
Entdeckung eröffnet Entwicklung neuer Wirkstoffe
Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Science (PNAS)“ präsentiert. Die Entdeckung ebnet den Forschenden zufolge den Weg für die Entwicklung neuer antiviraler Wirkstoffe, beispielsweise in Form von Nasensprays, die dem Körper bei der Abwehr von Viren helfen könnten. Zudem ermöglichen die Erkenntnisse auch die Forschung an neuartigen Impfstoffen.
Erste Reaktion des Immunsystems stärken
„Impfstoffe könnten diese Antikörper produzieren, die in unseren Lungen vorhanden sind und die erste Art von Antikörpern sind, die Viren wie Influenza oder SARS-CoV-2 sehen, die unsere Lungen und Atemwege infizieren“, erläutert Professor Matthew Miller, der Hauptautor der Studie. Ein Mechanismus, der Erreger bereits an dieser Stelle stoppe, könnte die Ausbreitung im Körper früh unterbinden und schwere Komplikationen verhindern.
Impfstoffe zur nasalen Verabreichung
Im Vergleich dazu seien injizierbare Impfstoffe so konzipiert, dass sie die Antikörper im Blut verstärken. Diese Antikörper seien jedoch an den Stellen, an denen die Infektion beginnt, nicht so weit verbreitet. „Wir sollten über COVID-19-Impfstoffe der nächsten Generation nachdenken, die in die Atemwege verabreicht werden könnten, um Antikörper zu stimulieren“, verdeutlicht Dr. Hannah Stacey aus dem Studienteam. Im Moment gebe es nicht viele Wirkstoff-Kandidaten, die auf diese Immunantwort abzielen.
„Wenn man viele der Antikörper haben will, die im Blut vorkommen, dann macht eine Injektion am meisten Sinn, aber wenn man Antikörper haben will, die im Atemtrakt vorkommen, dann macht ein Spray oder ein Aerosol mehr Sinn“, erklärt Dr. Stacey.
Netzbildung Grund für Atembeschwerden?
Die Forschenden weisen darauf hin, dass der körpereigene „Spinnennetz“-Abwehrmechanismus zwar effektiv Erreger abwehrt, aber auch Schaden wie beispielsweise Entzündungen anrichten kann, insbesondere wenn die Netzbildung unkontrollierbar ausartet. Die Netzbildung könne zum Teil auch für Atembeschwerden verantwortlich sein, die im Zuge einer SARS-CoV-2-Infektion häufig auftreten.
Anwendungszeitpunkt scheint entscheidend zu sein
„Eine Immunreaktion, die Sie schützen soll, kann Ihnen am Ende schaden, wenn sie nicht richtig kontrolliert wird“, betont Miller. Es sei daher wichtig, das Gleichgewicht des Immunsystems zu verstehen. Wenn dieser Antikörper vor einer Infektion oder zu einem sehr frühen Zeitpunkt angewendet wird, könne er wahrscheinlich vor einer weiteren Ausbreitung des Erregers schützen. „Aber wenn die Infektion selbst eine Menge dieser Antikörper stimuliert, könnte es schädlich sein“, resümiert der Forschungsleiter. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
Hannah D. Stacey, Diana Golubeva, Alyssa Posca, et al.: IgA potentiates NETosis in response to viral infection; in: PNAS, 2021, pnas.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.
In jüngster Zeit hat der AstraZeneca-Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus die Öffentlichkeit mit Bedenken hinsichtlich der seltenen, aber schwerwiegenden Entwicklung von thrombotischen Ereignissen alarmiert. Dieses seltene Syndrom wird als Vakzin-induzierte immunthrombotische Thrombozytopenie (VITT) bezeichnet. Im Rahmen mehrerer konsekutiver Studien hat ein Forschungsteam des Zentrums für Klinische Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Tübingen nun die Entstehung, Diagnose und mögliche Behandlungsmethoden der seltenen Erkrankung untersucht.
