Seit einiger Zeit wird eine Impfung gegen Gürtelrose für Menschen ab 60 Jahren und Risikopatienten empfohlen. Schwere Verläufe ließen sich so oft verhindern. Warum nehmen das Angebot so wenige wahr?
Dr. Thomas Grünewald: Die Gürtelrose manifestiert sich im Rahmen einer Reaktivierung des Windpocken-Virus (VZV). Die Erkrankungszahlen in den Industrieländern sind in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich gestiegen, die Zahl der Menschen mit einem Risiko ebenso.
Es ist vielen nicht bewusst, dass es nach einer solchen Gürtelrose, die für sich schon eine unangenehme Erkrankung darstellt, zu schweren Folgeerkrankungen kommen kann. Das sind vor allem der Post-Zoster-Nervenschmerz, aber auch Herzinfarkte und vor allem Schlaganfälle, die eine erhebliche Belastung für die Betroffenen darstellen. Hier fehlt es an Aufklärung und auch an der Schärfung des Bewusstseins für eine sehr wirksame Impfung. Das Risiko für das Auftreten einer Gürtelrose wird um 80 bis 85 Prozent, dass der Post-Zoster-Schmerzen um mehr als 80 Prozent reduziert. Die Wirksamkeit bei Immungeschwächten, mit dem höchsten Risiko für eine Gürtelrose, ist genauso gut.
Es gibt einen neuen Pneumokokken-Impfstoff Apexxnar. Die Ständige Impfkommission hat ihn noch nicht empfohlen, obwohl er laut Studien angeblich besser schützt. Warum?
Dr. Thomas Grünewald: In Sachsen durch die Sächsische Impfkommission (SIKO) wie auch unter anderem in den USA ist dieser Impfstoff wie übrigens auch der zweite neue Impfstoff gegen Pneumokokken ("Vaxneuvance") schon empfohlen, eine Kostenübernahmegarantie der Kassen gibt es derzeit jedoch noch nicht. Eine individuelle Beantragung der Kostenübernahme sollte jedoch unbedingt versucht werden.
Die Daten zeigen hier, dass diese Impfstoffe, bei denen die Pneumokokken-Eiweiße an einem Wirkverstärker gekoppelt sind, gegen eine höhere Zahl von Pneumokokken-(Kapsel)typen als die bisherigen Impfstoffe wirksam sind, so dass mit der Verabreichung mutmaßlich eine höhere Zahl an schweren Pneumokokken-Infektionen vermieden werden kann.
Von der Zulassung bis zur Empfehlung kann es einige Zeit dauern, zumal die Empfehlung dann auch noch in den allgemeinen Impfkatalog des sogenannten gemeinsamen Bundesausschusses (gBA) aufgenommen werden muss.
Stichwort Europäische Impfwoche Die Europäische Impfwoche 2023 startet am 23. April und geht bis zum 29. April. Die Aktion soll bei Eltern, Organisationen und Medien mehr Bewusstsein für den Impfschutz erzeugen, Impflücken schließen helfen und so zu höheren Durchimpfungsraten führen, um mögliche Ansteckungsketten zu verhindern. 2005 war die erste Europäische Impfwoche.
Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit auch Ältere besser auf ihren Impfschutz achten?
Dr. Thomas Grünewald: Impfen gehört als hocheffektive Präventionsmaßnahme zur Daseinsvorsorge und ist noch dazu extrem kosteneffektiv. Wir brauchen hierfür noch mehr niedrigschwellige Angebote, insbesondere in Pflegeeinrichtungen und zusätzlich innovative, ideenreiche Konzepte (z.B. Schulimpfen, mobiles Impfen, etc.), um möglichst vielen vulnerablen Personen Impfangebote machen zu können.
Welche Forderungen haben Sie generell zum Thema Impfen?
Dr. Thomas Grünewald: Die Bedeutung von präventiven Maßnahmen wird immer noch zu gering eingeschätzt. Wir brauchen gerade beim Impfen wieder eine Versachlichung der Diskussion. Die Prozesse von der Entwicklung bis zur Einführung von Impfstoffen könnten kondensiert, also verkürzt, werden. Das Verständnis hinsichtlich Wirksamkeit, von erwünschten, aber auch unerwünschten Effekten, sollte schon frühzeitig edukativ z.B. in den Schulen angegangen werden. Wir haben immerhin zwei Impfstoffe, die eine Krebs-präventive Wirkung haben (HPV und Hepatitis B). Hier nutzen wir unser Wissen viel zu wenig.
Impfschutz für Ältere: Welche Impfungen sollten nicht fehlen? - MDR
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