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Sunday, April 23, 2023

Funktion unseres Mikrobioms und Zusammenhang mit Krankheiten - FITBOOK

Die Wohngemeinschaft in unserem Darm, das sogenannte Mikrobiom, entscheidet nicht nur, wie viel Energie wir aus Nahrung gewinnen können, und somit, wie schnell bzw. langsam wir Gewicht zunehmen, sondern hat auch langfristige Auswirkungen. Das Mikrobiom hat großen Einfluss darauf, ob wir auf lange Sicht gesund bleiben oder krank werden. FITBOOK erklärt, was sich genau hinter dem Mikrobiom verbirgt, wie es sich entwickelt, aber auch negativ verändern kann.

Dass unser Darm nicht nur über unser kurzfristigen, alltägliches Wohlergehen entscheidet, sondern auch über unsere langfristige Gesundheit, wird anhand stets neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse immer offensichtlicher. Eine große Rolle wird in diesem Zusammenhang dem Mikrobiom zugeschrieben, es wird sogar für die Entstehung diverser Krankheiten verantwortlich gemacht.

Übersicht

Was ist das Darmmikrobiom?

Um einmal vorab die Begrifflichkeiten zu klären: das Mikrobiom ist die Sammlung von Mikroorganismen, vor allem Bakterien, und ihren Genen, die in einer bestimmten Umgebung leben (z.B. im Darm, der Lunge, dem Mund oder auf der Haut).1 Wir sprechen hier vom sogenannten Darmmikrobiom, das aus Bakterien, Pilzen und Viren besteht, die sich über den Dick- und Dünndarm verteilen und auf den entsprechenden Schleimhäuten leben. Tatsächlich machen sie ca. 40 Prozent des Darminhalts aus und pro Gramm Stuhl findet man sogar 1011 Bakterien.

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Die Aufgabe der Darmbakterien

Ihre Hauptaufgabe (im Darm) ist, komplexe Kohlenhydrate zu verdauen, und somit Nährstoffe und Energie von eigentlich unzugänglichen Nahrungsinhaltsstoffen zu gewinnen. Dabei kommt es zu der Bildung von kurzkettigen Fettsäuren, Milchsäure, CO2 und H2, die bspw. für die Darmgesundheit wichtig sind. Das ist aber noch nicht alles: Das Mikrobiom ist auch an der Vitamin- und Fettproduktion sowie Immunfunktion beteiligt und somit ein wichtiges metabolisches Organ.2, 3

Es gibt ca. 15.000 bis 36.000 bakterielle Spezies im Darm (diese Zahl variiert so stark, da noch nicht alle Spezies bekannt sind). 99 Prozent machen folgenden übergeordneten Gruppen aus: Bakteriodieten, Firmicutes und Aktinobakterien. Dabei sind manche ihrer Untergruppen mehr und manche weniger gesundheitsförderlich.4

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Wie sich das Mikrobiom entwickelt

Direkt bei der Geburt, je nachdem, ob ein Kind per Kaiserschnitt oder vaginal geboren wird, kommt es zu der ersten Besiedlung des Darms mit Mikroben, da der Uterus zuvor steril war. Als Nächstes entscheiden die Fütterung, bspw. die Muttermilch, und die Umgebung über die Weiterentwicklung des Mikrobioms. Ist zum Beispiel ein Haustier vorhanden, gibt es ganz andere Bakterien als ohne das Tier.5 Wenn wir erwachsen sind, verändert sich das Mikrobiom weniger stark, wobei es stets dynamisch bleibt. Veränderung in der Ernährung, Lifestylefaktoren, Erkrankungen, Medikation und Wohnortwechsel zeigen schnelle Veränderungen.6

Parameter, die ein gesundes Mikrobiom ausmachen

Wie sich das beobachten, beschreiben oder gar auswerten lässt? Hier einmal die drei wichtigsten Parameter, um das Mikrobiom zu bewerten, wobei der Einfachheit halber von der Methodik abgesehen wird:

  • Abundance (Vorkommen) beschreibt die gesamte Anzahl an Organismen an einer bestimmten Stelle, unabhängig von ihrer Spezies.
  • Species Richness (Reichhaltigkeit) ist die Anzahl unterschiedlicher Spezies an einer bestimmten Stelle, wobei nicht beachtet wird, wie viele es davon gibt.
  • Diversity (Diversität) fasst die obigen Parameter zusammen und wird somit am häufigsten herangezogen. Unterschieden wird noch zwischen der Diversität innerhalb einer Probe (Alpha-Diversität) und zwischen verschiedenen Proben (Beta-Diversität).

Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und Krankheiten

Der Darm gilt als Ausgangspunkt von verschiedenen Volkskrankheiten, wie Übergewicht, metabolischem Syndrom, Fettleber und Diabetes. Aber auch chronische-, oft durch Entzündungsreaktionen hervorgerufene, Krankheiten, wie Arthritis oder Morbus Chron, wurden mit dem Mikrobiom in Zusammenhang gebracht. Es ist aber selten das Mikrobiom allein, da genetische Prädisposition sowie andere Faktoren, wie Lifestyle, Infektionen und Medikationen, zusätzlich eine Rolle spielen.

Was kann das Mikrobiom so verändern, dass es zu Krankheiten führt?

Generell kann seit der Industrialisierung eine Abnahme der Diversität des Mikrobioms beobachtet werden, was mit entsprechenden Zivilisationskrankheiten einhergeht.7 Eine Erklärung dafür ist die sog. Western Diet (westliche Ernährung), die viel Fett und Zucker enthält. Denn diese Makronährstoffe können das Vorhandensein sowie die Aktivität von Mikroorganismen erhöhen, die mit Übergewicht oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen assoziiert sind.

Man kann sich das in etwa so vorstellen, dass bestimmte Spezies mit entsprechenden Nährstoffen besser gedeihen: Prevotella isst am liebsten Kohlenhydrate und Zucker. Obst führt wiederum dazu, dass die Bifidobakterien glücklich sind und über Proteine freut sich Bateriodes. Aber auch die Aufnahme von Antigenen, Antibiotika oder Pilzen durch die Nahrung kann das mikrobielle Ökosystem verändern.

Mikrobiom und Darmkrebs

Aktuelle Studien legen den Verdacht nahe, dass das Mikrobiom bei der Entstehung von Darmkrebs beteiligt ist und somit für Therapieansätze von Bedeutung sein könnte. Der exakte Mechanismus ist aber noch nicht klar und die Datenlage noch eher dünn.8

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Mikrobiom und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa oder Reizdarm, werden mit Veränderungen im Mikrobiom in Zusammenhang gebracht. Da diese gerade im globalen Westen häufiger vorkommen, besteht auch hier die Annahme, dass der westliche Lebensstil für die steigende Prävalenz, besonders in den letzten Jahrzehnten, verantwortlich ist. Die Entstehung einer solchen CED benötigt aber zusätzlich genetische Faktoren sowie eine Einschränkung im Immunsystem, bis es zu einer sog. Barriere-Dysfunktion kommt und der Darm „durchlässig“ wird. 9

Neue Therapieverfahren, zielen dementsprechend aber auf das Mikrobiom ab: Probiotika und Stuhltransplantation, zeigen bereits vielversprechende Daten – bis zur Zulassung, kann es aber gerade bei der Stuhltransplantation noch dauern, da Nebenwirkungen und Risiken noch nicht abgeklärt sind.10

Konkrete „Darmdiäten“ gibt es dabei nicht, wobei eine Low-FODMAP-Diät, Symptome lindern kann. Dafür werden fermentierbare Oligosaccharide, Bisaccharide, Monosacharide und Polyole, also eine Reihe von Zuckern und Ballaststoffen, gemieden.11

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Mikrobiom und Autoimmunerkrankungen

Makronährstoffe haben einen Einfluss auf unser Immunsystem im Darm, was wiederum Auswirkungen auf das gesamte Immunsystem haben kann. Neueste Daten zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und Autoimmunkrankheiten, wie Multiple Sklerose. Es gibt aber noch nicht genug Daten, um eine Kausalität herzustellen, da Faktoren, wie Alter, Genetik, Lebensstil, Erkrankungen und Medikationen ebenfalls mit reinspielen.