Die sogenannte Vakzin-induzierte immunthrombotische Thrombozytopenie (VITT) ist ein neu definiertes Syndrom, das zur Gerinnselbildung an seltenen Stellen wie den Gehirn- oder Bauchgefäßen und zu einer verminderten Blutplättchenzahl führt. Die rechtzeitige Diagnose der impfinduzierten Thrombose ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Behandlung. Einem internationalen Forschungsteam, dem auch Mediziner des Uniklinikums Tübingen angehören, ist es bereits kurz nach Bekanntwerden des Syndroms gelungen, erste Richtlinien zur Erkennung, Diagnose und Behandlung von Patientinnen und Patienten, die an dieser seltenen Impfkomplikation leiden, aufzustellen. Die Ergebnisse sind im Journal of Thrombosis and Hemostasis veröffentlicht. Eine VITT erfordert eine sofortige klinische Erkennung, gefolgt von einer bestätigenden Labordiagnostik mithilfe spezieller Tests, die nur an wenigen Zentren durchgeführt werden. Unter der Ärztlichen Leitung von Professor Dr. Tamam Bakchoul etablierte das Zentrum für Klinische Transfusionsmedizin (ZKT) in Tübingen diese Tests in seinem Labor und bietet sie auch anderen Krankenhäusern und medizinischen Versorgungszentren an.
Erste Erfahrungen in der Diagnose und der Behandlung von Patientinnen und Patienten, die thrombotische Ereignisse nach der SARS-CoV-2-Impfung entwickelten, zeigten, wie die Antikörper-vermittelte Aktivierung der Blutplättchen zur Entwicklung der VITT beiträgt. Darüber hinaus wiesen die weiteren Untersuchungen darauf hin, dass die Aktivierung der Blutplättchen durch eine Immunglobulintherapie gehemmt werden kann, was für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit VITT von großer Bedeutung sein kann. Für ihren Bericht untersuchte die Arbeitsgruppe um Dr. Karina Althaus acht Patientinnen und Patienten (5 weiblich, 3 männlich) im Alter von 24 bis 53 Jahren, die sechs bis 20 Tage nach der SARS-CoV-2-Impfung eine VITT entwickelten. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in der renommierten Fachzeitschrift Haematologica publiziert.
In einer Folgestudie, die fünf Patientinnen und Patienten miteinschloss, untersuchte Dr. Günalp Uzun mit Forschenden der Arbeitsgruppe von Prof. Bakchoul die Wirksamkeit der Immunglobulintherapie bei Patientinnen und Patienten mit VITT. Dabei zeigte sich, dass eine Immunglobulintherapie zusammen mit einer Antikoagulation (Medikamentengabe zur Hemmung der Blutgerinnung) die Thrombozytenzahl schnell erhöhen und eine Gerinnungsaktivierung hemmen kann, ohne dabei ein zusätzliches Risiko für eine Hirnblutung zu stellen. Die Ergebnisse der Studie sind in der bekannten medizinischen Fachzeitschrift Blood veröffentlicht.
Um ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern, kommen die Tübinger Forscherinnen und Forscher zu dem Schluss, dass der Einsatz einer Immunglobulintherapie als Behandlungsoption bei Patientinnen und Patienten mit VITT empfohlen werden kann.
Eine der großen Fragen, die es zur Corona-Pandemie noch zu klären gibt, lautet: Wie lange hält die Immunität gegen COVID-19 nach einer SARS-CoV-2-Infektion, beziehungsweise nach einer Impfung an? Bisherige Ergebnisse deuteten darauf hin, dass der Immunschutz mindestens über sechs Monate bestehen bleibt. Nun veröffentlichte ein deutsches Forschungsteam neuere Daten, die ein optimistischeres Bild zeichnen.
Forschende der Universität zu Lübeck und des Gesundheitsamtes der Hansestadt Lübeck haben eine weitere Studie zur Dauer der Immunität nach einer COVID-19-Infektion abgeschlossen. Dabei zeigte sich, dass der Immunschutz nach COVID-19 bei einem Großteil der untersuchten Personen nach zehn Monaten noch anhält. Eine Vorabversion der Studie kann auf dem medizinischen Vorveröffentlichungsserver „medRxiv“ eingesehen werden.
