Bernhard Zand, DER SPIEGEL:
»Donnerstagabend, Hongkong: Ich mache mich heute erst zum zweiten Mal, seit ich in der Stadt lebe, auf den Heimweg nach Europa. Und damit reise ich aus einer Stadt, die praktisch ein Hort der Sicherheit ist. Wenn man in diesen Sicherheits-Blasen, dieser Null-Covid-Politik, drin ist, ist das Leben toll. Es fühlt sich gut an. Man hat nicht das Gefühl, dass man aufpassen muss, sondern es ist eine solidarische Gemeinschaft von Menschen, die letztlich den Regeln folgt, die die Regierung vorgibt. Man ist also wirklich sehr, sehr sicher.«
Der Preis für diese Sicherheit ist hoch. Hongkong verfolgt, wie auch China und Taiwan, eine strikte Null-Covid-Politik mit strengen Quarantäne-Vorschriften. Jeder, der in Hongkong ankommt, muss sich direkt am Flughafen unzähligen Tests unterziehen und anschließend für mindestens 14 Tage in Quarantäne.
China riegelt bei wenigen Corona-Fällen ganze Städte und Regionen ab, so wie vor zwei Tagen die 13-Millionenmetropole Xi'an. Mit Massentests, Quarantäne und strengen Ausgangsbeschränkungen geht der Staat so rigoros gegen neue Ausbrüche vor.
SPIEGEL-Korrespondent Bernhard Zand wird von Hongkong über Frankfurt nach Salzburg reisen – und trifft schon am Flughafen auf Verwunderung über die laschere, europäische Corona-Politik.
Bernhard Zand, DER SPIEGEL:
»Ich habe mich gewundert, dass für die beiden Länder, die ich jetzt reise, Deutschland und Österreich, ich eigentlich keinen PCR-Test brauchte. Ich habe mich auf den Websites umgesehen. Es war ganz eindeutig: Dreifach Geimpfte wie ich brauchen keinen PCR-Test. Ich dachte mir: Dem Braten traue ich nicht und ich mach lieber doch einen. Und wie ich jetzt hier eingecheckt habe, war die Dame beim Check-In erst etwas irritiert und blätterte in den Unterlagen und sagte mir dann: ›Gut, dass Sie den Test gemacht haben. Vor zwei Stunden hat Deutschland entschieden, dass auch sie einen PCR-Test brauchen, um dort einzureisen.‹ Und sie hat das – die Hongkonger und speziell die, die bei einer Luftfahrtgesellschaft arbeiten, sind in der Regel sehr, sehr höflich – doch mit einem fast unübersehbaren Sarkasmus gesagt und sagte dann: ›Schauen die eigentlich nicht Nachrichten da?‹ Also im Sinne von: Haben die da nicht mitgekriegt in Europa, was für eine Bedrohung auf uns zukommt mit der nächsten Welle, der Omikron-Welle.«
»Halb sieben Uhr früh, Frankfurt: ein wie immer langer Flug aus Hongkong, aber ein sehr stiller, denn die Maschinen sind ja zurzeit in der Pandemie alle nur höchstens zu einem Sechstel oder Achtel besetzt. Ich steige jetzt aus und schauen wir mal an, wie sehr sich die deutschen Behörden für meinen Impfstatus, für meinen PCR-Test und dergleichen interessieren. Werden wir ja sehen.«
Einen PCR-Test wollte in Frankfurt am Flughafen niemand sehen. Immerhin wurde der Impfausweis kontrolliert.
Bernhard Zand, DER SPIEGEL:
Also, das Erste, was einem sofort natürlich auffällt hier ist, dass hier ganz normale Menschen stehen, die nur eine Maske tragen. Wenn man in Hongkong am Flughafen ankommt, sind alle, alle Personen, mit denen man es zu tun hat, in diesen Seuchen-Schutzanzügen. Dann dauert es eine Stunde, bis man überhaupt irgendjemanden sieht, der sozusagen normal angezogen ist. Es ist schon deutlich entspannter hier. Es fühlt sich humaner an, ist aber möglicherweise Seuchenschutz-technisch nicht unbedingt die bessere Variante.
Per Flugzeug geht es weiter nach Salzburg. Auch hier kontrollieren die Behörden den Impfstatus. SPIEGEL-Korrespondent Zand ist am Ziel angekommen. Zeit für ein Fazit.
Bernhard Zand, DER SPIEGEL:
»Ich bin von einem Kontinent in einen anderen gereist, die ein doch weitgehend unterschiedliches Programm haben, einen unterschiedlichen Herangang im Kampf gegen diese Pandemie. In Hongkong könnte man sagen, mit seinen unglaublich harten und strikten Quarantäne-Maßnahmen ist das schon sehr nahe am Overkill. Es ist sehr, sehr extrem. Hier in Frankfurt fühlte es sich laxer an, hier in Österreich ist es einfach okay, soweit ich es bislang gesehen habe. Wir haben im aktuellen SPIEGEL ein Gespräch mit dem Hongkonger Epidemiologen Gabriel Leung, der als einer der Ersten, genau vor zwei Jahren jetzt, auf die möglicherweise weltweite Dimension der damaligen Epidemie hinwies. Für ihn ist am Ende doch der Osten, wie er sagt, die östliche Hemisphäre besser im Umgang mit dieser Pandemie. Er erklärt es durch das Erfahrungslernen, durch die soziologische Prägung und er zählt auf, in diesem SPIEGEL-Gespräch, wie viele Epidemien und Pandemien eben im Fernen Osten begonnen haben oder dort aufgetreten sind. Und er sagt: »Niemand in unserer Generation gibt es dort, der sich nicht an eine von diesen Pandemien erinnert.« Und so erklärt er den viel stärkeren, den viele drakonische Ansatz, den Umstand, dass die Menschen sich auch nicht beschweren darüber, was die Regierung von ihnen verlangt, sondern, dass sie in Wahrheit eigentlich mehr verlangen. Meine persönliche Prognose ist, dass auch wir in der westlichen Hemisphäre nach der Erfahrung dieser Pandemie, wie lange sie auch immer noch dauern mag, wahrscheinlich nächstes Mal, das etwas anders angehen werden. Wir werden es anders machen als die Asiaten, aber wir werden, glaube ich, mehr Respekt davor haben, vor dem ersten Virus und vor den vielen Varianten, die danach möglicherweise noch kommen.«
Reisen in der Pandemie: »Ich verlasse einen Hort der Sicherheit« - DER SPIEGEL
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