Mikrobiom und Stoffwechselstörungen

Auch die Pandemie der Zivilisationskrankheiten kann in Teilen auf das Mikrobiom zurückgeführt werden, wenn sich das Mikrobiom, gerade durch Überernährung mit viel Fett und Zucker unvorteilhaft verändert.12 Es kommt zu einem Ungleichgewicht von „unguten“ gegenüber „guten“ Mikroorganismen und somit einer verminderten Diversität.13 Zusammen mit Bewegungsmangel und Stress kann es zu einer hormonellen Dysregulation kommen, wodurch man an Körperfett zulegt. Langfristig kann es dann zu einer Insulinresistenz, gefolgt von Diabetes und bis hin zu Herzkreislauferkrankungen, kommen.

Bzgl. neuer Therapieansätze kommt nochmal die Stuhltransplantation ins Spiel: Die Forschung hat gezeigt, dass der Transfer vom Darmmikrobiom eines „dünnen“ Menschen, die Insulinsensitivität in Individuen mit metabolischem Syndrom verbessern kann – vielleicht gibt es eine Zulassung also doch schneller als gedacht?

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Wie stärke ich mein Mikrobiom?

Wo sich die Wissenschaft einig ist: Je diverser die Ernährung, desto diverser das Mikrobiom – und entsprechend geringer das Risiko für Entzündungsreaktionen und Krankheiten.14 Die sog. PREDIMED-Studie zeigt, dass eine mediterrane Diät, also viel Obst, Gemüse, Fisch und Olivenöl, dem Mikrobiom guttun und kardiovaskuläre Erkrankungen vorbeugen kann. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Omega-3-Fettsäuren, die in Fisch und Nüssen enthalten, aber auch als Nahrungsergänzungsmittel in Kapselform erhältlich sind.15 Aber auch bei den Ballaststoffen ist sicher, dass sie die Darmgesundheit fördern, wobei es natürlich je nach Darm auch mal zu viel des Guten sein kann.16

Synthetisch sind Ballaststoffe auch als sog. Präbiotika zu erhalten, und füttern die Mikroben, deren Wachstum wir unterstützen wollen. Probiotika sind hingegen lebende Mikroorganismen, wie Akkermansia muciniphila deren gesundheitsförderliche Effekte bereits für übergewichtige Personen nachgewiesen wurde. Zusammen werden Prä- und Probiotika auch als Synbiotika verkauft. Schließlich gibt es noch Postbiotika, also z.B. kurzkettige Fettsäuren, wie Acetat, Butyrat und Propionat, die normalerweise von den Bakterien selbst produziert werden, und für ihre positive Wirkung bekannt sind. Aber nicht bei allen erhältlichen Substraten ist die Wirksamkeit bzw. Datenlage eindeutig. Viele Lifestyle-Produkte für Darmgesundheit schmücken sich daher zwar mit gutem Marketing frühzeitig – schaden aber auch nicht.

Fazit und Ausblick in die Zukunft

Wer nun, nach den vielversprechenden Ergebnissen und Erkenntnissen, am liebsten direkt eine Mikrobiom-Analyse beim Arzt oder entsprechenden Unternehmen durchführen lassen möchte, wird zusätzlich enttäuscht sein. Denn das Fäkalmikrobiom (das meist der Einfachheit halber gemessen wird), spiegelt gar nicht eins zu eins das Darmmikrobiom wider, da es sich nur um die ausgeschiedenen Mikrooben handelt. Auch wenn es natürlich trotzdem hoch spannend ist und es weitere, komplizierte Analysetechniken gibt – spätestens bei der Auswertung steckt die Interpretation noch in den Kinderschuhen. Denn bei 15.000 bis 36.000 bakteriellen Spezies ist noch nicht ganz klar, welche „gut“ und „schlecht“ sind. Bedenkt man den Ansatz der personalisierten Ernährung, kann es sogar sein, dass man sie gar nicht in diese Kategorien unterteilen kann.17

Die Forschung ist aber weiterhin auf dem Vormarsch, besonders im Bereich der Krankheiten und Therapie. Es kommen sogar ganz neue Bereiche wie die Betrachtung der psychischen Gesundheit im Zusammenhang mit dem Darm hinzu. Vielleicht wissen wir ja in ein paar Jahren oder Jahrzehnten, wer bzw. was in unserem Darm lebt und was diese Anwohner brauchen, um sich (und dadurch uns) gesund zu halten. Was bis dato feststeht, so wenig Zucker und Fett, wie möglich, dafür möglichst divers und reichhaltig an Ballaststoffen.

Quellen

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