Wie erzeugt der Körper eine SARS-CoV-2-Immunität?
Im Rahmen der Studie sollte geklärt werden, ob und wie lange infizierte Personen nach einer SARS-CoV-2 Infektion Antikörper und Interferon-gamma (IFN-γ) produzieren, um so über einen ausreichenden Abwehrmechanismus gegen das pandemische Coronavirus zu verfügen.
Laut der Studie besteht der erworbene Immunschutz gegen COVID-19 aus einer Kombination aus Zellimmunität und Antikörpern. Zum einen entwickelt der Körper im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion oder einer Impfung spezifische anti-SARS-CoV-2 IgG Antikörper. Zudem produzieren sogenannte T-Lymphozyten (T-Zellen) IFN-γ, einen der wichtigsten Botenstoffe im Immunsystem.
Was wurde untersucht?
Die Lübecker Arbeitsgruppe analysierte das Blut von 412 Teilnehmenden, die eine überwiegend milde oder moderate Symptomatik nach einer SARS-CoV-2-Infektion erlebt hatten. Anhand der Antikörper und der IFN-γ-Botenstoffe konnte das Team eine Aussage über die durchschnittliche Mindestdauer der Immunität geben.
Immunabwehr gegen SARS-CoV-2 nach zehn Monaten
Das Blut der Teilnehmenden wurde zehn Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion untersucht. Dabei zeigte sich, dass 316 von 412 Personen (76,7 Prozent) sowohl noch Antikörper (IgG) als auch IFN-γ-Botenstoffe im Blut aufwiesen. 300 Tage nach der Coronavirus-Infektion war im Durchschnitt noch 50 Prozent der Immunabwehr gegen COVID-19 aktiv.
Bei einigen Teilnehmenden wurden entweder hohe Antikörperwerte, aber niedrige IFN-γ-Spiegel gemessen oder umgekehrt. Für diese Beobachtung fanden die Forschenden noch keine Erklärung. Das Phänomen werde nun weiter untersucht.
Immunität hält länger als bislang vermutet
„Unsere Daten zeigen, dass bei nahezu allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach durchgemachter COVID-Infektion eine ausreichende Immunreaktion stattgefunden hat“, erläutert Professor Dr. Werner Solbach vom Zentrum für Infektions- und Entzündungsforschung an der Universität zu Lübeck. Der Schutz halte für mindestens zehn Monate nach Infektion an. Die Ergebnisse könnten bei der Entscheidung helfen, ob und in welchen Abständen eine Auffrischungsimpfung nötig sei.
Antikörper und IFN-γ messen
„In unserer gemeinsamen Studie haben wir neben der etablierten Untersuchung auf Antikörper den Ansatz verfolgt, mit Hilfe der IFN-γ Messung eine Aussage zur so genannten zellulären Immunität, das heißt Abwehrlage auf Zellebene, treffen zu können“, ergänzt Dr. Alexander Mischnik, Leiter des Lübecker Gesundheitsamts und Letztautor der Studie.
Die Ergebnisse seien beruhigend und lassen den Schluss zu, dass nur in der Zusammenschau von Antikörpern und Zellimmunität eine Aussage getroffen werden kann, wie lange man nach einer durchgemachten COVID-Infektion geschützt ist.
Einschränkung der Studienergebnisse
Die Ergebnisse der Studie wurden bislang nur im Rahmen einer Vorveröffentlichung präsentiert. Ein sogenanntes Peer-Review von unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie eine Veröffentlichung in einem renommierten Fachjournal steht noch aus. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
Autor:
Diplom-Redakteur (FH) Volker Blasek
Quellen:
Julia Schiffner, Insa Backhaus, Jens Rimmele, et al.: Long-term course of humoral and cellular immune responses in outpatients after SARS-CoV-2 infection; in: medRxiv, 2021, medrxiv.org
Universität zu Lübeck: Neue Daten zur Langzeit-Immunität von COVID-19-Infizierten (veröffentlicht: 29.06.2021), uni-luebeck.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.